2024-04-19T07:32:36.736Z

Pokal
Als sich in Auerbach schon alle aufs Elfmeterschießen eingestellt haben, erzielt er den entscheidenden Treffer : Jim-Patrick Müller, den sie bei Dynamo Jimi nennen. Foto: Robert Michael
Als sich in Auerbach schon alle aufs Elfmeterschießen eingestellt haben, erzielt er den entscheidenden Treffer : Jim-Patrick Müller, den sie bei Dynamo Jimi nennen. Foto: Robert Michael

Schon wieder der Jimi

Landespokal ist Müller-Zeit. Wie im Achtelfinale trifft er auch diesmal - zum Tor des Tages gegen Auerbach

Vieles kann man Dynamo Dresden vorwerfen, mangelnde Professionalität jedoch nicht. Dass der Drittliga-Spitzenreiter beim Regionalliga-Achten VfB Auerbach erst in der Verlängerung und drei Minuten vor dem Elfmeterschießen mit 1:0 gewinnt, ist daher für den Trainer überhaupt kein Problem.

„Das Einzige, was zählt, ist das Weiterkommen“, sagt Uwe Neuhaus nach dem knappen und trotzdem hochverdienten Sieg gestern am frühen Abend. Aber er gesteht: „Wir sind die möglichen Schützen schon mal durchgegangen.“

Dass es zum ultimativen Höhepunkt eines jedes Pokalspiels nicht gekommen ist, hat Dynamo wiederum Jim-Patrick Müller zu verdanken. In der 117. Minute nutzt er die erste und einzig richtig klare Möglichkeit. „So ein 1:0 im Pokal liegt mir“, erzählt er mit seinem so typischen spitzbübischen, zufriedenen Grinsen, das er zuletzt vor gut vier Wochen gezeigt hatte – nach dem Landespokal-Erfolg gegen den Chemnitzer FC. Schon damals erzielte er die Führung.

Wie damals dominiert Dynamo auch gestern das Spiel, und dennoch scheint der Gegner deutlich näher dran zu sein am Weiterkommen im Pokal. Den Grund nennt Neuhaus: „Die sind gerannt, gerannt, gerannt. Das ist schon Wahnsinn, was Auerbach läuferisch geleistet hat.“ Seine Mannschaft habe indes lange Zeit kein Mittel gefunden, um aus der Überlegenheit echte Chancen zu erspielen. „Aber wenn man über den Platz geht, kann man’s fast verstehen“, sagt Neuhaus.

Die Platzverhältnisse sind danach das große Thema. Wie einst Jürgen Klopp, der als Dortmunder Trainer nach dem Erfolg im DFB-Pokal im März über den Rasen in Dresden meckerte, schimpfen diesmal die Dynamos. Und dabei will Kapitän Michael Hefele nicht mal den Begriff Wiese gelten lassen. „Eher ein Spargelacker. Ich bin der festen Überzeugung, dass ich einen grünen Stängel gefunden habe“, sagt er und findet: „Bessere Bedingungen hätte es für Auerbach nicht geben können.“

Stürmische Winde, die quer über die Wiese ziehen, peitschender Regen und ein tiefer Platz, bei dem selbst 18-Millimeter-Schraubstollen unterm Fußballschuh keine Standfestigkeit garantieren, sind das, was Sportvorstand Ralf Minge als „nicht einfache äußere Umstände“ bezeichnet. Auch deshalb schwindet seine an sich gute Laune mit jeder Minute etwas mehr. Spätestens mit Beginn der Verlängerung hat er auch keine Lust mehr auf Handy-Fotos mit Auerbacher Fans, von denen die meisten im Fußball-Alltag ja ansonsten mit Dynamo sympathisieren. Sichtlich genervt stellt er also fest: „Es ist das eingetreten, was wir erwartet haben.“

Auch Neuhaus überraschen – mal abgesehen von der Laufbereitschaft der Feierabend-Kicker – weder Platz noch Gegner. Bei der Video-Analyse sei ihm der Rasen sehr wohl aufgefallen, und auch den Regen hat er registriert, der über Nacht gefallen ist. Die Folgen sind Dresdner Trikots, die binnen kürzester Zeit ihre Farbe von blütenweiß in schmutziggrau wechseln.

Es ist von Beginn an das Kampfspiel, auf das sich Dynamo nach eigenem Bekunden eingestellt hat. Professionell eben. Und daher bietet Neuhaus die mutmaßlich stärkste Formation auf. Einzig Marvin Stefaniak und Aias Aosman erhalten eine schöpferische Pause, dafür Müller und Sinan Tekerci eine Bewährungschance.

Der Spitzenreiter ist spielerisch sofort überlegen, der Klassenunterschied offensichtlich. Nur zu Chancen führt das nicht. Den ersten Schuss gibt Nils Teixeira ab, den ersten Treffer aber erzielt der Gegner. Doch Schiedsrichter Martin Bärmann entscheidet auf Abseits – genauso wie in der 40. Minute beim Tor von Quirin Moll. Die Fernsehbilder beweisen danach zwar, dass der Referee mit beiden Entscheidungen richtig liegt. Und trotzdem gibt es beim Dynamo-Tor reichlich Diskussionen, weil der Linienrichter die Fahne nicht hebt. Das allerdings entspricht den Regeln, wie Bärmann danach auf SZ-Nachfrage erklärt. Nach Rücksprache mit dem Kollegen an der Seitenlinie verweigert er Molls Treffer die Anerkennung – weil Justin Eilers im Sichtfeld des Torwarts stand. Soweit zur Regelkunde.

In der zweiten Hälfte häufen sich zwar die Aktionen, wirklich gefährlich sind die Dresdner aber nicht. Hefele, Tekerci, Müller, Stefaniak und Pascal Testroet schießen allesamt aufs Tor, doch entweder vorbei oder darüber. Ansonsten sind die Gäste oft zu verspielt, während Auerbach „mit sehr viel Leidenschaft“ auftritt, wie Minge auf der provisorisch eingerichteten Vip- und Pressetribüne feststellt. Mit dem späten Tor in der Verlängerung ist die Pflichtaufgabe am Ende jedoch erfüllt. „Daraus lässt sich auch ein Stück Stärke ziehen. Nämlich dass wir 120 Minuten Kraft und Kondition haben“, meint Neuhaus, der das Spiel ansonsten jedoch schnell abhaken will.

Hefele ist unterm Strich ebenfalls zufrieden. „Wir haben gezeigt, dass wir auch kämpfen und kratzen können, wenn uns ein Gegner auf die Socken haut“, sagt er. So gesehen ist die Reise ins Vogtland die perfekte Generalprobe für die nächste Partie in der Liga bei Erzgebirge Aue – findet Hefele, schränkt aber ein: „Ich hoffe, die haben einen besseren Platz.“ Auch Torschütze Müller freut sich schon auf das Ostduell, das in dieser Saison sogar dreimal stattfindet. Im Landespokalhalbfinale, das in der Halbzeit ausgelost wurde, trifft Dynamo wieder auf Aue. Den erneuten Führungstreffer will Müller aber nicht versprechen. „Ich würde gerne wieder treffen. Wenn’s das 2:0 wird, ist das auch kein Problem.“

Aufrufe: 016.11.2015, 12:11 Uhr
SZ / Tino MeyerAutor