2024-05-17T14:19:24.476Z

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Olympiasieger Willi Holdorf als Fußballer der SG Ober-Erlenbach. Repro: jf
Olympiasieger Willi Holdorf als Fußballer der SG Ober-Erlenbach. Repro: jf

Olympiasieger stürmte für die SGO

NACHRUF: +++ Willi Holdorf, erster deutscher Olympiasieger im Zehnkampf, war nach seinem Erfolg vier Jahre lang Rechtsaußen in Ober-Erlenbach +++

HOCHTAUNUS . Willi Holdorf ist tot : Die Nachricht über den ersten deutschen Olympiasieger im Zehnkampf, der am vergangenen Sonntag im Alter von 80 Jahren in Achterwehr gestorben ist, löste auch im Bad Homburger Stadtteil Ober-Erlenbach große Trauer aus.

Was nur noch wenige wissen: Holdorf hat von 1965 bis 1969 bei der SG Ober-Erlenbach Fußball gespielt und ist in dieser Zeit als schneller Rechtsaußen von allen Abwehrreihen im Bezirk Frankfurt gefürchtet gewesen.

„Der Ball war nicht unbedingt sein Freund, aber das war schon eine richtige Kante“, erinnert sich sein damaliger Mitspieler Erich Bruckner noch gut an den sympathischen Sportsmann und „unkomplizierten Typen“ aus Norddeutschland, der über den damaligen SGO-Vorsitzenden Karl Seeger den Weg zu den Grün-Weißen gefunden hatte.

Sportjournalist Seeger ist der Verfasser des Buches „Der König der Athleten“, mit dem der spektakuläre Olympiasieg Holdorfs 1964 in Rom gewürdigt wurde. Erschienen ist es 1965 mit einem Umfang von 255 Seiten und mit 86 Schwarz-Weiß-Fotos im Offenbacher Bintz-Verlag.

1964 hatte man als Olympiasieger zwar weltweit Ruhm erworben, als Amateursportler jedoch finanziell keinesfalls ausgesorgt. Dank der guten Kontakte zu Seeger ergab es sich, dass Willi Holdorf nach der Proklamation zu Deutschlands „Sportler des Jahres“ in Baden-Baden einen Job als Verkaufsberater beim Bauunternehmer Werner Freitag erhielt. Der errichtete gerade in Ober-Erlenbach eine noch heute bestehende Siedlung.

Dieser Deal wurde zu einer Win-Win-Win-Konstellation für alle Beteiligten, denn Freitag profitierte vom Ruhm des Goldmedaillengewinners, Leichtathlet Holdorf selbst verdiente durch seine Provisionen gutes Geld und Karl Seeger hatte für seine Fußballmannschaft einen spektakulären Neuzugang.

Vier Jahre lang dauerte diese für alle Beteiligten erfolgreiche Beziehung und Bruckner (nach wie vor bei den Herren 60 des TC Bad Homburg in der Tennis-Hessenliga im Einsatz) wohnte „Im Hasenpfad“ nur einen Steinwurf entfernt vom prominenten Mitspieler.

Willi Holdorf ist – übrigens ebenso wie Weltmeister Fritz Walter vom 1. FC Kaiserslautern – Ehrenmitglied der SG Ober-Erlenbach und hat sogar in der Fußball-Bundesliga seine Spuren hinterlassen. In der Saison 1973/74 war er nämlich drei Monate Trainer bei Fortuna Köln und hat die Mannschaft in seiner Zeit vom letzten auf den vorletzten Platz geführt – ohne jedoch den Abstieg verhindern zu können.

„Mit Fortuna Köln hat der Willi vor der mit 2:4 verlorenen Bundesliga-Begegnung bei Eintracht Frankfurt in Ritters Parkhotel in Bad Homburg übernachtet und damals am Freitag und Samstag vor dem Spiel bei uns in Ober-Erlenbach zweimal trainiert“, erinnert sich Bruckner noch ganz genau an das Wiedersehen mit dem Olympiasieger im Zehnkampf.

Legendärer Abend

Der hatte während seiner Zeit bei der SGO unter anderem auch zwei Freundschaftsspiele gegen seinen Heimatverein Fortuna Glückstadt organisiert. 1966 sind die Erlenbacher in Schleswig-Holstein an der Unterelbe gewesen und 1967 kam die Fortuna zum Rückspiel in den Wingert-Sportpark. Bruckner: „Als Gastgeschenk hatten die Glückstadter ein Faß mit Matjesheringen dabei, die im Saalbau beim Ruppe-Karl mit einer Riesenportion Pellkartoffeln gemeinsam verspeist wurden.“ Respekt hat Bruckner an jenem legendären Abend vor 53 Jahren auch der knapp zwei Meter lange Libero der Fortuna eingeflößt: „Apfelwein kannte der bis dahin noch garnicht und hat 32 Äppler pur abgepumpt.“



Aufrufe: 015.7.2020, 08:00 Uhr
Gerhard Strohmann (Usinger Anzeiger)Autor