2024-05-22T11:15:19.621Z

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Ball mit Mund-Nasenschutz, gehalten mit Einmalhandschuhen: Der Fußball 2020 hat seine eigenen (Hygiene-)Regeln.	Foto: Bär
Ball mit Mund-Nasenschutz, gehalten mit Einmalhandschuhen: Der Fußball 2020 hat seine eigenen (Hygiene-)Regeln. Foto: Bär

Quadratur des Fußballs

CORONA: +++ Die Freude ist groß, dass wieder gespielt werden darf / Aber die Unwägbarkeiten sind genauso groß +++

giessen. Ob es nun ein Präzedenzfall ist oder nicht, das wird sich zeigen. Klar ist, dass die Absage des Testspiels durch den Wuppertaler SV beim FC Gießen einen Hinweis darauf gibt, auf welch dünnem Eis sich die Fußball-Saison 2020/2021 bewegt. Sicher ist nur, dass nichts sicher ist. Da geht es dem Fußball nicht anders als allen anderen gesellschaftlichen Bereichen in diesen Pandemiezeiten, die immer noch vieles in unserem täglichen Leben surreal, nachgerade grotesk erscheinen lassen.

So mag und darf man sich freuen über den bevorstehenden Start der Saison, man mag als Spieler, Trainer, Mannschaftsverantwortlicher und Zuschauer der B- bis zur Regionalliga und den Jugendligen entgegenfiebern, ob sie tatsächlich über die Bühne gehen – ganz oder auch nur teilweise – steht tatsächlich in den Sternen. Hygienekonzepte hin oder her.

Denn wenn im Umfeld der Wuppertaler U 19 ein Corona-Fall auftritt, der prompt Einfluss auf das Spiel der 1. Mannschaft hat, weil der Co-Trainer mit einem der Akteure möglicherweise Kontakt gehabt haben könnte, ist das ja nur ein winziger Teil-Aspekt. Aber auch ein Fingerzeig, wie weit verzweigt das Gefahrenpotenzial ist, das den Spielbetrieb in Frage stellen kann.

Ein Spieler in einer Mannschaft, der positiv getestet wird, ein Jugendlicher, der in eine Klasse geht, in der Mitschüler coronaverdächtig sind, schon folgt ein (meterlanger) Rattenschwanz an Konsequenzen. Vom Warten auf dann notwendig werdende Test-Ergebnisse über Quarantäne für diesen einen Spieler (der vielleicht mit anderen Spielern auch schon wieder zu tun hatte?) – Trainingsausfälle, Spielverlegungen, Absagen sind vorprogrammiert. Oder, wie sagte Kreisjugendwart Klaus-Jürgen Schretzlmaier bei einer Rundenbesprechung der Jugend in Lich: „Wir müssen auch immer Notfallpläne im Kopf haben.“ Von einer, wie auch immer gearteten Hallenrunde im Jugendbereich, ist dabei noch lange nicht die Rede.

Bis gestern, um den (ersten) heimischen Fall aufzugreifen, waren Spieler und Trainer der FSG Lollar/Staufenberg in Quarantäne. Zwar waren alle anderen Akteure nach jenem beim Freundschaftsspiel gegen Grünberg festgestellten Einzelfall negativ, aber alleine der Verdacht hat das Training und also die Vorbereitungsstrukturen des A-Ligisten ausgehebelt. Quarantäne, Der Testspielgegner FSG Grünberg/Lehnheim/Stangenrod war nach der Partie, wie es aus dem Umfeld heißt, auch „verunsichert, wie man sich nun verhalten soll“. Gute Frage. Nächste Frage.

Dabei ist es aller Ehren wert, mit welcher Akribie und Manpower, mit welchem Engagement vom Hessischen Fußball Verband über die Fußballkreise bis hin in die Vereine hinein an einem tragfähigen (Hygiene)-Konzept gearbeitet wurde. Über allen schweben dabei die Vorgaben der örtlichen Gesundheitsämter, die politischen Entscheidungen, schwebt das Virus.

Und so ist das alles gut und schön, wenn zum Beispiel die Jugendtrainer der diversen Ligen sich zu ihren Rundenbesprechungen unter freiem Himmel treffen, die Stühle auf Abstand, wenn sie zudem intensiv darauf hingewiesen werden, wie der unter dem Reiter „Dopingbeauftragter“ (einen anderen gibt‘s nicht im DFB-net) zuständige Vereinsvertreter die Listen der anwesenden Zuschauer zu führen hat. Denn die sind zwecks Nachverfolgung etwaiger Infektionsketten entscheidend und beim Verein vier Wochen zu verwahren, Wer aber die Strukturen der Vereine kennt, auch den Mangel an Ehrenamtlichen mancherorts, oder die Sportplatzsituation, der ahnt, dass eine Einteilung in drei Zonen und die konsequente Überwachung, dass jeder nur dort steht, wo er hingehört, oder auch jeder registriert ist, der auf dem Sportgelände ankommt, eine gewaltige Herausforderung darstellt.

Kleinigkeiten am Rande sind dann die Beachtung des Mindestabstandes bei Spielunterbrechungen oder in der Halbzeitpause, wobei sich beispielsweise mit C-Junioren das deutlich besser durchziehen lässt als mit einem Sack Flöhe von Bambinikickern. Auch Passmappen und Ausdrucke des Spielberichtes sind tabu, was einerseits die Arbeit erleichtert, andererseits nach sich zieht, dass der Schiedsrichter, sollte er das mobile Endgerät des Vereins in die Hände nehmen, um sein Passwort einzugeben und die Pässe im DFBnet zu kontrollieren, das nur machen darf, wenn das Gerät desinfiziert wurde.

Dass Jungs einer Mannschaft, die in Kleingruppen zum Auswärtsspiel fahren, im Auto einen Mundschutz tragen müssen, gehört auch dazu, denn welcher Verein bekommt es schon hin, dass 15 Elternteile die 15 Kinder alle einzeln kutschieren? Das ist mal möglich, aber nicht an jedem zweiten Wochenende. Genauso wie der fromme Wunsch, die Mannschaften könnten sich am besten draußen umziehen. Spätestens an einem verregneten Oktobertag ist damit Schluss. Und so stopfen wir die Trikots, mit Einmalhandschuhen an den Fingern, in die Waschmaschine und waschen sie – virentötend – bei 60 Grad, wo sonst 40 Grad der Beflockung auch schon zusetzen. In der Hoffnung, dass sie es überstehen. Genau wie die Runde diese Corona-Zeiten. Die Hoffnung stirbt schließlich zuletzt.

Aufrufe: 027.8.2020, 08:00 Uhr
Rüdiger Dittrich (Gießener Anzeiger)Autor