2024-04-24T13:20:38.835Z

FuPa Portrait
Nach Auflösung seines Vertrages nutzte Miguel Alvarez die letzten Tage in Ägypten, um die Pyramiden von Gizeh zu besuchen.
Nach Auflösung seines Vertrages nutzte Miguel Alvarez die letzten Tage in Ägypten, um die Pyramiden von Gizeh zu besuchen. – Foto: privat

Miguel Alvarez: Über Versmold nach Kairo und zurück

Die illustre Trainerkarriere vom 37-Jährigen ist um eine Station reicher. Obwohl das Engagement des ehemaligen Altkreiskickers in Ägypten nur kurz war, hat es ihn einem Lebensziel nähergebracht.

Zum Abschied kam eine kulinarische Spezialität aus der Heimat auf den Grill. „Die Bratwurst aus Loxten haben meine Eltern mit nach Spanien gebracht. Ich habe sie extra für einen besonderen Anlass eingefroren“, erzählt Miguel Alvarez und lacht.

Es war ein Anruf mit unbekannter Nummer, der diesem besonderen Anlass vorausgegangen war. Die Coronakrise und der Saisonabbruch hatten Miguel Alvarez im Frühjahr um einen Co-Trainerjob in der zweiten spanischen Liga gebracht. Der 37-Jährige steckte mitten in der Ausbildung zum Fußballlehrer, als sich eines Morgens ein Berater mit einem Jobangebot auf seinem Handy meldete: Wadi Degla FC, ein Erstligist aus der ägyptischen Hauptstadt Kairo, sei auf der Suche nach einem Co-Trainer.
Dem Club stand ein Mammutprogramm bevor, nachdem die Verbandsoberen beschlossen hatten, die komplette Rückrunde innerhalb weniger Wochen nachzuholen. „Im ersten Moment hat mich das wenig gereizt“, gibt Miguel Alvarez zu. Doch spätestens, als am Nachmittag Wadi Deglas Chefcoach Nikodimos Papavasiliou, ein Zypriote, persönlich um seine Dienste gebuhlt und er eine Nacht darüber geschlafen hatte, hatte den Weltenbummler in Sachen Fußball das Reisefieber wieder übermannt. „Eine neue Erfahrung kann nicht schaden“, habe er sich schließlich gedacht – und die Koffer gepackt.


„Die Menschen in Ägypten sind fanatische Fußballfans“

Nach einem kurzen Zwischenstopp bei den Eltern in Versmold traf Miguel Alvarez wenige Tage später im Land der Pharaonen ein. Was er dort in Sachen Begeisterung erlebte, übertraf alles, was er bei seinen bisherigen Stationen in Spanien, Dubai, Saudi-Arabien, auf den Malediven oder in den USA erlebt hatte. „Die Menschen in Ägypten sind fanatische Fußballfans“, berichtet Alvarez. Im Fernsehen und in Sozialen Netzwerken wurde über seine Verpflichtung berichtet, es dauerte nicht lange, bis er in der 25-Millionen-Metropole auf der Straße erkannt wurde. „Einmal hat mich mitten im Training an der Eckfahne ein Fan gefragt, ob ich ihm nicht auch mal Trainerstunden geben könne“, erinnert sich Alvarez schmunzelnd.
Auch sportlich zahlte sich seine Arbeit aus. Als Abstiegskandidat in die Rückrunde gestartet, kämpfte sich Wadi Degla nicht zuletzt dank der Analysen von Taktikfuchs Alvarez mit drei Siegen und drei Unentschieden aus dem Tabellenkeller. „Vor allem die Geisterspiele im riesigen Nationalstadion von Kairo waren beeindruckend“, blickt er zurück.

Gleichzeitig erkannte Miguel Alvarez aber auch, dass hinter den Kulissen des ägyptischen Fußball längst nicht alles rund läuft. „Die Organisation ist in vielen Bereichen amateurhaft“, resümiert er. Viele Spielstätten seien heruntergekommen und renovierungsbedürftig, und obwohl die meisten Vereine schwerreichen Besitzern gehören, fließe das Geld gerade in der Krise nicht immer wie vereinbart.

Nach nur zwei Monaten wurde dem Vater zweier Töchter das Wagnis schließlich zu groß. Alvarez, der in der Jugend unter anderem für die Spvg. Versmold und als Senior für den SV Häger kickte, stieg aus seinem Vertrag aus und kehrte nach Spanien zurück. Seitdem genießt er die Zeit mit der Familie – und wartet auf ein neues Jobangebot. „Irgendwas wird schon kommen“, sagt er. Seine Gelassenheit hat vor allem damit zu tun, dass sich die Clubs in Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten derzeit für die neue Spielzeit aufstellen.


„Saudi-Arabien und die Emirate sind meine fußballerische Heimat“

„Auch wenn ich in Versmold aufgewachsen bin – diese Länder sind meine fußballerische Heimat. Dort schätzt man meine Arbeit und ich fühle mich glücklich. Deshalb möchte ich bald auch wieder dort arbeiten“, sagt Miguel Alvarez. Ins Wanken könnte sein Plan allerdings geraten, wenn sich ein Verein aus Australien bei ihm meldet. „Nach Europa, Asien, Amerika und Afrika wäre das mein fünfter Kontinent als Trainer. Vielleicht komme ich dann ins Guinnessbuch der Rekorde“, flachst Miguel Alvarez. Es wäre der passende Anlass, um mal wieder ein paar leckere Bratwürste aus Loxten auf den Grill zu legen.

Von den Erlebnissen des Versmolder Weltenbummlers - ob auf den Malediven oder in Saudi-Arabien - hatten wir bereits in der Vergangenheit berichtet.

Aufrufe: 018.10.2020, 10:00 Uhr
Christian Helmig / FuPaAutor