2024-05-02T16:12:49.858Z

Allgemeines
Linus Ebert
Linus Ebert

Von Altenburg nach Hoffenheim

JUGEND: +++ Heimisches Talent Linus Ebert wechselt im Sommer ins Nachwuchs-Leistungszentrum des Bundesligisten +++

Altenburg. „Fußballprofi!“ Das ist der Berufswunsch von Linus Ebert aus Altenburg, seit er vier Jahre alt ist. Gut, in diesem Alter ist dieses Ziel – neben Astronaut – wohl ohnehin das beliebteste, welches in jedem abenteuerlustigen Kindergartenkind schlummert. Doch was Linus Ebert sich in den Kopf setzt, das schafft er – meistens zumindest. Heute ist das Talent 14 Jahre alt, geht in die achte Klasse der Albert-Schweitzer-Schule in Alsfeld – und ist seinem großen Ziel einen wichtigen, vielleicht sogar entscheidenden Schritt näher gekommen: Im Juni wechselt er von der TSG Wieseck, seinem aktuellen Verein, in die Nachwuchsabteilung des Bundesligisten TSG Hoffenheim – und das für mindestens drei Jahre. Denn im nächsten Jahr, wenn Linus 15 Jahre alt ist und einen Vertrag unterschreiben darf, erhält er einen Kontrakt über zwei Jahre bei den Kraichgauern. Sein Tagesablauf sieht dann so aus: Von 7.30 Uhr bis 14 oder 15 Uhr Schule. Montags bis donnerstags täglich von 17 bis 19.30 Uhr Training – mit der Mannschaft, als auch individuell.

„Ich freue mich unheimlich darauf. Das ist für mich der Lohn für die harte Trainingsarbeit“, so der 14-Jährige, dem man die Vorfreude bei diesen Worten regelrecht ansieht. Gerade ist er aus dem Training aus Wieseck gekommen, es ist schon dunkel, doch von Müdigkeit keine Spur. Wenn es um Fußball geht, blüht er auf, ist er mit Feuereifer bei der Sache, zudem hoch motiviert. Gibt es für die Sommerpause vom Coach einen Trainingsplan, dann arbeitet Linus diesen akribisch ab – selbst unter der prallen Sonne Südeuropas. Freiwillig versteht sich.

Bayern? Spiele zu langweilig

Schließlich hat sich Linus selbst hohe Ziele gesteckt. „Messi“ verrät seine Mutter Stephanie, als er bei der Frage nach seinem Vorbild so schnell keine Antwort findet. „Der war es einmal“, klärt Linus auf. „Aber dann war ich Fan von Thiago. Aber seit seiner Verletzung ist er nicht mehr so konstant“, so der technisch beschlagene Mittelfeldspieler. Seine Ansprüche sind eben hoch – auch bei seinem Lieblingsverein. Einst war das Bayern München, „aber deren Spiele sind jetzt eigentlich meist langweilig. In Spanien, speziell Barcelona, oder England wird viel schneller und intensiver gespielt“, schwärmt er von den aktuell wohl stärksten Ligen der Welt. Da einmal selbst spielen? Wer weiß! Jetzt rückt Hoffenheim in seiner Beliebtheitsskala erst einmal an die Spitze. Das passende Jersey hat er schon an. Die TSG wollte ihm nach der ersten Gesprächsrunde bei einer festen Zusage schon eins schenken, der Papa lehnte aber (noch) ab. Dafür überraschten die Eltern ihren Sohn zu dessen 14. Geburtstag im Februar mit einem schmucken, blauen TSG-Shirt.

Träumen von den stärksten Ligen der Welt ist erlaubt, aber ein Träumer ist Linus Ebert nicht. Bisher ging es in seiner jungen Karriere immer nur steil bergauf. Angefangen hat er beim SV Altenburg. Hier hat Vater Carsten, ebenfalls ein Linksfuß, früher selbst gespielt. Mit Axel Hasenpflug hat Carsten Ebert die Jugendabteilung des SVA gegründet, seitdem ca. 250 Kinder betreut und trainiert. Einer davon: Sohn Linus. Schon in der D-Jugend blieb sein außergewöhnliches Talent auch anderen nicht verborgen. Torben Petersohn trainierte damals den Jugendförderverein Alsfeld, wollte Linus schon damals zum Nachbarverein locken. Doch die Familie lehnt ab. Ein Jahr später ging der SV Altenburg eine Kooperation mit dem JFV ein. „Da war klar, dass fünf, sechs Altenburger nach Alsfeld wechselten, darunter auch Linus. Altenburg setzte auf Breiten-, der Jugendförderverein auf Leistungssport“, erzählt Carsten Ebert. Filius Linus wechselt, steigt parallel ins DFB-Stützpunkttraining ein, wird in die Regionalauswahl berufen und ist heute zudem bereits im erweiterten Kader der Hessenauswahl. Inzwischen war Petersohn zur TSG Wieseck gegangen, behielt Linus aber immer im Auge und wollte ihn gleich mit nehmen. Doch die Eberts lehnten wieder ab. Ein Jahr später kam der Wechsel doch noch zustande. Bei der ersten Anfrage spielten Alsfeld und Wieseck jeweils in der Gruppenliga. Da hätte ein Wechsel großen zeitlichen Aufwand bedeutet, aber sportlich wenig Vorteile gebracht. Ein Jahr später war das anders, da spielte Wieseck Verbandsliga – und da stimmten die Eberts dem Wechsel doch noch zu. Da Wieseck eine Kooperation mit Eintracht Frankfurt unterhält, ging es anschließend rasend schnell. Bereits im Herbst 2017 klopfte die Eintracht bei den Eberts an. Ab November trainierte er bereits ein Mal wöchentlich in der Mainmetropole mit und erhielt das Angebot, zu den Adlerträgern zu wechseln.

Fünf Proficlubs interessiert

Doch bevor das Thema so richtig heiß bei den Eberts diskutiert wurde, kam das Wiesecker Wohnmaxx-Hallenmasters. 14 (!) Scouts von Profivereinen hatten sich unter das Publikum gemischt und gleich eine ganze Reihe davon fiel Linus Ebert auf. Der Mittelfeldspieler, der bevorzugt zentral oder auf der linken Seite agiert, spielte auch hier seine Stärken aus: Eine hohe Grundschnelligkeit, gutes Pressing mit einer hohen Balleroberungsquote, dazu ist er auch noch ein guter Vorbereiter und strahlt selbst große Torgefahr aus. Ein kompletter Mittelfeldspieler sozusagen, obwohl er klarstellt: „Ich muss mich in allen Bereichen verbessern.“ Doch die Späher der Profivereine waren beeindruckt. Die TSG Hoffenheim, Mainz 05, der 1. FC Köln und Darmstadt 98 buhlten jetzt – neben Eintracht Frankfurt – um das hoffnungsvolle Talent aus Altenburg. „Man wird als Vater angesprochen, ob man sich nicht einmal kurz ungestört unterhalten könne. Gerade der Scout aus Hoffenheim wirkte sehr seriös“, schildert Vater Carsten Ebert, wie am Rande des Turniers so eine erste Kontaktaufnahme funktioniert. Man tauscht Telefonnummern aus und bleibt in Kontakt. Im Februar reisten die Eberts zunächst nach Hoffenheim – und da hat sich Linus eigentlich schon entschieden. „Da will ich hin, das passt“, sagt er schon auf der Heimfahrt. Hoffenheim lädt ihn gleich ein, noch einmal für zwei, drei Tage vorbeizukommen, um Schule, Trainingsgelände und das gesamte Umfeld kennenzulernen. Zwar schaut sich die Familie später auch beim FSV Mainz 05 um, aber innerlich hat sich Linus längst für Hoffenheim entschieden. Auch in Mainz imponiert das Umfeld, doch an Hoffenheim kommt es nicht heran. Köln und Darmstadt sagt man gleich ab. „Wir haben das aber alles mit großer Offenheit und Transparenz geregelt, sodass auch diese Vereine erklärten, weiter in Kontakt mit uns bleiben zu wollen. Aber Hoffenheim machte einfach den professionellsten Eindruck“, so Carsten Ebert. Dazu kommt das eher ländlich geprägte Umfeld in Zuzenhausen, wo die ganztägige Rundumbetreuung der TSG für die C-Jugendlichen stattfindet. Dort wird Linus ab diesen Sommer leben und in eine Eliteschule des Sports gehen. „Anpfiff des Lebens – Sport/Schule/Beruf/Soziales“ heißt das TSG-Projekt, das sich zudem um die schulische Koordination vor Ort kümmert.

„Wäre Linus lieber nach Köln oder Frankfurt gewechselt, hätten wir mit leichten Baumschmerzen auch zugestimmt. Aber dort ist das Reizklima im Umfeld sicher größer als im eher beschaulichen Sinsheim, erst recht in Zuzenhausen“, erzählt Carsten Ebert von den familiären Gedankenspielen.

Generell war man sich in der Familie ohnehin schnell einig, die sich bietende Chance zu nutzen. Was hat man denn auch zu verlieren? Die Schule steht auch bei der TSG Hoffenheim an erster Stelle. Linus will dort auf jeden Fall sein Abitur machen (Lieblingsfächer sind Sport – was sonst? – und Deutsch). Und die fußballerische Weiterbildung gilt – auch für Bundesligaverhältnisse – als herausragend. Allein zwei Rasen- und ein Kunstrasenplatz stehen für drei Jahrgänge zur Verfügung. Die Betreuung gilt als vorbildlich, die technischen Möglichkeiten als die besten und modernsten. Was zudem für Hoffenheim sprach: „Der Verein legt – das hat man schon bei den ersten Gesprächen gemerkt – großen Wert auf Sozialkompetenz. Eigensinn ist nicht gefragt“, so Vater Carsten und Mutter Stephanie fügt an: „Der Verein will auch, dass die Spieler so oft es geht nach Hause können. Daher wird nur montags bis donnerstags täglich trainiert, ist am Wochenende kein Spiel, kommt Linus freitags nach der Schule nach Hause. Und wenn Auswärtsspiele in der Nähe des Heimatortes anstehen, kann er von Altenburg direkt dorthin reisen.“ Gerade beim Duell Wieseck gegen Hoffenheim sei das der Fall.

Und in Kontakt mit der „Heimat“ will Linus – Hobbys: Klettern („leider habe ich dafür eigentlich keine Zeit“, Gitarre und Ps4 spielen – ohnehin bleiben. Schließlich gibt es Handys. Ansonsten liegt der Fokus ab Sommer noch mehr auf dem Fußball. „Ich werde alles dafür geben, es zu schaffen. Ich will es ganz doll“, unterstreicht Linus Ebert noch einmal. Schließlich soll sein Berufswunsch wahr werden: „Fußballprofi.“



Aufrufe: 023.3.2018, 23:30 Uhr
Volker Lehr (Oberhessische Zeitung)Autor