2024-04-24T13:20:38.835Z

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Die zweite Mannschaft des SC Baris Müllheim mit Vorstand Ilhan Durmus (hinten, Zweiter von links), dem zweiten Vorstand Erdogan Karakaya (ganz unten) sowie dem aus Gambia stammenden Trainer Sheik Omar Gassman (mittlere Reihe, rechts). | Foto: Hannes Selz
Die zweite Mannschaft des SC Baris Müllheim mit Vorstand Ilhan Durmus (hinten, Zweiter von links), dem zweiten Vorstand Erdogan Karakaya (ganz unten) sowie dem aus Gambia stammenden Trainer Sheik Omar Gassman (mittlere Reihe, rechts). | Foto: Hannes Selz

Baris Müllheim hat dank Flüchtlingsarbeit sportlichen Erfolg

Beim SC Baris Müllheim sind in Zukunft eine dritte Mannschaft und Jugendmannschaften geplant +++ Verein hofft auf finanzielle Unterstützung von Sponsorenseite

Es läuft die siebte Spielminute beim Spiel in der Kreisliga B, Staffel IV, zwischen dem SC Baris Müllheim und der SG Bremgarten/Hartheim. Nach einem schönen Angriff vollendet der aus Gambia geflüchtete Boubaker Ceesay für Baris zum 1:1-Ausgleich. Drei Minuten später dreht Bakary Drammeh, ebenfalls aus Gambia, das Spiel, ehe erneut Ceesay noch vor der Pause zum 3:1 trifft. Die Multi-Kulti-Truppe hat den elften Saisonsieg im Blick. „Wir haben Spieler aus zehn unterschiedlichen Nationen im Kader“, erzählt Ilhan Durmus, der erste Vorstand des SC Baris Müllheim.

Im Vorfeld der Saison kam es zu einer großen Wechselflut: Über 30 (!) Flüchtlinge verließen den Ligakonkurrenten Spfr. Hügelheim, wo sie unter anderem vor gut zwei Jahren noch als „Team Africa“ in der dritten Mannschaft aufgelaufen waren. „Sie haben sich am Ende in Hügelheim nicht mehr ausreichend wertgeschätzt und wohl gefühlt“, erzählt Durmus. „Sie haben zum Beispiel erzählt, dass sie in Hügelheim den Respekt nicht mehr gemerkt haben, als Ramadan war und sie deshalb nicht ihre Leistung abrufen konnten.“

Vor der laufenden Saison sei dann schließlich Tamer Polat, Trainer der zweiten Hügelheimer Mannschaft, mit den Flüchtlingen zu Durmus gekommen. „Tamer wollte unsere erste Mannschaft trainieren und hat mir eine Liste vorgelegt, was er sich vertraglich vorstellt. Einen solch professionellen Vertrag für einen Trainer hielt ich aber für die Kreisliga B für nicht angemessen. Als ich ihm seine Wünsche nicht vertraglich fixiert erfüllen wollte, wollte Tamer die Flüchtlinge wieder mitnehmen.“

Doch Durmus funkte dazwischen und bat Polat, kurz mit den Flüchtlingen reden zu dürfen. „Ich habe die Jungs gefragt, ob sie ohne ihren Trainer zu uns wechseln möchten und sie haben ja gesagt.“ Eine Art „Anführer“ der Flüchtlings-Gruppe, die es zusammen zu Baris zog, ist Sulayman Jammeh, der Torwart der zweiten Mannschaft. Angst, dass bei einem eventuellen Bruch zwischen Jammeh und dem Verein die Flüchtlinge erneut geschlossen wechseln, hat Durmus keine: „Unser Kader ist groß. Zudem fühlen sich die Flüchtlinge bei uns sehr wohl.“ Ein erster Ansprechpartner für Durmus sei Jammeh jedoch durchaus.

SC Baris Mühlheim in Zukunft auf Sponsoren angewiesen

Durmus bezahlt momentan zusammen mit dem zweiten Vorstand Erdogan Karakaya die Ausrüstung der Flüchtlinge, wie beispielsweise Kickschuhe, aus dem eigenen Geldbeutel. „Von Sponsorenseite her muss natürlich irgendwann mehr kommen, wenn wir das Ganze langfristig stemmen wollen“, betont Durmus. Das Ziel bei Baris sei es, durch den sportlichen Erfolg neue Sponsoren zu generieren. „Das Ziel in dieser Saison ist der Aufstieg. Dann bin ich mir sicher, würde der ein oder andere Sponsor zu uns kommen.“

Nach dem 6:1-Sieg gegen Bremgarten, bei dem fünf der sechs Müllheimer Treffer Flüchtlinge erzielten, rangiert die erste Mannschaft weiterhin auf dem zweiten Tabellenplatz. Zum Vergleich: Zum gleichen Zeitpunkt der vergangenen Saison lag Baris mit acht Punkten weniger auf dem sechsten Platz. Neben dem sportlichen Erfolg soll der Verein allgemein wachsen: „Wir überlegen ernsthaft, mit einer dritten Mannschaft und erstmals seit der Gründung 1995 mit Jugendmannschaften in die neue Saison zu starten.“ Während die zweite Mannschaft durchaus nur aus Flüchtlingen bestehen könne, soll die Anzahl in der ersten Mannschaft auf bis zu sechs Spieler begrenzt bleiben. „Wir wollen ein gewisses Gleichgewicht wahren. Die Werte und die Spielweise, für die wir bei Baris stehen, sollen sich nicht verändern“, sagt Durmus.

Ilhan Durmus: „Die Jungs wollen zusammen spielen"

Ein Ende der Wechselwelle ist jedenfalls nicht in Sicht. „Wir haben bereits mehrere Zusagen für die kommende Saison von weiteren Flüchtlingen aus der Region. Am Ende werden es sicher über 40 sein, die bei uns spielen. Das Gerücht, Baris schulde Hügelheim für den Wechsel der Flüchtlinge bis heute noch Geld, wies Durmus entschieden zurück: „Für sechs Spieler, die in der Rückrunde der Saison 2017/2018 für Hügelheim noch zum Einsatz kamen, haben wir über 1 500 Euro an Hügelheim überwiesen. Den Rest der Spieler hat der Verband ohne Ablösesumme freigegeben.“

Die Idee, die Flüchtlinge über die Vereine der Region und die finanzielle Last für die Vereine dadurch auf mehrere Schultern zu verteilen, hält Durmus zwar für sinnvoll, aber auch für so gut wie unmöglich: „Die Jungs wollen zusammen spielen. Sie haben ein großes Gemeinschaftsgefühl und essen nach den Spielen beispielsweise immer zusammen.“

Unter der Woche trainieren somit 35 und mehr Spieler zusammen im Müllheimer Eichwaldstadion. Zum Training und den Heimspielen kommen die Flüchtlinge, solange es nicht regnet, mit dem Fahrrad. Darüber hinaus stellte Durmus dem Team zwei Autos zur Verfügung und holt die Flüchtlinge oft sogar selbst in den jeweiligen Unterkünften ab. Für die Auswärtsfahrten stellt eine Autoverleih-Firma aus Neuenburg ein Mietwagen zur Verfügung. „Wir haben drei Spielern eine Wohnung, beziehungsweise eine Arbeitsstelle organisiert. Für das Gesamtpaket, wie wir auf sie eingehen, schätzen uns die Flüchtlinge. Sie brauchen diese Zuneigung und dass man mit ihnen redet. Man muss ihnen etwas geben und ihnen helfen wollen.“ Geld dafür, dass sie bei Baris spielen, bekämen die Flüchtlinge keines, versichert Durmus.

Die Beziehung zwischen Baris Müllheim und den Spfr. Hügelheim sei unverändert gut. Nur Polat, der auch heute noch die zweite Hügelheimer Mannschaft trainiert und sogar über einige Ecken mit Durmus verwandt ist, rede nicht mehr mit ihm. Ein weiteres Gerücht, dass die Flüchtlinge im Sommer wieder nach Hügelheim zurückgehen würden, wies Durmus ebenfalls zurück: „Das ist Schwachsinn. Die letzten beiden Flüchtlinge, die letzten Sommer in Hügelheim geblieben sind, werden auch noch zu uns kommen.“ Selbst wenn die Flüchtlinge wechseln wollen würden, werde ihnen Durmus keine Steine in den Weg legen, wie er betont: „Es ist ganz normal, dass uns der ein oder andere auch wieder verlassen wird. Ich habe den Jungs gesagt, dass ich sie auf Händen hintrage, wenn sie in einer höheren Liga spielen können.“

Aufrufe: 014.11.2018, 12:00 Uhr
Hannes Selz (BZ)Autor