2024-05-10T08:19:16.237Z

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Neuer Kapitän und Anführer beim Aufsteiger Calcio: der aus Reutlingen verpflichtete Giuseppe Ricciardi. Yavuz Dural
Neuer Kapitän und Anführer beim Aufsteiger Calcio: der aus Reutlingen verpflichtete Giuseppe Ricciardi. Yavuz Dural

Pause für das Calcio-Pulverfass

+++ Trainingslager mit optimalen Bedingungen +++ Kader gezielt verstärkt +++ die Grundachse steht bereits fest +++

Der Aufsteiger Calcio hat seinen eh schon hochkarätig besetzten Kader weiter verstärkt, hält sich vor seiner Premierensaison in der Verbandsliga aber verbal zurück.

Es klingt wie aus dem Bilderbuch: ein Vier-Sterne-Ressort mit Apartment-Villas, Swimming-Pool, exklusiver Wellnessbereich, dazu mehrere Rasenplätze, deren sattes Grün unter blauem Himmel ruht. Und nebenan rauscht das Meer. Cambrils heißt dieser malerische Ort. Dort, südlich von Barcelona und unter der Sonne Kataloniens, werden sie im Februar logieren, die Fußballer von Calcio Leinfelden-Echterdingen. Das einwöchige Trainingslager ist im Terminkalender bereits fixiert. An- und Rückreise: alles bequem im Flieger, quasi von der eigenen Haustüre aus.

Ist beim Aufsteiger nun also der Größenwahn eingekehrt? Haben also doch diejenigen Recht, die seit Jahren munkeln, dass in den Goldäckern Geld keine Rolle spielt – man hat es halt? Letzteres sei dahingestellt. Bezüglich des geschilderten Falls gilt: Irrtum. Tatsächlich wird der Trip den Verein keinen Cent kosten. Es handelt sich um den noch einzulösenden Hauptgewinn für den jüngsten Sieg beim Erdinger-Meistercup des Württembergischen Fußball-Verbands. Und doch: die Begebenheit passt gut ins Bild eines Clubs, dessen Verantwortliche von großem Ehrgeiz getrieben sind.

Erstmals in dieser Liga

Verbandsliga! Erstmals in ihrer Geschichte treten die Echterdinger in dieser Spielklasse an. Im Filder-Fußball sind sie damit die neue Nummer eins. Erfüllt haben sich seit langem gehegte Sehnsüchte. Schon nach der Jahrtausendwende hatte Calcio sich mit Macht an diesem Sprung versucht, seinerzeit ohne Happyend. „Dass jetzt gelungen ist, was alle Vorgänger nicht geschafft haben, darauf bin ich stolz“, sagt Cataldo Diletto, der als Trainer und Teammanager in einem fungiert. Freilich: der Erfolgshunger ist noch nicht gestillt.

Unter Dilettos Ägide haben die Italo-Schwaben sich in den beiden vergangenen Jahren einen Kader zusammengezimmert, der auch als Who is Who der regionalen Kickerszene durchgehen könnte. Die guten Kontakte des 38-Jährigen sowie, ja, keine Frage, ein eben ausreichend dickes Portemonnaie haben es möglich gemacht. Vereint ist im Aufgebot die Erfahrung aus 16 Zweitliga-, 107 Drittliga-, 254 Regionalliga- und 349 Oberliga-Partien. Elf Spieler waren schon auf einer höheren Ebene engagiert als der jetzigen. Sechs Mann sind in diesem Sommer neu hinzugekommen. Nur sechs. Wahr gemacht haben Diletto und die Seinen ihre Ankündigung, es diesmal bei punktuellen Verstärkungen zu belassen – nicht erlegen sind sie einem vormals öfter gezeigten Reflex, wie Lästermäuler anmerken: jenem, darüber hinaus alles zu verpflichten, was bei Drei nicht auf den Bäumen ist. Das aktuelle Motto lautete stattdessen: Klasse statt Masse.

Ricciardi soll der Leitwolf sein

Zumindest drei der Zugänge dürften das Niveau auf Anhieb weiter heben. Erstens Nektarios Malamidis als Abwehrchef – der vor zehn Monaten noch im Streit geschiedene Grieche ist zurückgekehrt. Zweitens Sidy Niang, gebürtiger Senegalese und früherer Großaspacher, als sprintstarker Angreifer auf den Außenbahnen. Und drittens ist da vor allem Giuseppe Ricciardi. Mit dem 32-jährigen bisherigen Kapitän des SSV Reutlingen hat der Aufsteiger seinen spektakulärster Transfer realisiert. Glückliche Fügung, dass Ricciardi in Echterdingen wohnt, familiär bedingt einen geringeren Fahrtaufwand wollte als bisher und zudem einer der besten Kumpel des bei Calcio unter Vertrag stehenden Ex-Profis Denis Berger ist.

Die Spielführerbinde trägt er nun auch beim Filderclub. „Er ist eine absolute Führungsfigur“, sagt Diletto über seinen „Wunschspieler schlechthin“. Der Leitwolf soll Ricciardi indes nicht nur auf dem Rasen sein, auch sonst ist für ihn eine repräsentative Rolle vorgesehen. Helfen soll er beim beabsichtigten Imagewandel eines Vereins, der in der Vergangenheit allzu oft als Chaosclub Schlagzeilen schrieb.

Erinnert sei nur an die Hinrunde der vergangenen Saison, als Calcio das Kunststück vollbrachte, das eigene sportliche Hoch mit zwei Trainerwechseln, dem Rücktritt der Abteilungsleitung, Spielersuspendierungen sowie internen Streitigkeiten zu konterkarieren. Ricciardi sagt: „Die Außendarstellung muss sich ändern – dazu will ich beitragen.“ Schluss mit Selbstzerstörungsmodus. Pause für das Pulverfass.

Eine Achse aus sechs Spielern steht

Diletto stellt seinen Trainerjob im selben Zug unter die Schlagworte: hart arbeiten, Disziplin. Die von ihm als potenzielle Störenfriede ausgemachten Fatih Özkahraman und Vincenzo Parrinello, obgleich zwei Leistungsträger der Meistersaison, hat er aussortiert. Grgic im Tor, Malamidis in der Verteidigung, Ricciardi und Pranjic auf den Sechserpositionen, Berger als Spielmacher, der bisherige Mittelfeldmann Gümüssu nun als Spitze – das soll die Achse sein. „Insgesamt“, ist Diletto überzeugt, „haben wir eine sehr starke Mannschaft aufgestellt.“

Bleibt zu klären: stark genug für was? Was liegt drin in dieser Saison? Geht es tatsächlich allein darum, nichts mit dem Abstieg zu tun haben zu wollen, wie es Diletto und der Abteilungsleiter Michael Alber einträchtig erklären?

Lehren aus der Vergangenheit

Dabei ist wohl auch eine Prise zweckmäßiger Tiefstapelei. Die Erfahrung aus vergangenen Zeiten, als Calcio-Verantwortliche ihre Visionen lautstark unters Fußballvolk trompeten und am Ende Hohn ernteten, hat klüger gemacht. Auch ergibt sich fürs Erste ein Problem: Bis zum vergangenen Wochenende weilte das halbe Team noch im Urlaub. Es ist folglich davon auszugehen, dass der Liganeuling Anlaufzeit brauchen wird, bis er auf die von ihm erhofften Touren kommt. Ricciardi veranschlagt vier bis fünf Wochen.

Danach? Mal schauen. „Sollten wir dann vorzeitig auf der sicheren Seite sein, können wir immer noch neu kalkulieren“, sagt Diletto. Vielleicht ja zur Saisonhalbzeit. Spanien, Cambrils, böte sich womöglich für eine Zwischenbilanz an. In der Sonne, am Meer und unter Palmen.

Der Kader von Calcio Leinfelden-Echterdingen in der Übersicht

Aufrufe: 013.8.2016, 17:00 Uhr
Filder Zeitung / Franz StettmerAutor