2024-05-10T08:19:16.237Z

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Die Zeit zu Hause in Planegg genießt Clara Schöne in diesen Monaten sehr. Trotzdem ist sie zeitlich schon wieder ordentlich eingespannt.
Die Zeit zu Hause in Planegg genießt Clara Schöne in diesen Monaten sehr. Trotzdem ist sie zeitlich schon wieder ordentlich eingespannt. – Foto: Dagmar Rutt

Clara Schöne über Männer- und Frauenfußball, Homophobie und Doping

„Warum wird das so in den Dreck gezogen?“

Clara Schöne spricht nach ihrem Karriereende über die Zeit im professionellen Fußball. Der zweite Teil des großen Interviews.

VON MICHAEL GRÖZINGER

Planegg – Aus dem Würmtal hat es Clara Schöne bis zur DFB-Pokalsiegerin und Kapitänin von Bundesliga-Spitzenteam SC Freiburg geschafft. Im Sommer beendete sie verletzungsbedingt ihre Karriere (wir berichteten). Im ersten Teil des großen Merkur-Interviews am Freitag sprach die 27-jährige Planeggerin unter anderem über ihr Verletzungspech, ihre größten Erfolge sowie die Vor- und Nachteile eines Lebens als Bundesliga-Fußballerin. In Teil zwei bezieht Schöne Stellung zu einigen sportpolitischen Themen wie Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen, Schmerzmittelmissbrauch und Homophobie.

Clara Schöne, die aktive Fußballkarriere ist vorbei. Wie geht’s jetzt bei Ihnen weiter? Sie haben ja gerade Ihren neuen Lebensabschnitt begonnen – als Co-Trainerin bei der Damen-Reserve Ihres Ex-Vereins, des FC Bayern München.

Genau. Ich habe im Juli angefangen, drei Tage vorher hatte erst die Saison mit Freiburg geendet. Das war ein fließender Übergang. Ich habe direkt wieder etwas zu tun, eine neue Aufgabe. Das hilft mir gerade auch extrem dabei, nicht so wehmütig zu sein wegen meines Karriereendes.

Wie kam es zu dem Trainerjob?

Ich habe während der Karriere schon meine Trainerscheine gemacht. Ich fand das immer schon interessant und wollte mir die Option offenhalten, in diese Richtung zu gehen. Anfang des Jahres habe ich der Managerin des FCB eine Nachricht geschrieben, dass ich im Sommer aufhören muss und wieder nach München ziehen will zu meiner Familie. Ich habe darum gebeten, dass mir der Verein Bescheid gibt, wenn er irgendetwas hat, wo er mich einsetzen kann. Die Managerin hat direkt geantwortet: „Ja, gerne, wir treffen uns, wir finden bestimmt etwas.“ Eine Option war dann Co-Trainerin bei der Zweiten. Da habe ich auch Megabock drauf, das ist eine ganz junge Mannschaft.

Können Sie sich auch vorstellen, langfristig im Trainerbereich zu bleiben?

Das ist gerade noch schwierig zu sagen, weil es ja erst meine erste Station ist. Daher weiß ich nicht, ob man irgendwann vielleicht die Nase voll hat (lacht). Ich kann mir aber gut vorstellen, dass ich zumindest immer eine Mannschaft betreue, einfach weil es mir so viel Spaß macht. Ob es dann hauptberuflich ist oder nur eine U12 zweimal die Woche, das kann ich nicht sagen.

Was wäre die berufliche Alternative?

Ich habe vor einigen Jahren meine kaufmännische Ausbildung abgeschlossen, dann noch mein Abi nachgeholt. Und Anfang des Jahres habe ich angefangen, Sportwissenschaften zu studieren. Das läuft jetzt gerade parallel zum Trainerjob.

Wie ist Ihre aktuelle Wohnsituation inMünchen?

Mit dem Umzug war das alles ein bisschen schwierig, deswegen bin ich bei meiner Familie in Planegg untergekommen. Das ist eigentlich ganz schön gerade.

Klingt gemütlich – aber jetzt mal raus aus der Komfortzone. Wie stehen Sie zu folgenden kritischen Themen im Fußball? Los geht’s mit Gehaltsunterschieden zwischen Männern und Frauen.

Also erst mal: Ich finde es abartig, was die Männer bekommen. Das finde ich nicht gerechtfertigt. Da sollte meines Erachtens mal ein Stopp kommen, eine Gehaltsobergrenze oder etwas Ähnliches. Das läuft einfach ins zu Extreme. Natürlich müssen sie viel opfern, sind Stars, die sich teils nicht frei bewegen können. Das sind extrem viele Einschränkungen, die wir bei den Frauen ja gar nicht mitbekommen – oder nur in kleinstem Rahmen. Deswegen finde ich es völlig in Ordnung, dass sie gut verdienen. Aber die Summen, von denen man inzwischen teilweise hört, sind zu extrem. Frauen und Männer zu vergleichen, finde ich schwer.

Warum?

Wir können wegen unserer körperlichen Voraussetzungen nicht das Gleiche leisten wie Männer, deshalb sollte man das schon trennen. Es hat auch etwas mit Nachfrage zu tun. Trotzdem wäre es schön – aber das betrifft alle Profisportarten – wenn auch Frauen von dem Geld Leben könnten. Ein anständiges Gehalt sollte schon drin sein. Es nervt mich, dass wir in den Hintergrund gedrängt werden. Ich glaube, die meisten Menschen haben immer noch das Bild vor Augen, dass beim Frauenfußball Dicke, Kurzhaarige dem Ball hinterherlaufen, die eh kein Fußball spielen können. Aber ich bin mir zu 1000 Prozent sicher, dass ich jeden, der so etwas sagt, im Eins-gegen-eins so was von nassmachen würde. Warum wird der Frauenfußball so in den Dreck gezogen? Man muss sich nur mal Beiträge in den Sozialen Medien dazu anschauen. Über die Hälfte der Kommentare sind abwertend. „Das interessiert doch keinen“, „Die sollten lieber in die Küche gehen“ – wenn sich jemand besonders witzig findet.

Lesen Sie diese Beiträge oder ignorieren Sie sie?

Oft zwinge ich mich, es nicht zu lesen, aber es interessiert mich dann doch. Manchmal gebe ich sogar eine Antwort auf einen Kommentar, wenn er mich extrem nervt. Das Problem ist, dass du mit solchen Leuten nicht reden kannst. Da wünsche ich mir, dass sie mir gegenüberstehen. Ich denke, dass diese Personen niemals den Arsch in der Hose hätten, einem so etwas ins Gesicht zu sagen. Ich verstehe nicht, warum die Menschen uns keine Chance geben. Wenn ihr es danach trotzdem nicht anschauen wollt – dann...schaut’s...nicht. Das ist ja kein Problem.

Nächstes Stichwort: Mediale Präsenz.

Nach der Corona-Pause hat „Magenta Sport“ (Pay-TV-Angebot der Deutschen Telekom, d.Red.) alle Spiele aus der Bundesliga der Frauen gezeigt – kostenlos. Das war richtig cool. Es muss doch wenigstens eine Plattform geben, auf der man die Spiele gucken kann. Teilweise wurde in den letzten Jahren nur ein Spiel pro Wochenende per Livestream auf DFB-TV übertragen – und das war’s. Du hattest gar keine Chance, die anderen Spiele zu sehen. Ich fände es cool, wenn die Telekom so etwas mal eine ganze Saison lang macht. Vielleicht schaltet jemand zufällig ein und denkt sich dann: Ach, nächsten Sonntag, 14 Uhr, ist ja wieder Bundesliga, da schau ich doch wieder rein. Wir Frauen müssen einfach präsenter sein. Da sehe ich auch die Vereine in der Pflicht. Einfaches Beispiel: Fanshop-Kataloge. Bei der Männer-Kollektion werden natürlich die Fußballprofis als Models genommen. Bei der Frauen-Kollektion nimmt man irgendwelche Models, warum nimmt man nicht die Frauenmannschaft? Das sind so Kleinigkeiten, da könnte man uns mit einbinden. Oder packt uns mit auf ein Werbeplakat drauf! Da kann man zwei Männer und zwei Frauen nehmen, so kommen wir automatisch mehr in die Öffentlichkeit.

Ein Thema, das dieses Jahr wieder groß aufkam: Schmerzmittelmissbrauch.

Ich war immer der Meinung, dass unsere Ärzte und Physios sehr sorgsam mit Schmerzmitteln umgegangen sind. Die Mittel waren weggeschlossen, wir durften sie nicht selbstständig nehmen, sondern mussten fragen und erklären, warum wir welche nehmen möchten. Es war also definitiv nicht so einfach. Ich muss aber auch ehrlich sagen, dass ich eine Zeit lang immer mit Schmerzmitteln gespielt habe, das hatte ich mit ihnen abgesprochen. Aber sie haben mir jedes Mal gesagt: Nur jetzt für’s Spiel, wenn es mehr wird, müssen wir es eindämmen.

Gibt es da einen generellen Unterschied zwischen Männern und Frauen?

Ich glaube, bei den Frauen achtet man ein bisschen mehr drauf. Das ist, denke ich, auch bei Verletzungen so. Männer spielen zum Beispiel mit einer Knieverletzung sorgloser noch zwei Jahre weiter, dann sind sie Millionäre und nehmen ein kaputtes Knie in Kauf. Bei uns ist es eher der Gedanke: Willst du später noch Sport machen, mit deinen Kindern Fangen spielen? Dann würde ich mir überlegen, ob ich das Risiko eingehe für einen „Mini-Job“ – denn das ist der Frauenfußball sogar für einige Erstliga-Spielerinnen. Außerdem glaube ich, dass einfach der Leistungsdruck bei den Männern noch deutlich größer ist. Deshalb nehmen sie Schmerzmittel wahrscheinlich deutlich öfter als wir.

Damit einhergehend: Thema Doping.

In der Hinsicht habe ich gar nichts mitbekommen. Ich wüsste jetzt auch gar nicht, was ich im Fußball dopen sollte. Man muss ja alles können: Technik, Schnelligkeit, Ausdauer, Kraft, dazu frisch im Kopf sein. Ich glaube nicht, dass das im Fußball so häufig passiert. Nur bei Doping-Kontrollen hatte ich mit dieser Thematik zu tun.

Letzter Punkt: Homosexualitätund Homophobie.

Das wird bei Frauen auf jeden Fall viel offener gehandhabt. Ich glaube aber, dass das ein grundlegendes gesellschaftliches Problem ist. Nach dem Motto: Schwule sind eklig, Lesben sind okay, sieht sogar manchmal ganz nett aus. Ich denke, dass das von Grund auf besser akzeptiert ist. Hinzu kommt, dass – glaube ich – Fußballfans oft sehr extrem in ihren Meinungen und Ansichten sind. Die wollen so etwas dann nicht sehen, dass ihr Idol, ihr Torschützenkönig auf einmal schwul ist. Und die Männer haben natürlich eine viel größere mediale Präsenz. Zuletzt hat sich zum Beispiel Viki Schnaderbeck, die lange bei Bayern war und inzwischen bei Arsenal London spielt, über Instagram geoutet. Daraufhin gab es in den Kommentaren nur positive Reaktionen. Aber man hat es in der Öffentlichkeit eben auch nicht so mitbekommen. Wäre das bei den Männern, würde das durch jede Presse in sämtlichen Ländern gehen. Von den Frauen wissen das am Ende viel weniger Menschen, als es bei den Männern der Fall wäre.

Vielleicht sind die Zuschauer und Fans von Frauenfußball auch einfach liberaler...

Das kann gut sein, ja. Ich denke, bei uns sind auch viele jüngere Mädels Fans, die uns nacheifern. Viele Familien. Was ich total schön finde, wenn sie bei uns bei den Spielen zuschauen. Ist ja auch eine schöne Sonntagsunternehmung (lacht). Unsere Eintrittspreise sind auch nicht so hoch, bei den Männern wirst du gleich arm, wenn du mit der Familie hingehst, und kommst noch dazu schwerer an Karten.

Aufrufe: 07.9.2020, 12:43 Uhr
Münchner Merkur (Würmtal) / Michael Grözinger - ReAutor