2024-04-19T07:32:36.736Z

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Peter Gänßler
Peter Gänßler

Austritt nach 61 Jahren

+++ Peter Gänßler verlässt nach 61 Jahren Teutonia Watzenborn-Steinberg +++

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giessen. „Ich finde es mutig, was er macht, ich respektiere den Weg, der da gegangen wird, ich respektiere aber nicht, dass ein Verein, der letztes Jahr 90 Jahre wurde, so im Nichts versinkt.“ Peter Gänßler hat das gesagt – und es beschreibt seinen Gemütszustand. Gänßler meint damit den SC Teutonia Watzenborn-Steinberg. Und er sagt auch: „Warum geben wir das jetzt alles ab, 2001 hatten wir auch keine Mannschaft und dann ging es wieder bergauf.“ Gänßler meint damit den VfB 1900 Gießen und ergänzt: „Der VfB lebt weiter.“

Irgendwie scheint man in eine Zeitschleife geraten zu sein, fünf, sechs, acht, zehn Wochen zurück. Da gab es insgesamt drei Versammlungen, eine beim VfB, eine in Watzenborn, dann noch eine zur Bestätigung der Namensänderung. Ebenfalls in Watzenborn. Darüber wurde ausführlich berichtet, das wurde ausführlich kommentiert, die Chancen wurden aufgezeigt, der Abschied von den Vereinen in Worte gefasst.

Jetzt kommt etwas Neues. Der FC Giessen ist ein Versprechen für die Zukunft. Ob das in dem Maße eingelöst wird, wie es im Volksbank-Forum, ebenfalls vor ein paar Wochen, gegeben wurde, das wird sich weisen. Eine erste Bilanz kann man in einem halben Jahr ziehen, vielleicht auch erst im nächsten Sommer.

Peter Gänßler hat für sich – aus anderen Gründen – die Bilanz und Konsequenzen gezogen. Der Ex-Spieler des damaligen Hessenligisten VfB 1900 („Ich hatte schon als kleiner Bub davon geträumt, im Waldstadion zu spielen.“) und Watzenborner, der sozusagen die doppelte Staatsbürgerschaft für die Teutonen und die 1900er besitzt, ist nach „61 Jahren als Mitglied“ bei Watzenborn ausgetreten. Der Austritt wird zum 30. Juni wirksam. Beim VfB ist er seit 41 Jahren Mitglied – und bleibt es auch.

Peter Gänßler hat Jugenden trainiert und in der 1. Mannschaft gespielt, er war immer einer, der präsent war. Es gibt ein schönes Foto von ihm, sicher 15 Jahre alt, da hat er die Schaufel in der Hand, einen Schubkarren dabei und bessert den Rasen im Waldstadion aus.

Als die Teutonen in die Regionalliga aufgestiegen sind, hat er die Gästemannschaften empfangen und betreut. Allerdings nicht ehrenamtlich. „Dafür hat er Geld bekommen“, teilt Jörg Fischer mit, den das Thema, liest man zwischen den Zeilen seiner Mitteilung, nervt. Gänßlers Austritt steht auch für all das, was bei solchen Projekten immer aufkommt. Man ist unterschiedlicher Meinung über den Weg, es gibt die Traditionalisten, die das Alte bewahren und jene, die mit Aufbruchstimmung das Neue voranbringen wollen. Und da ist es offenbar egal, wie jung oder alt man ist. VfB-Vertreter Karl-Heinz Wagner, wer ihn kennt, darf ihn durchaus als weise bezeichnen, hat von Anfang an gesagt, dass „es eine Chance ist, was jetzt passiert, ich habe schon eine Fusion erlebt, aus der der VfB hervorgegangen ist und jetzt kommt eben eine neue, ansonsten wäre der Fußball hier tot“. Menschen ticken unterschiedlich. Gänßler seinerseits betont, dass „er dem Projekt alles Gute wünsche“, aber sich nicht vorstellen könne, „wie in einem solch künstlichen Gebilde Vereinsleben entstehen soll“. Auf die Frage, warum er jetzt erst damit an die Öffentlichkeit geht, sagt der 68-Jährige, er habe das „alles verarbeiten müssen.“ Verarbeiten, dass „ich bei der Versammlung am 14. Mai so abgebügelt wurde“. Da wollte er einen eigenen Entwurf vorstellen. Er wollte den Antrag stellen, über den Namen FC Giessen in „FC Teutonia 1900 Giessen“ abstimmen zu lassen und die Vereinsfarben von „rot und weiß“ in „grün-weiß-blau“ zu ändern, was den Farben der Partner entspricht. Hier liegt der Knackpunkt, weil Gänßler an jenem Abend vor fünf Wochen wahrgenommen haben will, dass „ich meine Idee vorstellen wollte und ich von Jörg Fischer da angegangen wurde, was das jetzt noch soll“. Er sei konsterniert gewesen und auch gegangen. Jörg Fischer kann sich daran erinnern. Naturgemäß sieht er die Sache anders: „Er hatte, ohne uns vorher was zu sagen, Wappen und Vereinsnamen auf eine große Tafel befestigt und wollte dann richtig loslegen. Direkt vor der Sitzung hat er mir seine Vorgehensweise mitgeteilt, worauf ich ihm nur erwidert habe, dass er dies gerne tun kann, dafür ist die Versammlung ja da, er aber damit rechnen muss, dass ich natürlich darauf auch das Entsprechende erwidern werde. Er hat dann vor der Sitzung seinen Antrag zurückgezogen und ist gegangen.“ Peter Gänßler hat seine Mitgliedschaft gekündigt. „Ich hatte ein Angebot bei Mainz, als Scout zu arbeiten“, erzählt Gänßler, der bereits früher in dieser Funktion sieben Jahre für Bayern München und sechs für den Mainz 05 unterwegs war. „Das hätte ich mir auch beim FC Giessen vorstellen können“, sagt Gänßler.

Dann zieht er ein Plakat aus der Tasche, das das Spiel des Deutschen Meisters an der Neumühle ankündigt. 1. FC Kaiserslautern gegen den SC Teut. Watzenborn-Steinberg steht da. Fritz und Ottmar Walter haben mitgespielt. 66 Jahre ist das her. Die Zeit vergeht, die Zeiten ändern sich. So ist das im Leben. Ob es einem gefällt oder nicht. Archivfoto: ger



Aufrufe: 021.6.2018, 08:00 Uhr
Rüdiger Dittrich (Gießener Anzeiger)Autor