2024-04-29T14:34:45.518Z

Allgemeines
– Foto: Thies Meyer

Nach Abbruch in die »heiße Phase«

HFV: +++ Stefan Heck gibt Einblicke in seine Arbeit bei der Passstelle des Hessischen Fußball-Verbands in der Corona-Zeit +++

Wetzlar/Frankfurt. Sommerzeit ist Transferzeit. Das ist auch in diesem Jahr nicht anders und doch steht die aktuelle Wechselperiode durch die Corona-Pandemie unter besonderen Vorzeichen. Der Hessische Fußball-Verband (HFV) hat lange mit sich gerungen, bis die Saison am 20. Juni endgültig offiziell abgebrochen wurde (siehe Infokasten Chronologie auf dieser Seite). In puncto Planungssicherheit mussten die Vereine also bis kurz vor dem Ende der Wechselfrist am 30. Juni warten, ehe sie wussten, in welcher Liga sie in der neuen Saison spielen werden und bis sie den Kader dementsprechend gestalten konnten.

Die Spielerpässe mit Anträgen für Abmeldungen und Vereinswechsel laufen bei Stefan Heck, dem Abteilungsleiter der HFV-Passstelle, zusammen. Im Interview spricht Heck darüber, wie sich seine Arbeit durch die Corona-Pandemie verändert hat, wie er die Entscheidung des Saison-Abbruchs beurteilt und wie es um die Digitalisierung beim HFV bestellt ist.

Herr Heck, geben Sie uns doch bitte einen Einblick in ihre Arbeit: Wie sahen die Arbeitsabläufe auf der Passstelle des Hessischen Fußball-Verbandes in den vergangenen Spielzeiten zum Ende der Wechselfrist aus?

Am Ende jeder Spielzeit steht eine Vielzahl von Vereinswechseln an, die wir für unsere Vereine umsetzen. Daher haben wir von Anfang Juni bis Mitte September einen erheblichen Mehraufwand. Um diesen zu bewerkstelligen, sind die hauptamtlichen Mitarbeiter der Passstelle in diesem Zeitraum, der intern „heiße Phase“ genannt wird, telefonisch nur zwei Stunden am Tag erreichbar. Im Zeitraum der übrigen Arbeitsstunden haben wir für unsere Vereine eine Hotline geschaltet.

Wie haben sich diese Abläufe durch die Spielunterbrechung und den letztendlichen Saison-Abbruch verändert?

Durch die maßgeblichen Entscheidungen des außerordentlichen Verbandstags konnten die überwiegende Zahl an Spielrechtsanträgen erst ab dem 22. Juni bearbeitet werden, was unsere Arbeit noch mehr verdichtet hat. Seit Anfang Juli sind wir in unserer Bearbeitung der Anträge wieder tagesaktuell. Grundsätzlich arbeiten wir derzeit hauptsächlich von zu Hause aus.

Kommen die Abmeldeanträge der Vereine nun früher oder lassen sich die Clubs bis zur letzten Minute mit ihren Transfers Zeit, und gibt es mehr Bewegung auf dem Transfermarkt als in den zurückliegenden Jahren?

In diesen Fällen ist kein Unterschied zu erkennen. Die der Wechselperiode vorgelagerte Frist zur Abmeldung (bis zum 30. Juni) gibt hier den Takt vor. Bei der Beantragung via Antragstellung Online wird zumeist der Wechselantrag zusammen mit der Abmeldung digital im Juni vorgenommen.

Inwieweit hat die Corona-Pandemie die Digitalisierung auf der Passstelle beeinflusst?

Glücklicherweise waren wir schon vorher im technischen Bereich gut aufgestellt. Das mobile Arbeiten gibt es bei uns schon eine längere Zeit und über 90 Prozent der möglichen Anträge werden im Onlineverfahren gestellt. Demnach haben sich vor allem die teaminternen Absprachen verändert und in Richtung Telefon und Videokonferenzen verlagert.

Der HFV hat nach der Spielpause auf einer Videokonferenz Anfang April reagiert und die Wechselregelungen modifiziert. So wurde beispielsweise der Grundsatz, dass ein Spieljahr stets vom 1. Juli bis zum 30. Juni eines Jahres läuft, für die nächsten 15 Monate aufgehoben, und die Sechs-Monats-Frist wurde an die Aussetzung des Spielbetriebs angepasst. Waren dies aus Ihrer Sicht sinnvolle Maßnahmen?

Diese Entscheidungen werden von unseren zuständigen Gremien getroffen, um für unsere Vereine das Bestmögliche aus dieser Situation zu machen. Den Rahmen hierfür gibt der Deutsche Fußball-Bund (DFB) allgemeinverbindlich vor, sodass der HFV nur Ausgestaltungsmöglichkeiten hat. Diese wurden beispielsweise hinsichtlich der Sechs-Monats-Regel genutzt, um den ausbildenden Vereinen trotz der Corona bedingten Aussetzung des Spielbetriebs eine Möglichkeit zu bieten, eine Entschädigung zu erhalten. Dies ist dem HFV wichtig. Die hauptamtlichen Mitarbeiter unterstützen die Gremien.

Gab es Überlegungen, auch die Wechselfrist I zu verändern und damit an die bestehenden Gegebenheiten anzupassen?

Diesbezüglich hat der DFB aktuell eine Anpassung für den Vertrags- und Lizenzspielerbereich beschlossen. Notwendig wurde dies durch die noch im August stattfindenden internationalen Wettbewerbe. Zudem nutzen die Verbände, die den Meisterschaftsspielbetrieb fortsetzen, die Öffnungsmöglichkeiten.

Der Saison-Abbruch wurde beim virtuellen HFV-Verbandstag am 20. Juni beschlossen. Wie bewerten Sie diese Entscheidung?

Die deutlichen Mehrheiten haben gezeigt, welchen Weg unsere Vereins- und Verbandsvertreter einschlagen wollten. Die nötigen Entscheidungen wurden mit Bedacht und unter Einbeziehung der Vereine getroffen.

Dennoch wurde der Spielbetrieb nicht in Gänze abgebrochen. Die Kreispokale und auch der Hessenpokal sollen noch zu Ende gespielt werden. Welche Auswirkungen hat diese Entscheidung auf die Wechselperiode? Was passiert mit einem Spieler, der zum 1. Juli den Verein wechselt, aber noch für seinen ehemaligen Verein im Kreispokal aktiv sein könnte?

Die Wechselperiode findet ganz normal statt und mit der Abmeldung zum 30. Juni endet das Spielrecht für den alten Verein. Für diese Wettbewerbe ist es ähnlich wie im Winter. Da gibt es auch eine Wechseloption im Laufe der Wettbewerbe. Wichtig ist es, den Spielern zu ermöglichen, zwischen den beiden Spielzeiten wechseln zu können.

Als einzige Fußballverbände in Deutschland haben sich Thüringen und Bayern gegen einen Saison-Abbruch entschieden, wollen die Saison – wenn es die behördlichen Vorgaben zulassen – Anfang September fortsetzen. Wie sieht nun der Vorgang aus, wenn ein Spieler aus einem dieser beiden Bundesländer, beispielsweise wegen eines Studiums, zu einem Verein in Hessen wechseln will? Ist dies überhaupt möglich?

Ja, es gelten die Wechselbestimmungen des aufnehmenden Landesverbandes. Bis Ende August können die Amateure aus einem anderen Landesverband die Vereinswechselanträge für den Wechsel nach Hessen stellen.

Die coronabedingte Ausnahmesituation stellte alle Beteiligten im HFV vor große Herausforderungen. Immer wieder äußerten Vereinsverantwortliche Unverständnis für getroffene Entscheidungen des HFV, beispielsweise in puncto Aufstiegsrunde und Relegation. Gleichzeitig gab es auch viel Verständnis die schwierige Arbeit des Verbandes in dieser Lage. Welche Lehren ziehen Sie aus dieser Zeit?

Entscheidend ist, dass wir alle zusammen bislang diese Zeit gut gemeistert haben. Für die Zukunft kann sicherlich hinsichtlich aus der praktizierten Digitalisierung positives gezogen werden. Digitale Konferenzen und Online-Seminare können eine sinnvolle Ergänzung sein.

Ein Blick in die Zukunft: Vor welchen Aufgaben stehen Sie und die HFV-Passstelle in den kommenden Wochen?

Die nächsten Wochen werden wie jeder Sommer sehr arbeitsintensiv. Innerhalb von drei Monaten werden in der Regel über 40 000 Spielerpässe erstellt und verschickt. Hinzukommen mehr als 15 000 zu bearbeitende oder zu sendende E-Mails und unzählige Telefonate. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit den Vereinen.

Das Interview führte Tim Georg.



Chronologie

12- März: Der Hessische Fußball-Verband (HFV) informiert in einer Pressemitteilung, dass der Spielbetrieb „aufgrund der aktuellen Infektionsgefahr mit dem Corona-Virus ... vorerst bis einschließlich Karfreitag, den 10. April 2020“ ruhen wird.

4. April: Der HFV verlängert auf einer virtuellen Vorstandssitzung die Spielpause. „Bis auf Weiteres“ wird diese andauern. Von einem Saison-Abbruch ist dagegen (noch) keine Rede.

3. Mai: Die Rufe nach einem Saison-Abbruch werden lauter. Auf einer weiteren Videokonferenz beschließen die HFV-Verantwortlichen diesen aber noch nicht. Es sollen die behördlichen Entscheidungen bezüglich möglicher Lockerungen abgewartet werden. Zudem wird ein Sieben-Punkte-Plan vorgestellt, der unter anderem vorsieht, ein Stimmungsbild für die Szenarien bei den hessischen Vereinen einzuholen.

16. Mai: Der historische Tag für den Fußball in Hessen ist da. Die HFV-Verantwortlichen entscheiden, dass die Saison 2019/2020 abgebrochen wird. Das zuvor eingeholte Stimmungsbild war eindeutig. Es wird beschlossen, dass es keine Absteiger geben wird, und der nach der Quotientenregel Tabellenerste aufsteigt. Die Entscheidung, was mit den Teilnehmern der Aufstiegsspiele und Relegationsrunden passiert, wird vertagt. Dieser Beschluss muss auf dem außerordentlichen virtuellen Verbandstag im Juni noch formaljuristisch bestätigt werden.

20. Juni: Der Abbruch wird auf dem HFV-Verbandstag bestätigt. Für die Releganten wird ebenfalls die Quotientenregel angewandt. Endlich haben die Clubs Planungssicherheit, wissen, in welcher Liga sie in der neuen Saison spielen werden und können ihren Kader dementsprechend planen. (tig)

Aufrufe: 012.7.2020, 15:07 Uhr
WNZAutor