2024-05-10T08:19:16.237Z

Interview
Ralf Bühler sieht den Profifußball am Scheideweg. Foto: alho
Ralf Bühler sieht den Profifußball am Scheideweg. Foto: alho

Ralf Bühler: "Kritik hat die zwei Falschen getroffen"

Brochenzells Fußballtrainer über die Kommerzialisierung im Profifußball

Brochenzell / sz - Ralf Bühler ist Trainer des Fußball-A-Ligisten VfL Brochenzell und bekennender St. Pauli Fan. Im Gespräch mit Giuseppe Torremante kann er die Kritik am DFB (Helene Fischer trat in der Halbzeitpause des Pokalfinales in Berlin), nicht ganz nachvollziehen, denn die Kommerzialisierung im Profifußball hat nicht erst am vergangenen Samstag begonnen.

Herr Bühler, nach dem Auftritt von Schlagersängerin Helene Fischer beim Pokalfinale zwischen Dortmund und Frankfurt in Berlin gab es unter den Fußballfans einen großen Aufschrei, der heute noch anhält. Können Sie die Kritik nachvollziehen?

Die Kritik kann ich nachvollziehen. Meiner Ansicht nach hat es die zwei falschen Adressaten getroffen (Helene Fischer und der DFB). Die Vereine sind die eigentlich Schuldigen. Sie treiben die DFL (Deutsche Fußball-Liga) und den DFB dazu immer lukrativere Verträge abzuschließen. Das geht zu Lasten des normalen Fußballfans.

Wann hat Ihrer Meinung die Kommerzialisierung des Profifußballs in Deutschland begonnen?

Das ist ein langer Prozess und ist mindestens schon zehn Jahre her. Es begann mit den hohen Fernsehverträgen in England, wo die Zahlen in astronomischen Höhen gestiegen sind. Deutschland wollte und musste nachziehen.

In der Saison 2017/18 wird der Spieltag in der Bundesliga noch weiter "aufgeweicht". Es gibt Montagsspiele und fünf Partien am Sonntag, um 13.30 Uhr. Warum gehen hier die Fans nicht auf die Barrikaden?

Der Hauptanbieter Sky zeigt nicht mehr alle Spiele live. Es steigen andere Sender ein und das bedeutet Mehreinanhmen für die DFL und die Vereine. Der Fan muss mehrere Pakete kaufen, um alle Spiele zu sehen. Ich habe nur einen Vertrag und werde keine neuen Verträge mit anderen Sendern abschließen.

Dass es auch anders geht, haben die Fans des FC Liverpool bewiesen. Die Verantwortlichen wollten die Eintrittspreise drastisch erhöhen. Beim nächsten Spiel war das Stadion nur halb gefüllt. Die Preiserhöhung blieb aus. Ist das ein möglicher Weg?

In Deutschland ist das nicht machbar. Viele Fans rennen trotzdem in die Stadien, sind Sympathiefans, auch wenn der Verein Entscheidungen trifft, die nicht zu ihrem Vorteil sind. Wenn es so weiter geht, dann wird das Produkt oder die Leidenschaft Fußball durch die Kommerzialisierung in den Hintergrund gestellt.

Gibt es so etwas wie einen Mittelweg?

Ich denke schon. Die Sponsoren im Hintergrund brauchen die Vereine, um an die Fans zu kommen. Ich bin überzeugt, dass einheitliche Anstoßzeiten noch mehr Kinder oder Jugendliche zum Fußball bringen. Um 20.45 Uhr kann meine Tochter, die selber Fußball spielt, die Champions League nicht anschauen. Sollten die Anstoßzeiten weiter so wild sein, dann wenden sich viele junge Menschen vom Fußball ab.

Was ist am FC St. Pauli anders?

Der größte Unterschied ist, dass das politische Statement des Vereins über dem Sport steht. 99 Prozent der Vereine hätten in der Winterpause Ewald Lienen als Trainer entlassen. St. Pauli war Letzter und am Ende wurde das Team Siebter.

Aufrufe: 031.5.2017, 18:00 Uhr
Schwäbische ZeitungAutor