2024-04-25T14:35:39.956Z

Interview
Jean-François Kornetzky, genannt Jeff, setzt ein Zeichen. Foto: Robert Michael
Jean-François Kornetzky, genannt Jeff, setzt ein Zeichen. Foto: Robert Michael

"Es hätte jeden von uns treffen können"

Dynamo-Torhüter Jeff Kornetzky über die Anschläge in Paris

Jeff Kornetzky ist Dynamos Nummer eins – und Franzose. Im SZ-Interview spricht er über die Anschläge in Paris.

Jeff, wie haben Sie die vergangenen Tage erlebt?

Als die deutsche Mannschaft am Freitag ihr Hotel wegen einer Bombendrohung verlassen musste und es abends während des Spiels diese zwei Detonationen gab, hatte ich sofort im Hinterkopf, dass Schreckliches passiert sein musste. Leider hat sich das dann bestätigt. Ich habe noch lange vor dem Fernseher gesessen und auch Radio gehört. Aller paar Minuten gab es neue Informationen. Erst 20 Tote, dann 60 und immer mehr... Als Franzose denkst du, ich hätte auch dort sein können. Aber es hätte ja jeden von uns treffen können, dagegen kannst du dich nicht schützen. Dass, was geschehen ist, das viele Leid der Menschen, tut mir sehr, sehr weh. Noch am Abend hat auch gleich meine Schwiegermutter aus Brasilien angerufen und gefragt, ob wir gerade in Frankreich sind. Sie hatte sich Sorgen gemacht.

Haben Sie denn selbst Verwandte oder Freunde in Paris?

Ja, meine Mutter stammt aus Paris. Und ich habe auch ein paar Freunde dort. Sie haben mir erzählt, dass es jetzt viele Polizeikontrollen in der Stadt gibt. Und wenn sie unterwegs sind, zum Beispiel mit der Metro, haben die Menschen einfach auch Angst vor ihrem Nachbarn. Doch wie gesagt, das hätte überall passieren können. Das war jetzt in Paris, aber vor einem Jahr gab es in Mumbai in Indien ähnliche Anschläge.

Wie sehr haben Sie die Bilder aus Ihrer Heimat dann am Sonntag beim Pokalspiel in Auerbach beeinflusst?

Natürlich denkt man daran. Ich wollte dieses Spiel unbedingt gewinnen – auch für die Menschen, die in Paris gestorben sind. Das ist für euch, war einer der Gedanken, der mir nach dem Sieg durch den Kopf gegangen ist. Andererseits musst du Profi sein und deinen Job machen. Die Nationalteams von Frankreich und Deutschland sind das beste Beispiel. Sie waren noch viel näher dran an den Ereignissen – und werden am Dienstag trotzdem beide spielen.

Als Zeichen der Solidarität haben Sie mit Trauerflor gespielt.

Ich habe unseren Teammanager Martin Börner gefragt, ob ich mit schwarzer Armbinde spielen kann. Er hat gesagt: Wenn, dann alle! Das fand ich toll. Und nach dem Spiel habe ich dann meine Nationalflagge mit dem schwarzen Eiffelturm bei unseren Fans entdeckt. Ich habe mich bei ihnen bedankt, dass sie mich und mein Land so unterstützen. Als Dankeschön habe ich dem Fan mit der Fahne mein Trikot geschenkt – und er mir daraufhin die Fahne. Sie hängt jetzt in der Kabine auf meinem Platz.

Wird unter den Spielern über die Anschläge gesprochen?

Ja, natürlich, schon gleich bei der Mitgliederversammlung Samstagfrüh. Sie stellen mir auch viele Fragen. Warum, warum? Ich kann darauf nicht antworten, und auch mein bester Freund, der Algerier und Moslem ist, weiß keine Antwort.

Haben Sie jetzt Angst, nach Frankreich zurückzugehen?

Nein, das habe ich nicht. Wir müssen Stärke zeigen, zusammenhalten – auch wenn das schwer ist. Du kannst ja nicht hinter jede Person einen Polizisten stellen.

Aufrufe: 017.11.2015, 07:47 Uhr
SZ / Tino MeyerAutor