2024-03-27T14:08:28.225Z

FuPa Portrait

Oliver Ruhnert: Karrierestart im Heidewald

Oliver Ruhnert war vor 19 Jahren Oberligatrainer beim FC Gütersloh. Morgen kommt der außergewöhnliche Typ als Manager des Bundesligisten 1. FC Union Berlin zum Pokal-Achtelfinale nach Verl.

Dieser Mann drängt nicht vor die Kameras, und es gefällt ihm im Hintergrund. Dabei ist Oliver Ruhnert einer der Architekten des herausragenden fußballerischen Erfolgs des Bundesligisten 1. FC Union Berlin. Dass seine Vertragsverlängerung als Geschäftsführer Sport zwei Tage vor dem Auswärtsspiel bei Borussia Dortmund im omnipräsenten Medienwirbel um Haaland, Subotic und Co. fast unterging, dürfte ihn nicht gestört haben – im Gegenteil. Der 48-Jährige neigt nicht zu Eitelkeit und Selbstgefälligkeit, sondern zu professioneller Sachlichkeit. Dieser Charakterzug hat ihn schon ausgezeichnet, als er noch nicht Manager im „Big Business“ war – sondern Jugendkoordinator beim FC Gütersloh. Hier begann vor fast 19 Jahren die bemerkenswerte Karriere von Oliver Ruhnert, der am Mittwoch mit dem Hauptstadtklub zum DFB-Pokalspiel beim SC Verl gastiert.

Im Juni 2001, der FCG hatte gerade das erste Jahr seiner Insolvenz hinter sich, stellte Präsident Frank Welsch einen 29-jährigen, hierzulande unbekannten Arnsberger hauptamtlich ein. Schon bald musste Ruhnert, der das aktive Fußball-ABC in der Nachwuchsabteilung des FC Schalke 04 erlernt hatte und zuvor Junioren sowie das Landesligateam der Sportfreunde Oestrich-Iserlohn trainiert hatte, als Feuerwehrmann an höherer Stelle einspringen. Am 5. November wurde er im Heidewald als Nachfolger des erst zum Sportdirektor beförderten und dann entlassenen Georg Kreß neuer Trainer der Oberligamannschaft. Ruhnert geriet mit dem vom Sparzwang geschwächten Team in Abstiegsgefahr, meisterte eine ganze Salve von „Katastrophen“, bestand eine Achterbahnfahrt der Gefühle und blieb auch im Stahlbad der Öffentlichkeit, die vorschnell seine Entlassung gefordert hatte, beharrlich. Am Saisonende wurde er nach 194 Tagen im Amt als Neunter mit höchstem Lob und Respekt aus dem Heidewald verabschiedet.

So kurz die Episode auch war, so viel passierte währenddessen im Gütersloher Fußball. „Manchmal denke ich, dass ich in dieser Zeit mehr erlebt habe, als einige Kollegen während ihrer gesamten Laufbahn“, sagte er damals mit einer berechtigten Spur Genugtuung. Heute scheint es fast so, als sei er dankbar für die frontalen Erfahrungen in Gütersloh: „Ich habe von der Zeit viel mitgenommen, was ich bei meinen weiteren Stationen nutzen konnte“, sagte er. Am Tag nach dem 0:5 der „Eisernen“ in Dortmund erreichte man Oliver Ruhnert daheim in Iserlohn – trotz inzwischen internationaler Vernetzung noch unter der gleichen Mobilnummer wie zu alten FCG-Zeiten.

Der Weg des Lehrers für Sport, Geschichte und Deutsch ging 2002 zurück zu seinem Heimatverein, für den der Inhaber der Trainer-A-Lizenz bis 2007 tätig war. Anschließend begann sein Engagement beim FC Schalke 04. Erst war er Scout, dann zusammen mit Sven Kmetsch Coach der in der Regionalliga spielenden 2. Mannschaft, dann wieder Scout und ab 2011 hauptamtlicher Leiter des Nachwuchsleistungszentrums. Er entdeckte zahlreiche Talente für die Königsblauen und begleitete sie seit 2014 als Direktor der Knappenschmiede.

»Die Arbeit an der Basis macht mir großen Spaß«

Mit dieser Empfehlung verpflichtete ihn Union Berlin im August 2017 als Chefscout. Seine Beförderung zum Geschäftsführer Sport durch den Zweitligisten im Mai 2018 war dennoch eine Überraschung – und manche trauten ihm diese Aufgabe nicht zu. Doch der schon mehrfach unterschätzte Oliver Ruhnert überzeugte alle Zweifler. Er verpflichtete Urs Fischer als neuen Cheftrainer, schaffte sofort den Aufstieg in die Bundesliga und stellte einen Kader zusammen, der sich im Oberhaus aktuell mit Rang 12 außerordentlich gut schlägt. Die Berliner „Morgenpost“ würdigte ihn deswegen als den „Drahtzieher von Köpenick“.

Im fortwährenden Fokus der Medien zu stehen, ist etwas, das Oliver Ruhnert „akzeptiert“, wie er sagt. Sich darauf etwas einbilden („Nur weil ich in der Bundesliga arbeite?“) tut er nicht. Der Sauerländer kennt das Geschäft („Das ist alles temporär“) und bewahrt sich eine kritische Distanz zu manchen Entwicklungen – deswegen passt er zu Union Berlin. Und der 48-Jährige („Ich muss mich nicht sieben Tage lang 24 Stunden mit dem Profifußball auseinandersetzen“) beschäftigt sich auch mit dem richtigen Leben: Das frühere SPD-Mitglied engagiert sich in Iserlohn seit 2007 für die Linkspartei, deren Fraktionsvorsitzender im Stadtrat er seit 2014 ist.

„Mir ist wichtig, dass in Iserlohn ein Kindergarten gebaut wird“, sagt dann beispielsweise der ehrenamtliche Sozialpolitiker, der hauptberuflich Millionentransfers anbahnen muss. Der „Oscar Lafontaine aus Iserlohn“, titelte ein Magazin über ihn. Die Zeit für die notwendige Präsenz in der Kommunalpolitik nimmt sich Oliver Ruhnert; er pendelt häufig zwischen Berlin und Iserlohn, wo seine Lebensgefährtin lebt und er 2009 erfolglos als Bürgermeister kandidierte.

Auch in anderer Hinsicht entspricht der Manager des Fußball-Bundesligisten ganz und gar nicht dem Klischee. Er fungiert nach wie vor als Schiedsrichter im westfälischen Amateurfußball. Selbst leiten tut er Spiele bis zur Bezirksliga, als Assistent fungiert er in der Oberliga. In dieser Funktion hatte er in der laufenden Saison bereits zwei Einsätze im Gütersloher Heidewald, wo er außer Betreuer Hartmut Güth noch viele weitere Bekannte traf. „Ja, das erdet mich“, gibt Ruhnert zu und ergänzt: „Die Arbeit an der Basis macht mir großen Spaß.“ In diesem Zusammenhang erwähnt er auch den SC Verl: „Was solche Menschen wie Manni Niehaus oder Raimund Bertels über Jahre hinweg an Aufbauarbeit leisten, ist großartig.“

Selbstverständlich heißt das nicht, dass Union Berlin den Verlern am Mittwoch irgendetwas schenken wird. „Dass wir Favorit sind, kann man nicht wegdiskutieren“, weiß Oliver Ruhnert. Als bloße Pflichtaufgabe bezeichnet er das Achtelfinalspiel beim drei Klassen tiefer angesiedelten Außenseiter allerdings nicht. „Dass wir die Partie sehr ernst nehmen, zeigt ja schon die Tatsache, dass wir uns am Freitag das Heimspiel gegen Lippstadt angeschaut haben.“ Auch weil es für die „Eisernen“ schon am Samstag in Bremen wieder um „Big Points“ im Abstiegskampf der Bundesliga geht und er die Fußballermentalität kennt, sich darauf zu fokussieren und den Pokal als eine Art Zwischenmahlzeit anzusehen, glaubt Ruhnert: „Das wird ein ganz schwieriges Spiel.“

Aufrufe: 04.2.2020, 08:00 Uhr
Wolfgang TemmeAutor