2024-04-25T14:35:39.956Z

Ligavorschau

Kader lässt Aufstiegsträume zu

HESSENLIGA: +++ Parole bei Watzenborn-Steinberg lautet „oben mitspielen“+++ Starke Konkurrenz +++ Parson spürt großen Teamspirit +++

WATZENBORN-STEINBERG. Bis Weihnachten sind es zwar fünf Monate hin, aber für Gino Parson und den SC Teutonia Watzenborn-Steinberg gab es zu Wochenbeginn dennoch „ein Geschenk“, wie der Trainer die nicht mehr erwartete Weiterverpflichtung von Dennis Lemke nennt. Der 28-Jährige war in der abgelaufenen Regionalliga-Saison neben dem zur U23 des FC Ingolstadt abgewanderten Jonatan Kotzke der beste und konstanteste Feldspieler in Reihen der abgestiegenen Pohlheimer.

Lemke hatte nach Rundenende ein Angebot der Teutonen vorliegen, doch der gebürtige Berliner startete zunächst den Versuch, zu einem höherklassigen Club zu wechseln. Nachdem sich unter anderem ein Engagement beim Drittligisten VfL Osnabrück zerschlagen hatte, entschied sich Lemke dann für den Verbleib in Watzenborn.

Mit Blick auf das Personal hatte Coach Parson zuvor gemeint, dass auf den Außenbahnen auf Spitzenniveau noch Luft sei. Das gilt nach dem Lemke-Coup jetzt höchstens für die Viererkette. „Einen linken Verteidiger würde ich noch dazunehmen“, sagt der 38-Jährige, der aber ansonsten vollauf zufrieden ist mit dem 23 Mann starken Kader, mit dem er heute im Derby beim SC Waldgirmes in die Hessenliga-Saison startet.

Wer über die Namen und deren Vita schaut, der erkennt schnell, dass dieses Team höchsten Hessenliga-Ansprüchen genügt und in jedem Fall das Zeug haben müsste, um die Plätze eins bis drei ein gehöriges Wort mitzusprechen. Bei den Grün-Weißen selbst wird die Zielsetzung mal etwas mehr und mal etwas weniger verklausuliert formuliert.

Neuzugang Timo Cecen beispielsweise erklärt unmissverständlich, „ich bin nicht hergewechselt, um Zweiter, Dritter oder Vierter zu werden. Wir wollen aufsteigen.“ Gino Parson: „Ich kann jetzt natürlich nicht sagen, dass wir Sechster werden wollen. Wir wollen oben mitspielen. Wie weit oben, das wird sich zeigen. Da spielen auch Verletzungen und das notwendige Glück eine gewichtige Rolle.“

Als größte Konkurrenten im Gerangel an der Tabellenspitze nennt Parson den Vorjahresmeister SC Hessen Dreieich und Borussia Fulda: „Ich habe gehört, dass Dreieich uns als Favoriten bezeichnet. Den Schuh gebe ich gerne zurück. Dreieich hat weitgehend alle Spieler behalten und sich weiter verstärkt. Genauso wie Fulda, die ein gutes Umfeld haben und viel Selbstvertrauen. So etwas wie Geheimfavoriten sind für mich der TSV Lehnerz und Bayern Alzenau.“

Henn als Führungsfigur

Klar ist, dass es die Teutonia zurück in die Regionalliga Südwest zieht – je eher, desto besser. Das Spielermaterial scheint für den erneuten Klassensprung absolut geeignet. Bei den Neuzugängen sind es einerseits Talente aus der Nachwuchsschmiede der Offenbacher Kickers (Tim Korzuschek, Serkan Pancar, Aziz Toprak, Markus Auer), aber auch entwicklungsfähige Spieler wie Jean-Claude Günther oder Gian-Luca Reho, die Hoffnung machen.

Auf der anderen Seite hat Sportdirektor Stefan Hassler drei Hochkaräter verpflichtet, die in Liga fünf ihresgleichen suchen dürften. Allen voran der 32-jährige Matthias Henn, der vom Drittligisten Hansa Rostock kommt. Im Winter landete der Innenverteidiger in der Rangliste des Fachmagazins „kicker“ in der Kategorie „Herausragend“. Parson ist bereits nach wenigen Tagen neben den fußballerischen Fähigkeiten begeistert von Henns Führungsqualitäten und hat ihn gleich zu einem der drei Spielführer ernannt.

Vor Henn sind mit Johannes Hofmann (1. FC Kaiserslautern U23) und auf der Zehn mit Timo Cecen (FC Homburg) zwei Akteure als Fixpunkte fest eingeplant, die in den Nachwuchsleistungszentren in Kaiserslautern und beim VfB Stuttgart top ausgebildet worden sind und in jungen Jahren bereits reichlich über Dritt- und Regionalligaerfahrung verfügen. „Henn, Vaclav Koutny, Hofmann, Cecen und Markus Müller, er hat in der Vorbereitung die meisten Tore erzielt, das könnte so etwas wie eine Achse sein“, lässt sich Parson ein wenig in die Karten schauen, wen er im „Herzstück“ des Spiels, der Zentrale, als Eckpfeiler seiner Elf ins Visier genommen hat.

Diese aktuelle Bewertung ist freilich nicht in Stein gemeißelt bei einem derart ausgeglichen besetzten Kader, zumal sich beispielsweise der 26-Jährige Koutny nach seinem Innenbandanriss im Aufbautraining befindet und noch etwa zwei Wochen ausfällt. Das Gleiche gilt für Rafael Szymanski, während sich Serkan Pancar einen Bänderriss zugezogen hat.

Entspannt betrachtet Trainer Parson die Situation im Tor. Stephen Jäckel kann weiterhin nicht torwartspezifisch trainieren und wird den nächsten MRT-Termin abwarten müssen. Yannik Dauth, bis April unumstrittene Nummer eins, hat derweil nach seinem Patellasehnenriss die Torwarthandschuhe unter der Woche erstmals wieder angezogen und wird heute in Waldgirmes auf der Bank Platz nehmen. Zwischen den Pfosten wird demnach Tolga Sahin stehen, der in der Regionalliga ein guter Vertreter Dauths war. „Yannik war jetzt vier Monate ohne Fußball, er muss erst einmal in den Rhythmus kommen. Wenn er dann bei 100 Prozent ist, werden wir schauen, wie wir das lösen“, sieht Parson aktuell für eine Veränderung im Tor keinen Handlungsbedarf und ist auf der anderen Seite froh, dass sich Dauth zurückgemeldet hat.

Der war bis zu seiner Verletzung Kapitän des Teams, ein Posten, für den Gino Parson nun Christopher Spang bestimmt hat. „Er hat Regionalliga-Erfahrung und er hat eine gute Art, mit den Jungs umzugehen. Wir haben in der Vorbereitung gesehen, dass er immer mehr Verantwortung übernimmt und ich glaube, dass ihn die Binde beflügeln wird“, begründet der Coach seine Wahl.

Der 24-Jährige Spang wird heute Nachmittag eine Mannschaft auf den Platz führen, die sich deutlicher mit dem Club, dem Projekt und der Region identifizieren soll, als dies in der Regionalliga der Fall gewesen ist. Das könnte gelingen, denn von den „Neuen“ stammen Cecen und Hofmann, aber auch Günther aus Mittelhessen, derweil Stefan Hassler die jungen Offenbacher Spieler aus seiner Zeit beim OFC in diesem Punkt gut einschätzen kann. „Die Identifikation ist besser geworden, die Jungs sind charakterlich in Ordnung. Tim Korzuschek ist zum Beispiel nach Hausen gezogen, was ja auch zeigt: das ist mein Verein. Oder Matthias Henn, der nach Gießen zieht und nicht etwa nach Frankfurt, von wo aus er aus näher in seine Heimat hätte. Timo Cecen ist vor einem Testspiel statt den kurzen Weg von Lohra nach Marburg direkt zu fahren erst nach Watzenborn gekommen mit der Begründung, er wolle bei der Mannschaft sein“, schildert Parson, der bekannt dafür ist, sehr auf den Teamspirit zu bauen.

Mit Spielern wie Louis Goncalves, Dauth, Dennis Lemke, Christopher Schadeberg, Markus Müller, Barbaros Koyuncu, Szymanski, Spang, Koutny und Jäckel, allesamt verblieben aus dem Regionalliga-Kader, weiß Parson überdies Spieler um sich, die ebenfalls eine Anbindung an den Verein aufweisen.

Respekt vor Waldgirmes

Was das alles Wert ist, wird sich ab heute, beginnend mit dem Derby beim Neuling SC Waldgirmes, auf dem grünen Rasen zeigen. „Wir müssen einen sehr guten Tag erwischen, weil Waldgirmes sehr gut auf uns vorbereitet sein wird. Daniyel Bulut kennt uns aus dem Effeff. Der SC spielt einen sehr guten Fußball, da ist Struktur drin. Kian Golafra hebt das Niveau nochmals an, Jura Gros ist ein sehr guter Fußballer“, erwartet Gino Parson keinen Selbstläufer. Waldgirmes sei eingespielter, befindet er, und trotz des geplatzten Transfers von Angreifer Kouami Dalmeida im vorderen Bereich dennoch stark besetzt: „Vielleicht haben sie ganz vorne direkt ein kleines Problem, aber insgesamt ist die Offensive sehr gut besetzt. Viel wird auf die Tagesform ankommen und darauf, wie die Trainingsarbeit fruchtet.“

Drei Punkte sind gleichwohl die Vorgabe, um die eigenen Ambitionen zu unterstreichen. Und ein erster Schritt dazu, dass sich die Teutonia im Mai oder nach der Aufstiegsrunde Anfang Juni vielleicht wieder ein „Geschenk“ machen kann. Diesmal kein Transfer-Coup wie mit Dennis Lemke, sondern die Rückkehr in die Regionalliga Südwest.



Aufrufe: 028.7.2017, 19:07 Uhr
Thomas Suer (Gießener Anzeiger)Autor