2024-04-16T09:15:35.043Z

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Benedikt ÖllingerSchiedsrichter-Lehrwart
Benedikt ÖllingerSchiedsrichter-Lehrwart – Foto: mm

Öllinger: „Schon in der G-Jugend nehmen die Eltern Einfluss“

SR-Lehrwart über den Druck auf Unparteiische

Schiedsrichter-Lehrwart Benedikt Öllinger spricht im Interview über Regeln, überehrgeizige Väter und Fingerspitzengefühl

Landkreis Benedikt Öllinger (33) ist Lehrwart der Schiedsrichter-Gruppe München Süd. Der 33-Jährige hat im Herrenbereich bis zur Regionalliga und beim Nachwuchs in der A-Junioren-Bundesliga gepfiffen.

Kann man bei den Jüngsten bei einem Regelverstoß auch mal ein Auge zudrücken?

Es gibt die Regeln und das Fingerspitzengefühl, wobei es bei gewissen Sachen kein Fingerspitzengefühl geben kann. Bei persönlichen Strafen hat man die Möglichkeit zu variieren. Wenn man aber bei einem Regelverstoß die Augen zudrückt, schießt man ein Eigentor. Die Spieler und die Eltern wollen Regeln, weil sie sich daran orientieren können. Die Schiedsrichter würden es vielleicht sogar anders entscheiden. Ein Beispiel: Es gibt indirekten Freistoß, du hast als Schiedsrichter vergessen, die Hand zu heben, um das anzuzeigen und einer schießt das Freistoßtor seines Lebens, dann kann man vielleicht schon darüber hinwegsehen.

Wie ist es mit der Strenge bei der Ahndung von Fouls?

Zunächst haben wir bei den Acht-, Neunjährigen keine Schiedsrichter. Das klappt eigentlich ganz gut, auch bei den Elf-, Zwölfjährigen würden es die Spieler noch selber regeln. Das Problem ist, wenn die Eltern oder Trainer eingreifen. Wenn man streng pfeift, wissen die Spieler, auch die Gefoulten, oft gar nicht, was gepfiffen wurde. Ich habe ein paar Jahre A-Jugend-Bundesliga gepfiffen, da wollen die Spieler, dass das Spiel läuft, auch die Gefoulten sind dann genervt, wenn sie in Ballbesitz geblieben sind.

Ist es grundsätzlich leichter ein Erwachsenen- oder ein Jugendspiel zu pfeifen?

Ich als Schiedsrichter mit meiner Erfahrung aus den höheren Klassen hätte kein Problem, ein Jugendspiel zu pfeifen. Aber im Juniorenbereich pfeifen viele unerfahrene Schiedsrichter. Das ist schon schwierig, wenn drei, vier Eltern reinrufen. Ich mache diese Erfahrung, wenn ich mal ein Herren-Kreisligaspiel pfeife: Hier kriegst du die einzelnen Zurufe viel mehr mit, als bei einem Spiel mit ein paar hundert oder sogar tausend Zuschauern, wo du das Äußere ausblendest.

Welchen Einfluss üben denn Eltern und Trainer aus?

Es beginnt schon in der G-Jugend, bei den Sechs- bis Siebenjährigen: Sobald es gefühlt um etwas geht, nehmen die Eltern Einfluss. Sie laufen sogar auf den Platz, zum Beispiel, wenn das Kind weint, weil sie glauben, der Schiedsrichter kann das alleine nicht regeln. Vielleicht ist das auch der natürliche Instinkt, das eigene Kind zu verteidigen und zu schützen. Es gibt aber auch die, die sagen: Mein Kind ist das beste. Bei den Trainern haben manche pädagogische Vorteile. Wir haben aber auch viele Väter bei den Trainern, die ein bisschen geblendet sind.

Haben Sie das Gefühl, dass sich die Kinder beim Reklamieren Verhaltensmuster der Profis abschauen?

Definitiv schauen sich die Kinder bei den Profis was ab. Das fängt bei den Schuhen an über den Ronaldo-Torjubel bis zum Reklamieren, zum Beispiel dem Abwinken. Das erfinden die Kinder ja nicht selber.

Der Nachwuchs könnte sich ja auch ein Beispiel an besonnenem Verhalten nehmen. Schlagen diesbezügliche Regeländerungen denn nicht durch?

Doch, im Herrenbereich ist das richtig gut gelungen. Aber als Vorbild? Das ist ja nicht ereignisreich, wenn niemand reklamiert. Das ist dann im Jugendbereich eher eine Aufgabe der Trainer, das weiterzugeben. Und wenn du als Schiedsrichter in einem Spiel zehn gelbe Karten verteilst, weil sich zum Beispiel Spieler vor den Ball stellen, wofür du sowieso erst einmal das Selbstvertrauen brauchst, dann heißt es, du hast das Spiel nicht im Griff gehabt.

Gibt es bestimmte Altersklassen, in denen es besonders schwierig ist?

Ja, die B- und A-Jugend. Da sind 15-, 16-Jährige, die sich gerade selber finden. Die treffen dann auf einen Schiedsrichter, der selbst in der Pubertät ist. Wobei je höher die Spielklasse, desto disziplinierter sind die Spieler. Aber wenn du zum Beispiel zu einem Verein kommst, der sozial schwach aufgestellt ist, hast du schon zu kämpfen. Und bei solchen Spielen sind ja nicht die hochklassigen Schiedsrichter, auch wenn das vielleicht nötig wäre.

Es gilt also die Schiedsrichter zu stärken?

Mit 14 Jahren kann man als Schiedsrichter anfangen. Bei den ersten drei Spielen haben die Neulinge immer einen Paten dabei, der notfalls auch eingreifen könnte. Das gibt viel mehr Selbstvertrauen. Denn am Anfang ist man als Schiedsrichter ja immer allein.

Das Gespräch führte
Umberto Savignano.

Aufrufe: 02.8.2020, 16:29 Uhr
Münchner Merkur (Süd) / Umberto SavignanoAutor