2024-03-18T14:48:53.228Z

Querpass
Foto: dpa
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Sexistischer Sport

oder: Über die Unfähigkeit wertungsfrei zu berichten

Sexismus ist ein allbekanntes und für manch zarte oder (abge)stumpf(t)e Gemüter eher ein anstrengendes und leidiges Thema. Auch wenn die Sensibilität für diese Art der Denunzierung und Diskriminierung eines Geschlechtes dank der Etablierung der Geschlechterforschung im universitären Kontext drastisch erhöht wurde, ist sie doch nicht allen Mensch präsent.

Das kommt daher, dass sexistische Bemerkungen oder Äußerungen im Deckmantel scheinbar gesellschaftstkonformer Ansichten getätigten werden. Indem sie auf gewisse Vorstellungen der Männlichkeit oder Weiblichkeit rekurrieren, bekommen sie den Eindruck allgemeiner Gültigkeit und bleiben daher meist unbemerkt, ungeahndet, weilsie oft stillschweigend hingenommen werden. Ein Aufschrei bleibt oft aus – es sei denn, es handelt sich sehr herbe oder offensichtliche Verstöße.

Sexistische (Früh) - Erziehung

Sexismus findet auf vielerlei Art statt: Schon bei der Wahl einer Sportart in jungen Jahren. Dann, wenn angenommen wird, dass eine bestimmte Sportart vorzugsweise nur von einem bestimmten Geschlecht ausgeübt werden kann. Der Klassiker ist, dass sich heranwachsende Jungen rechtfertigen müssen, wenn sie z.B. das Tanzbein schwingenwollen. Das ist ja dem Volksglauben nach eine zu weibliche Tätigkeit, die zu weiche , elegante Bewegungen, also eines Mannes nicht würdig, enthalten. Darüber hinaus sehen sich die kleinen oder größeren Knirpse schon mit wilden Spekulationen über ihre sexuelle Orientierung konfrontiert - bevor sie sich überhaupt in der Welt orientiert und zurechtgefunden haben. Die Angst (ja, wovor eigentlich?) ist bekanntlich ein Schwein. Das analoge Pendant für das weibliche Geschlecht stellt die Liebe zum Fußball dar, die ja für Frauen eine viel zu harte Angelegenheit darstelle. Noch in den 70er Jahren wurde im öffentlichen Fernsehen die Ansicht propagiert, dass die Bewegungen unästhetisch und einer Frau nicht angemessen seien. Auch hier werden ganz schnell Korrelationen zwischen dieser typisch männlichen Tätigkeit und der Liebe zu Frauen gezogen.

Logisch oder? Welcher Mann will schon eine männliche Frau?

Hach ja, zum Glück haben wir das Zeitalter dieser verkrusteten Vorstellungen überwunden. Nichtsdestotrotz bleibt Sexismus auf vielen Ebenen im Sport bestehen. – und zwar auf beiden Seiten. Dass jedoch auch Männer im Sport Opfer von sexistischen Ansichten werden, wird von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Wie diese von statten geht, und warum sich hier ein erschreckendes Ungleichgewicht herausgebildet hat, wird u.a. im folgenden dargestellt:

Sexistische Sportkommentatoren

Ein jüngst zurückliegendes Sportevent hat mal wieder eindrucksvoll gezeigt, wie sich v.a. die Sportkommentatoren in sexistischen und unfreiwillig komischen Kommentaren über weibliche Athletinnen förmlich überboten haben. Die amerikanische Schriftstellerin und Feministin Lindy West hatte für den britischen Guardian diese sexistischen Fettnäpfen gesammelt und eine beachtliche Liste absurder Sätze präsentiert.

Vordergründig wird sich manch ein unbedarfter Leser fragen, woran sich diese Autorin störte: Doch wenn man aufmerksam zwischen den Zeilen liest, merkt man, dass es für diese Herren gar nicht so einfach ist, sachlich und nüchtern über das zu berichten, was da passierte: von Frauen erzielte Höchstleistungen.

Die Chicago Tribune verkündete den Bronze-Gewinn der Schießerin Corey Cogdell-Unrein, indem sie sie lediglich als Ehefrau eines Spielers der Chicago Bears (ein Football-Team) in Erscheinung treten ließ. Auf den Gedanken, sie als autonomes Individuum zu sehen und zu würdigen, kam sie nicht.

Auch eine andere vermeintlich harmlose Redewendung stellte den aufgestellten Weltrekord der Schwimmerin Katinka Hosszuzumindestens sprachlich in den Schatten. Ein NBC-Sportreporter würdigte den Mann und Trainer als Garant des Erfolgs.

Das People-Magazin schrieb sich in den Augen Wests in Ungnade, da es die Ausnahmeturnerin Simone Biles als „Michael Jordan der Gymnastik“ adelte–ein mehr als unglücklicher Vergleich in den Augen Wests, da eine männliche Vergleichsgröße herangezogen werden musste.

Wen diese Beispiele nicht überzeugen, weil zu spitzfindig oder zu sprachsensibel, dürfte aber folgender Vorfall zu Denken geben. Nachdem die niederländische Radsportlerin Annemiek van Vleutenschwer gestürzt war und ihre Verletzungen über das Twitter-Netzwerk kundgetan hatte, sahen sich diverse männliche User herausgefordert, dazu ihr zu erklären, wie man eigentlich Rad fährt.

Zum Glück bleiben solche Reaktionen in der breiten Fläche gesehen aus. Und West kam abschließend in ihrem Bericht zu einem positiven Fazit, nämlich dass Olympia eine der wenigen Fernsehshows seien, welche „die Stärke und die Exzellenz von Frauen feiern, ohne die weibliche Existenz dabei zu sexualisieren.“

Sexistischer Sport-Dress-Code

Diese Sexualisierung spiegelt sich schon in der Kleiderordnung der einzelnen Sportarten wieder in Abgrenzungen zu den männlichen Repräsentanten. So sehe ich keine Notwendigkeit, warum beim Beachvolleyball die Damen in superknappen Höschen und Bikinioberteilen in den Sand hechten müssen, die Männer hingegen in luftigen Shorties baggern und pritschen dürfen.

Der tiefere Sinn, warum beim Tennis oder Hockey die Damen in modischen Röckchen auf dem Court flitzen, bleibt mir noch mehr verborgen. Stellt diese textile Regel in meinen Augen eher ein Hindernis dar. Eine höhere - und vorallem gewisse Bereiche schützende - Beweglichkeit ist eher in den Sporthosen zu erzielen, welche die Männer tragen dürfen. Auch ist es mir unerklärlich, warum die DFB – Frauen ihr eigens geschneidertes DFB-Dress haben müssen, das, angefangen beim großzügigeren Ausschnitt und den taillierten Schnitt, auch die Trikothosen nicht unbeachtet lässt. Durch Mesheinsätze, als Kontrastdestails angepriesen, haben die Hosen auch rockähnlichen Charakter. Mag bei den einzelnen Beispielen marketingstrategische Maßnahmen und die Gier nach Profit (gegenderte identitätsstiftende Trikotsätze) zugrunde liegen, entbehren diese Entscheidungen in anderen Sportarten (Tennis, Beachvolleyball) jeder logischen Grundlage.

Sexistisches Frauenmagazin

Dass es aber auch im umgekehrten Falle Männer treffen kann, die Opfer sexististischer Berichterstattung werden, vielleicht als falsch verstanden Emanzipation, und ein medialer Aufschrei hier ausbleibt, macht folgendes Beispiel deutlich:

Lauren Adhav, Autorin für die Cosmopolitan, ein berühmtes amerikanisches „Frauen“ – Magazin, hat 36 Athleten aus verschiedenen Sportarten gezeigt, die angeblich Gold verdient hätten! Warum? Aufgrund der Art und Weise, wie stark und groß sich das Geschlecht der männlichen Athleten unter den hauchdünnen und extrem tighten Anzügen abgezeichnet hat. Ein schlechter Scherz?! Nein, plumpe Realität. Wie einfallslos und derb zugleich. Kriterien der getroffenen Auswahl fehlen überdies. Es wirkt wie eine wahllose Zusammenstellung infantiler voyeuristischer Präferenzen. Wie groß wäre der Aufschrei gewesen, wenn zum Beispiel ein männlicher Sportjournalist, allen Ernstes oder ganz im Spaß, das macht keinen Unterschied, Goldmedaillen für Athletinnen vergeben hätte, wie gut (sichtbar) und groß sich die primären Geschlechtsorgane der Frau unter den Turn- bzw. Schwimm – oder Leichtathletikanzügen abzeichnen. Was glauben Sie, was da los gewesen wäre? Ein Shitstorm hätte seinesgleichen gesucht. Wahrscheinlich hätte der Journalist seinen Job verloren und zig Klagen an den Hals bekommen. Warum in dem genannten Vorfall die Öffentlichkeit weitaus gnädiger und passiver agiert, ist mir schleierhaft.

(Anti-) Sexistisches Fazit

Fakt ist, solange nicht die Sensibilisierung für diesen latenten und anscheinend weitläufig akzeptierten Sexismus vorangeht und stattdessen von der Gesellschaft toleriert oder sogar initiiert wird, solange ist nicht an eine geschlechtergerechte bzw. – gleiche Behandlung zu denken. Denn Athleten sind und bleiben in erster Linie Athleten.

Aufrufe: 015.9.2016, 19:31 Uhr
Romina BurgheimAutor