2024-04-16T09:15:35.043Z

EM2016
Ganz so ausgelassen wie die deutschen Fans während der WM im eigenen Land vor zehn Jahren ist die Stimmung in Paris noch nicht. Archivbild: Kay Nietfeld/dpa.
Ganz so ausgelassen wie die deutschen Fans während der WM im eigenen Land vor zehn Jahren ist die Stimmung in Paris noch nicht. Archivbild: Kay Nietfeld/dpa.

Noch kein Fußballfest

EURO 2016 +++ FuPa-Reporter vor Ort in Paris +++ Viel Blaulicht, wenig EM-Stimmung +++ Fans hoffen auf ein friedliches Topspiel

Deutschland gegen Polen steht heute Abend auf dem Plan der Europameisterschaft in Frankreich. Es ist das vermeintliche Topspiel der Gruppe C. Seit Beginn der Woche weilen unsere FuPa-Mitarbeiter Nils Salecker und Yannick Wenig im DFB-Fancamp an der Pariser Seine. Die Vorfreude auf die Partie am Abend ist riesig. Und dennoch sind sie von der Atmosphäre in Paris ein wenig enttäuscht.

Scharen farbenfroher Fangruppen flanieren durch die Gassen, Gesänge schallen durch die Straßen. Man neckt sich, man zieht sich gegenseitig auf. Die Nationen scharen sich zusammen, trinken gemeinsam und feiern miteinander. Alles so, wie es eigentlich sein sollte.

Noch kein richtiges EM-Gefühl

Doch unter dem Strich: Das Feeling, die große Freude, es fehlt irgendwie. Zu sagen, die Stadt sei im EM-Rausch wäre schlichtweg gelogen. Diese scheinbare Tristesse auf den Sicherheitsaspekt abzuwälzen erscheint vermessen. Und trotzdem ist das Thema omnipräsent.

Überall Blaulicht

Zunächst etwas ungewohnt, werden Martinshorn und Blaulicht zu ständigen Begleitern, während die Fans beim allseits beliebten Sightseeing die Stadt erkunden. Dutzende Polizisten patroullieren gerade an symbolträchtigen Bauten wie der Nationalversammlung, dem Louvre oder der Basilika Sacré-Coeur. Vor allem der Anblick von schwerstbewaffneten Soldaten vor den großen Touristenattraktionen ist einschüchternd. Ein zwiespältiges Gefühl: Einerseits ist eine konkrete Bedrohung nicht greifbar. Auch vom Polizistenmord im Pariser Vorort Magnanville erfuhren die EM-Touristen lediglich über die Nachrichten. Andererseits werden einem durch die Anwesenheit der Sicherheitskräfte die Geschehnisse des vergangenen Novembers durchgehend in Erinnerung gerufen. Die Situation wirkt irgendwie surreal. Das grummelige, ungute Gefühl – das bestätigen auch viele der 1400 Deutschlandfans im Camp – ist allgegenwärtig.

Franzosen und Deutsche halten sich bedeckt

Diese Umstände ausgeblendet, fällt darüber hinaus die Euphorie in den verschiedenen Fanlagern scheinbar nicht gerade überschwänglich aus. Ziemlich überraschend werden beispielsweise Trikots der gastgebenden „Equipe tricolore“ so gut wie gar nicht zur Schau getragen. Zum anderen halten sich auch die deutschen Anhänger in der Stadt bis dato relativ bedeckt, gehen zumindest nicht in Fankleidung durch die Straßen. Hält man sich nicht gerade rund um die Fanzone am Eiffelturm auf, verläuft sich der Freudentaumel unterdessen in den Weiten der Zwölf-Millionen-Metropole. Wie ein gelungenes Fußballfest allerdings aussehen kann, haben Iren und Schweden, die am Montagabend im Stade de France aufeinander trafen, bereits vorgemacht. Die Farben grün und gelb dominieren seither das Stadtzentrum rund um die Champs-Elysée. Vereinzelt tauchen, gerade im Rahmen der Spieltage, hier mal ein paar singende Schweizer Eidgenossen im Straßencafé auf und da inmitten des chaotischen Stadtverkehrs eine Riege vor dem Arc de Triomphe posierender Waliser. Ebenfalls unsere polnischen Nachbarn zeigen sich bislang wesentlich präsenter als die Deutschen im Straßenbild.

Alle hoffen auf ein friedvolles Topspiel

Angesichts der als Hochrisikospiel eingestuften Partie heute Abend zwischen den langjährigen Rivalen, herrscht sowohl im polnischen als auch im deutschen Lager Ungewissheit. Der Kanon der rot-weißen Anhängerschar: Mit einem Punkt wären sie höchst zufrieden. Und viel wichtiger, betont ein älterer Fan: Sie wünschen sich einen friedlichen Fußball-Abend. Auf diesen sowie auf drei Punkte hoffen auch die DFB-Camper an der Seine. Ein torreiches und friedvolles Topspiel könnte dann nun endlich den ersehnten Funken zur EM-Euphorie überspringen lassen.

Aufrufe: 016.6.2016, 16:00 Uhr
Nils Salecker und Yannick WenigAutor