Katharina Nadermann macht den SC Verl fit

Das hat sie auch eine gute halbe Stunde vor dem Anpfiff getan, als sie im Mittelkreis mit den zehn Feldspielern der Anfangsformation das nach einem genauen Fahrplan aufgebaute Aufwärmprogramm leitet. „Ich will die Jungs mitreißen, will dass sie Feuer kriegen und ihnen Energie geben“, erklärt sie ihr aktives Mittun.

Um 18.41 Uhr, wie immer 19 Minuten vor dem Anpfiff, hat sie das gesamte Aufgebot zusammengerufen („Wir wollen zeigen, dass wir ein Team sind und das auch dem Gegner signalisieren“) und auf breiter Front drei Läufe absolviert, bevor es zur mentalen Spielvorbereitung in die Kabine geht. Mit Beginn der 2. Halbzeit und dem Auflaufen von Jan Schöppner in der 54. Minute ist Nadermanns Job nicht vorbei. Hinter dem Verler Tor hält sie die restlichen Ersatzspieler in Bewegung, und wieder ist sie selbst aktiv.

Genauso mittendrin ist die Athletiktrainerin des Regionalligisten, als die Partie nach 95 Minuten abgepfiffen wird und der SC Verl einen 2:1-Sieg und die Übernahme der Tabellenführung feiert. Dass sie eine Frau in einer Männerwelt ist, und damit eine Seltenheit im hochklassigen Fußball, fällt kaum auf. Die Arbeit an Spieltagen findet Katharina Nadermann „cool“, aber sie ist nicht die Hauptaufgabe. Die besteht darin, während der Saisonvorbereitung und mindestens einmal wöchentlich während der laufenden Serie das Athletiktraining zu leiten.

Weniger Verletzungen beim SC Verl

Cheftrainer Rino Capretti, der sie aus seiner Zeit beim Delbrücker SC kannte, holte die jetzt 26-Jährige im Sommer 2018 zum SC Verl. „Kathi ist ein Gewinn für uns“, stellte Capretti rasch fest, und deswegen wurde ihr Vertrag auch für die laufende Saison bis zum 30. Juni 2020 verlängert. Die Akzeptanz in der Mannschaft sei groß, so Capretti: „Die Jungs merken, dass alle von ihrer Arbeit profitieren, auch wenn sie manche Übungen vielleicht nicht so gerne machen.“

Insbesondere was die Verletzungsprophylaxe angeht, fand eine positive Entwicklung statt. „Wir haben deutlich weniger muskuläre Probleme“, stellt der Trainer heraus. Nadermann selbst schreibt Capretti, Co-Trainer Maniyel Nergiz und Torwarttrainer Sebastian Lange daran den „Riesenanteil“ zu und spricht nur von einem „kleinen Beitrag“ ihrerseits. Aber wenn sie erzählt wie groß zum Beispiel ihre Freude war, als Hendrik Lohmar, der im Sommer nach einem kapitalen Knieschaden zum SC Verl gewechselt war und sowohl alleine als auch mit ihr gezieltes Aufbautraining absolvierte, auf den Platz zurückkehrte, merkt man, dass ihr schon bewusst ist, welchen Wert ihre Arbeit für das Team hat.

Nadermann ist selbst eine gute Kickerin

Über ihre fachliche Qualifikation gibt es ohnehin keinen Zweifel. Nach der Ausbildung zur Sport- und Fitnesskauffrau bildete sich die gebürtige Hövelhoferin vielfach weiter und erwarb 2015 in einem gut halbjährigen Studium an der „Sportlerei Akademie“ in München die spezielle A-Lizenz als Athletiktrainerin im Fußball. Sie absolvierte eine dreimonatige Hospitanz bei Red Bull Salzburg und war neben ihrer hauptberuflichen Anstellung im Tätigkeit im Paderborner Gesundheitszentrum „actiVita“ bei diversen Vereinen im Paderborner Raum tätig. Ihre eigenen Ambitionen als Fußballerin stellte die Defensivspezialistin im Prinzip 2017 nach einem Jahr beim Westfalenligisten SV Bökendorf zurück, weil sie sich auf ihre Passion als Athletiktrainerin fokussieren wollte. Seitdem lässt sie ihre „Karriere“ beim Landesligisten Hövelhofer SV ausklingen.

Dass sie mit dem Ball umzugehen weiß, kommt ihr zugute ( „Sonst würde ich beim Training noch öfter getunnelt“) und trägt zu ihrer Akzeptanz bei den Verler Kickern bei. Besonders um ihr „Standing“ kämpfen muss sie allerdings nicht. „Ich komme mit den Jungs super klar und hatte nie das Gefühl, es schwerer zu haben, weil ich eine Frau bin“, sagt Katharina Nadermann. Rino Capretti bezeichnet sie als „tough“ und meint damit ihren starken Charakter.

SC Verl will Spieler mit Tracking-System ausstatten

Sie selbst sagt: „Ich habe eine klare Vision und weiß, was ich will.“ Das entsprechend selbstbewusste Auftreten ist auf dem Trainingsplatz und in allen Stadion, in denen der SC Verl spielt, zu spüren. Obwohl ihr die Tätigkeit beim Sportclub riesigen Spaß macht, kommt ein fester Wechsel in die Fußballbranche, etwa in den Profibereich, momentan nicht in Frage. „Meinen Beruf, in dem ich seit zehn Jahren tätig bin, für so ein schnelllebiges Geschäft hinzuschmeißen, ist mir zu risikobehaftet.“ Gleichwohl hat sie Vorstellungen, wie die Arbeit beim SC Verl noch professioneller werden kann. „Gut wäre es, wenn vor Ort mehr Möglichkeiten zum Fitnesstraining bestehen würden.“ Derzeit sind die Spieler häufig an den Geräten im „Genesis“ aktiv.

Ein besonderes Projekt hat sich das Trainerteam mit Nadermann nach guten Erfahrungen bei einer Testphase im Sommer für die Rückrunde vorgenommen. Dann sollen die Fußballer in der Vorbereitung und in den Spielen mit einem Tracking-System ausgestattet werden. Es liefert Daten über Laufwege und Laufintensitäten und bietet damit die Grundlage für konditionelle und taktische Trainingsmaßnahmen. Vorerst muss sich der SC Verl auf „analoge“ Beobachtungen und das daraus resultierende athletische Training verlassen. An diesem Wochenende hat das Regionalligateam spielfrei und kann tüchtig trainieren.

Auf dem Platz stehen die Verler wieder am kommenden Freitag. Vor dem Heimspiel in der Sportclub-Arena gegen RW Oberhausen wird Katharina Nadermann um 18.41 Uhr dann wieder ihre Abschlussläufe mit dem gesamten Aufgebot machen.