2024-04-23T13:35:06.289Z

Interview
Zufriedene Miene eines Erfolgstrainers: Daniyel Bulut hat den SC Waldgirmes zu einem Hessenliga-Spitzenteam geformt. 	Archivfoto: Bär
Zufriedene Miene eines Erfolgstrainers: Daniyel Bulut hat den SC Waldgirmes zu einem Hessenliga-Spitzenteam geformt. Archivfoto: Bär

"Ich habe intelligente Spieler"

HESSENLIGA: +++ Aufsteiger SC Waldgirmes mischt als Tabellenvierter die Hessenliga auf / „Ich muss mich immer wieder mal kneifen“ +++

WALDGIRMES. Der SC Waldgirmes ist in der Fußball-Hessenliga momentan so etwas wie die Elf der Stunde. Zumindest ist der Aufsteiger aus der Lahnaue nach Beendigung der Hinrunde in Hessens höchster Amateurliga die Überraschungsmannschaft, denn das Team von Trainer Daniyel Bulut belegt mit 31 Punkten derzeit Tabellenplatz vier. Vor ihm liegen nur die vor der Saison als Titelanwärter gehandelten Mannschaften aus Lehnerz, Dreieich und Alzenau, aber der SC rangiert nach 16 Spieltagen noch vor den ebenfalls weit vorne erwarteten SC Watzenborn-Steinberg und Borussia Fulda. Grund genug, bei SC-Coach Bulut, der erst vor der Saison den Aufsteiger übernommen hatte, nach seiner Einschätzung der Entwicklung zu fragen.

Herr Bulut, haben Sie schon eine Meisterschaftsprämie ausgehandelt?

Bulut (lachend): Nein, habe ich nicht, aber vielleicht sollte ich das in der Winterpause machen.

Aber so abwegig ist das doch nicht, so wie die Saison bisher gelaufen ist, kann die Mannschaft auch mit den Spitzenteams mithalten?

Wir können die Situation schon richtig einschätzen. Wenn du um die Meisterschaft mitspielen willst, musst du den Mannschaftskader breiter machen, das ist auch ein finanzielles Problem. Lehnerz, Dreieich, Alzenau, Watzenborn und Fulda zum Beispiel haben ganz andere wirtschaftliche Möglichkeiten und noch eine größere Qualität im Kader als wir. Wenn du um die Meisterschaft mitspielen willst, musst du immer einhundert Prozent bringen.

Hätten Sie erwartet, dass Ihr Team nach der Hinrunde so weit oben steht?

Nein, natürlich haben wir das vor der Saison nicht gedacht. Ich muss mich immer wieder mal kneifen, um das zu realisieren. Wir haben uns den Aufsteiger der letzten Saison angesehen, denn Viktoria Kelsterbach ist mit einem ähnlichen Konzept wie wir in die Hessenliga gegangen. Sie wollten auf die eigene Jugend setzen und haben sich punktuell verstärkt. Am Ende sind sie mit 23 Punkten sang- und klanglos abgestiegen.

Wie erklären Sie sich dann den großen Erfolg in Ihrem ersten Jahr?

Dass wir so weit oben stehen, hat nicht nur mit mir als Trainer zu tun, sondern mit der Arbeit des gesamten Teams. Es war für mich sehr wertvoll, dass ich von Anfang an Informationen über Spieler und Verein hatte, die wichtig waren. So war es Gold wert, Leif Langholz als Co-Trainer zu haben. Und auch die beiden Torwart-Trainer Horst Gröger und Manfred Ehrhard waren und sind mir eine große Hilfe.

Wieviel Punkte hattet Ihr Euch zum Ziel gesetzt für die Hinrunde?

20 Zähler nach der Hinrunde und 20 in der Rückrunde, denn mit insgesamt 40 Punkten hat man den Klassenerhalt sicher. Auch bei möglichen fünf Absteigern.

Korrigiert Ihr die angestrebte Punktzahl jetzt?

Keiner bei uns im Verein spricht davon, jetzt unbedingt mehr zu wollen. Die Liga ist gefährlich, da kann jeder jeden schlagen. Nehmen wir mal den KSV Baunatal. Vor unserem Spiel gegen den KSV lag er vor uns in der Tabelle. Innerhalb von nur vier Wochen haben wir nun einen Vorsprung gegenüber Baunatal von sieben Punkten! Wir streben an, möglichst früh die erforderliche Punktzahl und den Klassenerhalt zu sichern, damit wir rechtzeitig und in Ruhe für die nächste Hessenliga-Saison planen können. Das ist zum Beispiel auch wichtig, wenn man mit potenziellen Neuzugängen spricht, die natürlich wissen wollen, in welcher Liga die Mannschaft zukünftig spielt.

Apropos neue Spieler, wollen Sie, nachdem Kouami Dalmeida ja kurzfristig seinen Vertrag wieder gekündigt hatte und vor der Saison zum FSV Frankfurt gegangen ist, jetzt noch einen neuen Mittelstürmer holen?

Das ist sehr schwierig, weil in unserer Region keiner auf dem Markt ist, der passen würde. Ein Kandidat müsste frei sein oder sein Verein müsste ihn in der Winterpause freigeben. Das ist kaum zu erwarten oder könnte zu teuer werden.

Ihr habt mit 27 Toren von den vorderen Teams in der Tabelle die klar wenigsten Treffer erzielt, liegt das am fehlenden Torjäger, obwohl der gelernte Mittelfeldspieler Jurij Gros ja als „Ersatzstürmer“ schon siebenmal getroffen hat?

Wir müssen unser Spiel allgemein nach vorne verbessern, das fängt beim Pass in die Tiefe schon an. Auch müssen wir sowohl unsere Konter effizienter ausspielen, wie auch unser Übergewicht besser ausnutzen. Damit wir nicht zittern müssen, wenn genug Chancen da sind – wie zum Beispiel zuletzt gegen Rot-Weiss Frankfurt.

Woran lag es, dass es bisher so gut gelaufen ist?

Der Hauptfaktor ist die Zusammenarbeit zwischen Trainern, Spielern und Verantwortlichen. Ich habe intelligente Spieler, die das umsetzen können, was die Trainer wollen. Und die haben das bisher überragend umgesetzt. Zum Beispiel Nicolas Strack. Den haben wir als Offensivspieler geholt und dann kommt er für den verletzten Mark Geller in die Abwehrkette, und es funktioniert bestens. Auch haben wir nicht so viele Verletzte gehabt, und wenn dann sind sie sehr gut ersetzt worden. Ich hätte zum Beispiel nicht gedacht, dass wir ohne den verletzten Tolga Duran zuletzt vier Siege holen. Und dann unsere Fans – da fahren wir letzten Samstag nach Griesheim und haben ein gefühltes Heimspiel, weil von den 150 Zuschauern 80 Waldgirmeser Anhänger sind.



Aufrufe: 09.11.2017, 08:00 Uhr
Rolf Birkhölzer (Gießener Anzeiger)Autor