2024-05-08T14:46:11.570Z

Im Nachfassen
F: Pfeifer
F: Pfeifer

"Milchbärte an die Macht? Nein danke!"

Gastbeitrag von Joseph Weisbrod, dem 2. Vorsitzenden des ASC Neuenheim

Schon seit der Antike gilt: Errare humanum est. Irren ist menschlich! Von der Bundesliga bis in die Kreisliga passiert es immer wieder – so auch am Wochenende.

Beide Sonntagsspiele wurden durch kapitale Fehler gestandener Bundesliga-Schiedsrichter entschieden: Das 1:0 für Stuttgart durch ein irreguläres Tor von Daniel Didavi, bei dem gleich drei VfB-Spieler im Abseits standen. Geradezu hanebüchen das Skandaltor des Tages für Hannover 96 in Köln, bei dem über 40.000 im Stadion sahen, was ein vierköpfiges Schiedsrichterteam ohne Designerbrille des FC-Trainers Stöger glatt übersah: Ein lupenreines Handtor von Leon Andreasen. Fast zur selben Zeit wehrte im nordbadischen Rot ein Kreisliga-Torwart einen Schuss auf sein sperrangelweit geöffnetes Scheunentor fünf Meter vor dem Strafraum mit beiden Händen ab und verhinderte ein sicheres Tor für den ASC. Rot für den Roter Torwart wäre die einzig regelkonforme Entscheidung gewesen. Der Schiedsrichter beließ es bei der gelben Karte.

Gerd Mühlbauer, Trainer des TSV Pfaffengrund, hat recht: Man sollte "Fehler von jungen Schiedsrichtern ebenso tolerieren wie den Riesenbock eines A-Jugendspielers." Doch es geht um mehr: Um den Schutz eines 15-jährigen Schiedsrichters, der noch deutlich unter dem A-Jugendalter liegt. Als die RNZ-Sportredaktion mich am Sonntag abend nach dem Spiel des ASC Neuenheim gegen den VfB Eberbach um das Einverständnis bat, den Namen des 15-jährigen Schiedsrichters aus dem Spielbericht zu streichen, stimmte ich zu. Der Schutz des mutmaßlich hochtalentierten Schiedsrichters kann aber nicht mit dem Verschweigen des Namens beginnen.

Schiri-Führerschein ab 18 für Männerligen

Dieser notwendige Schutz beginnt bei der Schiedsrichterausbildung und –Einsatzplanung! Ohne anderen Vereinen im Fußballkreis nahe treten zu wollen: Hätte der sehr jugendliche Schiedsrichter, der sich auf seine älteren Assistenten an der Linie verlassen musste, diese spielentscheidenden Fehler (zwei ASC-Treffer, ein verwehrter Foulelmeter) nicht vor dem ebenso überschaubaren wie gelassenen Neuenheimer Anhang gemacht, sondern z. B. in (Pünktchen, Pünktchen, Pünktchen). Für den Nachwuchsmann wäre es wohl ein Spießrutenlauf in die Kabine geworden, der ihm die Lust an einer Schiri-Laufbahn vielleicht gründlich verdorben hätte.

Wenn der Heidelberger Ober-Schiedsrichter Hans-Dieter Krieg argumentiert, man möchte die "jungen Leute möglichst früh in die Verantwortung nehmen", ist das gut und schön. Richtiger wäre es, die jungen Schiedsrichter durch umsichtiges Coaching in Schutz zu nehmen und sie Schritt für Schritt für die raue Männerfußballwelt zu qualifizieren. Das von Herrn Krieg ins Feld geführte Beispiel des 17-jährigen Michael Kempter, dessen kometenhafter Aufstieg nach der tragischen Amerell-Affäre jäh zu Ende ging, ist erstens die im Nachhinein durchaus fragwürdige Ausnahme von der Regel. Und zweitens ist ein 17-Jähriger immerhin zwei wichtige Jahre reifer, in sich gefestigter und damit psychisch belastbarer als ein 15-Jähriger, noch so pfeifbegabter Grünschnabel.

Daher mein Vorschlag: Machen wir es doch wie mit dem Führerschein. Da dürfen junge Menschen aus guten Gründen auch erst mit 18 Jahren ohne Erwachsenen am Straßenverkehr teilnehmen. Warum gilt das nicht auch für den Kreisliga-Verkehr? Wie beim begleiteten Fahren könnte man ja einen Siebzehnjährigen als Linienrichter in Kreisligapartien einsetzen und nach einer Probezeit ab 18 Jahren ans Steuer setzen bzw. mit der Spielleitung beauftragen. Bei frühreifen Talenten mit stabilem Selbstwertgefühl wäre eine vorzeitige Sondererlaubnis für die Teilnahme am Seniorenspielbetrieb zu erwägen.

Wenig hilfreich für die "Milchbärte"-Debatte ist jedenfalls das verständnislose Pauschalurteil des sehr honorigen, sehr ehemaligen Bundesliga-Schiedsrichters Kurt Witke, dass die Vereine sich ihre Schiedsrichter "am besten selbst so backen, damit sie ihre Spiele immer gewinnen"! Diese abschätzige Äußerung weise ich auch zur Ehrenrettung anderer seriöser Vereinsschreiber entschieden zurück. Gerade der ASC Neuenheim gehört nachweislich (siehe Spielberichte auf fupa.net) zu den Vereinen, die Schiedsrichter-Leistungen auch dann positiv würdigen, wenn die eigene Mannschaft verloren hat.

Ich bleibe jedenfalls bei meiner abschließenden Aussage im erwähnten Spielbericht: "Ob man einem unerfahrenen Fünfzehnjährigen einen Gefallen erweist, wenn man ihm die Leitung eines Männer-Kreiisligaspiels anvertraut, sollten die Verantwortlichen grundsätzlich prüfen!"

Aufrufe: 023.10.2015, 12:00 Uhr
Joseph WeisbrodAutor