2024-05-02T16:12:49.858Z

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(Noch) nicht gefragt: Die Teamsport-Abteilung bei 4All-Sports und die Bademode bei Intersport Begro.	Fotos: Liebscher
(Noch) nicht gefragt: Die Teamsport-Abteilung bei 4All-Sports und die Bademode bei Intersport Begro. Fotos: Liebscher

Renner auf vier Rollen

HINTERGRUND: +++ Auch Sportartikelhändler stehen in Zeiten der Corona-Krise vor einer besonderen Herausforderung und gewähren Markteinblicke +++

Gießen. Der 18. März ist vielen hessischen Einzelhändlern nicht unbedingt positiv in Erinnerung geblieben. Es war der erste Tag während der Corona-Krise, an dem die Geschäfte – sofern nicht systemrelevant – geschlossen bleiben mussten. Nur Lebensmittelmärkte, Apotheken oder Drogerien durften ihre Pforten weiterhin öffnen, der Rest blieb dicht – über einen Monat lang. Erst seit dem 20. April ist ein freier Verkauf für kleinere Läden bis 800 Quadratmetern wieder möglich, ehe am 9. Mai auch den größeren Geschäften die Wiedereröffnung gestattet wurde. Von diesen Restriktionen ebenfalls betroffen waren die Händler von Sportartikeln, die seitdem erst mühsam versuchen, ihre Waren wieder an den Mann beziehungsweise an die Frau zu bringen. Doch was kaufen Sportler in einer Zeit, die nur eine beschauliche Auswahl an Sport anbietet? Und wie gehen die Sportartikelhändler mit der Corona-Krise um? Das Oberbieler Sport- und Modehaus Kaps, der Intersport Begro im Gießener Schiffenberger Weg sowie das 4All-Sports in Dutenhofen sammeln dabei ihre eigenen Erfahrungen.

Heimsport gefragt

Doch nach dem kompletten ‚Shutdown‘ – der Schließung – war der Weg zur Wiedereröffnung nicht nur weit, sondern insbesondere von der Ungewissheit begleitet, wie das eigene Geschäft in einem, zwei oder gar drei Monaten aussehen könnte. So mussten Hygienekonzepte ausgearbeitet und von den behördlichen Stellen abgesegnet werden. Verkaufsflächen wurden verkleinert, ein Kundenleitsystem erstellt, das eigene Personal geschult und Kunden über die Einkaufssituation gebrieft. Die beiden Sporthandel-Riesen Kaps und Intersport gingen insbesondere in der „800-Quadratmeter-Zeit“ sehr sorgsam auf die Bedürfnisse der Kundschaft ein. So schrumpfte der Oberbieler Fachmarkt von 5000 Quadratmetern – aufgeteilt auf mehrere Etagen – auf das Erdgeschoss zusammen, beim Gießener Intersport (3000 Quadratmeter) wurde der Eingangsbereich in einer Nacht-und-Nebel-Aktion umgestaltet und mit „Einbahnstraßen“ versehen. So gaben die jeweils zuständigen Ordnungsämter schnell grünes Licht. „Der ‚Re-Start‘ lief im Anschluss für uns besser als erwartet“, so Anke Kaps, „auch weil wir nicht wussten, wie unsere Kunden reagieren würden; ob sie überhaupt wissen, dass wir wieder geöffnet haben.“ Doch die Kundschaft blieb dem Sport- und Modehaus treu. Und auch Intersport-Geschäftsführer Friedel Hlawaty lobt seine Kunden: „Sie waren sehr geduldig und haben uns viel Verständnis entgegengebracht.“

Was die beiden Geschäftsleiter ebenfalls verbindet, sind die Entwicklungen auf dem (Sport-)Markt. Zwar leide der Mannschaftssport noch unter einigen Auflagen – was sich auch im Absatz bemerkbar macht –, doch boomt hingegen der Einzelsport. „Fußballschuhe oder auch Badesachen sind derzeit kein Thema bei der Kundschaft“, gibt Anke Kaps Einblick. Stattdessen sei die Nachfrage bei Fitnessartikeln für zu Hause hoch – darunter Hanteln, Crosstrainer oder Yogamatten. „Allgemein läuft der Rollsport derzeit sehr gut“, fügt Friedel Hlawaty an. Dessen Teamleiter Markus Czorlich geht indes weiter ins Detail: „Fahrradzubehör, Rollschuhe und auch Inline-Skates gehen derzeit total durch die Decke.“ (Dauer-)Renner auf vier Rollen sozusagen. Leere Regale bilden dabei keine Seltenheit. „Daraus entstehen, ebenfalls zum Teil Corona-bedingt, Lieferengpässe bei Lieferanten“, so Czorlich weiter. Für den Gießener Intersport nur zeitweise ein Problem, doch ist man dank der hohen Filialdichte in Mittelhessen – neben weiteren Niederlassungen in Marburg, Biedenkopf, Limburg, Herborn, Dillenburg und Gladenbach existiert eine weitere Zweigstelle in der Gießener Galerie Neustädter Tor – im regen Warenaustausch. „Was das betrifft, sind wir breit aufgestellt“, so Hlawaty.

Und, so fügt die Oberbielerin Anke Kaps hinzu: „Besonders gut läuft der Absatz von Buffs – dünnen Schlauchschals aus atmungsaktivem Material, die für gewöhnlich im Wintersport genutzt werden.“ Aufgrund des Coronavirus eine beliebte Alternative zu Nasen- und Mundmasken – mit Modepotenzial, wie Kaps grinsend anfügt. So gibt es diese im Oberbieler Sport- und Modehaus in allerlei verschiedenen Farb- und Mustervarianten.

Bei den vielen Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Händlern finden Hlawaty und Czorlich dennoch einen Unterschied: So laufe der Absatz von Ballsportartikeln in Gießen relativ positiv. „Badminton-Ausrüstung samt Netz oder auch Basketbälle samt mobiler Korbanlage für daheim. Alles, was in den eigenen vier Wänden oder im eigenen Garten machbar ist“, gibt Markus Czorlich Einblick.

Rücken zur Wand

Zwischen Oberbiel und Gießen hat Mario Allendörfer ganz besonders an der derzeitigen Situation zu knabbern. Auch der Betreiber vom Dutenhofener 4All-Sports verrät, dass speziell im Laufsport eine sehr hohe Nachfrage besteht. Er hat seine Pforten ebenso seit dem 20. April wieder für seine Kunden geöffnet, dennoch gibt Allendörfer, der das Geschäft erst im Januar von seinem Onkel Frank Allendörfer übernommen hatte, Einbußen bis zu satten 90 Prozent an. Der Grund liegt für ihn auf der Hand. „Wir haben uns auf Teamsport spezialisiert“, so Allendörfer, der sich obendrein als Ausrüster der Vereine versteht. Trikotsätze für Vereine und deren Trainings- und Jugendcamps sowie die Beflockung der Trikots. „Unsere Nische ist komplett weggebrochen.“ Seine beiden Mitarbeiter in der Textilverarbeitung sind daher derzeit in Kurzarbeit.

Dennoch sieht auch Allendörfer Licht am Ende des Tunnels – wenn auch nur wenig und in Form von, wie er selbst sagt, tollen Partnern. So mussten zwar die Handballer der HSG Dutenhofen/Münchholzhausen, HSG Linden und HSG Hungen/Lich ihre Ostercamps abblasen, stornierten allerdings nicht die bei 4All-Sports georderten Textilien. „Das hilft uns natürlich sehr, besser mit der jetzigen Situation umzugehen“, meint Geschäftsführer Allendörfer, der von betrieblichen Reserven zehren muss.

Klar ist – und da sind sich alle Beteiligten einig –, dass es in Anbetracht der derzeitigen Tatsachen zwar relativ gut läuft, aber man im Vergleich zu den Vorjahren hinterherhinkt. „Die Leute überlegen sich derzeit natürlich ganz genau, welche Investitionen sie tätigen und welche nicht“, so Mario Allendörfer. Auch Anke Kaps bläst in dasselbe Horn: „Wir werden noch etwas Zeit brauchen, um dahin zu kommen, wo wir sein wollen.“ Dennoch: Aufgeben gilt nicht, und so schauen die Sportartikel-Händler erhobenen Hauptes in die Zukunft – und ziehen aus den wenigen positiven Dingen neue Kraft. „Wir haben gemerkt, dass wir tolle Kunden haben“ – ein Satz, der in allen Filialen zu Protokoll gegeben wurde. Und das hat seinen Grund, denn schließlich ist in dieser besonderen Zeit mehr denn je Zusammenhalt nötig.



Aufrufe: 017.5.2020, 10:00 Uhr
David LiebscherAutor