2024-05-02T16:12:49.858Z

Allgemeines
– Foto: dpa alliance

Mädchen vom Dorf feiert große Erfolge

144-fache deutsche Fußball-Nationalspielerin Doris Fitschen ist auch als Frankfurterin ihrer Heimat noch immer treu verbunden

Osenhorst/Frankfurt. Mit 17 Jahren feierte Doris Fitschen als Spielerin des Landesligisten TuS Westerholz ihr Debüt in der Frauenfußball-Nationalmannschaft. Danach startete die gebürtige Zevenerin in der Bundesliga durch und war auch für viele Nachwuchskickerinnen in Bremerhaven und im Landkreis Cuxhaven ein Vorbild. Nach dem Gewinn ihrer vierten Europameisterschaft und 144 Spielen im Nationaltrikot beendete sie 2001 ihre aktive Karriere. Danach arbeitete sie beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) im Marketing, wurde 2009 zur ersten Managerin der Frauen-Nationalelf befördert, von der sie sich 2016 mit Olympia-Gold verabschiedete. Die 52-Jährige ist seitdem wieder beim DFB in Frankfurt tätig.

„Doris wollte immer Fußball spielen und war besessen von ihrem Hobby. Dabei nutzte sie jede Gelegenheit in der Schule, spielte mit den Jungs auf dem Sportplatz oder auf dem elterlichen Bauernhof in Osenhorst mit den Lehrlingen. Doch ihre Eltern waren nicht wirklich begeistert davon“, erzählt Fritz Rathjen, der schließlich das Gespräch mit Lisa und Hinrich Fitschen suchte und diese überzeugen konnte.

Bereits im neu gegründeten Mädchen-Team des FC Hesedorf unterstrich die damals Neunjährige ihr großes Talent. „Doris bat mich, mit ihr zusätzliche Trainingseinheiten zu absolvieren. Wir trafen uns mindestens drei Mal pro Woche in Hesedorf auf dem Sportplatz“, so Rathjen.

Das Engagement Rathjens und seiner Frau Inge weiß die Nationalspielerin auch heute noch zu schätzen: „Inge und Fritz haben mich stark gefördert und in vielen Dingen unterstützt. Die haben mich zur Auswahl gefahren und waren auch häufig bei Länderspielen dabei“, sagt Doris Fitschen, die gerne zu den Lehrgängen der Bezirks- und Landesauswahl reiste.

Auswahl-Coach Harald Heining kann sich noch gut an die Offensivspielerin erinnern. „Doris besaß eine hohe Spielintelligenz, hatte ein gutes Auge für die Situation. Ich war mir sicher, dass sie ihren Weg machen würde. Jeden Montag besuchte sie uns und schenkte mir zum Geburtstag Süßigkeiten“, so der Elsdorfer.

Derbys gegen Wohnste
Beim TuS Westerholz spielte die Mittelstürmerin in der damaligen Landesliga, schrieb im Team des Rathjen-Duos bis 1988 Vereinsgeschichte, ehe der Wechsel zum VfR Eintracht Wolfsburg erfolgte. Die packenden Derbys gegen den „Intim-Feind“ MTV Wohnste entschieden im aufstrebenden Frauenfußball beider Orte oftmals über den Titel. „Die Spiele gegen Westerholz hatten Saison für Saison den gleichen Charakter. Die Truppe, die beide Spiele gewann, holte die Meisterschaft“, so Cordula Meyer vom MTV.

Zum Zünglein an der Waage wurde sehr oft die TuS-Torjägerin, die Spiele bisweilen im Alleingang entschied. „Vor dem Spiel ging es in der Besprechung immer darum, wer spielt gegen Doris. Die war eine Klasse für sich und nie völlig auszuschalten“, so Cordula Meyer, die mit ihrer guten Freundin 1988 gemeinsam in Zeven ihr Abitur machte. Zu dem Zeitpunkt hatte die Torjägerin bereits acht Spiele im Nationaltrikot absolviert, blieb zunächst jedoch dem TuS Westerholz treu. Ihr großer Förderer wurde Nationalcoach Gero Bisanz, der sie 1986 erstmals in den Kader berief. „Wir haben damals mit der Niedersachsenauswahl ein Testspiel gegen die Nationalmannschaft gemacht, da hat Gero mich entdeckt“, sagt Doris Fitschen. Das Debüt feierte die damals 17-Jährige als Mittelstürmerin gegen Dänemark und erzielte beim 2:0-Sieg ihr erstes Tor.

Das war der Beginn einer atemberaubenden Karriere mit unvergessenen Turnieren, Reisen und Momenten. Die Europameisterschaft 1989 im eigenen Land zählte unter anderem dazu. Und dort war das Halbfinale gegen Italien das erste Spiel der Frauen-Nationalmannschaft, das live im Fernsehen übertragen wurde. Der 4:1-Finalsieg im ausverkauften Osnabrücker Stadion gegen Norwegen machte die Mannschaft und Doris Fitschen bundesweit bekannt.

„Ich war mit 20 Jahren die jüngste Spielerin im Kader und wurde plötzlich in unterschiedlichste Fernsehsendungen eingeladen. Für mich war das alles unvorstellbar. Ich war bis dahin das Mädchen vom Dorf und praktisch über Nacht auf der ganz großen Bühne angekommen“, erinnert sich die 52-Jährige. Dass dann Wolfsburg sportlich und beruflich ihre neue Heimat wurde, war naheliegend. Denn nach ihrem Abitur konnte sie bei der Volkswagen AG eine Ausbildung zur Industriekauffrau und Systemanalytikerin machen und gleichzeitig mit dem VfR Eintracht Wolfsburg um die deutsche Meisterschaft spielen.

Bei vielen Meilensteinen dabei
Der Frauenfußball nahm in den 90er Jahren nach der Gründung der Bundesliga eine rasante Entwicklung. Und bei den anstehenden Highlights wie WM, EM oder Olympischen Spielen war Doris Fitschen dabei, zählte zu den herausragenden Spielerinnen und Persönlichkeiten. „Ich bin stolz, bei all diesen Meilensteinen des Frauenfußballs dabei gewesen zu sein“, sagt Doris Fitschen, die trotz eines vollgepackten Terminkalenders während ihrer aktiven Zeit auch noch ihre Fußballlehrer-Lizenz machte – in einem Crashkurs, der ursprünglich für verdiente männliche Nationalspieler geschaffen und von ihrem Förderer Gero Bisanz geleitet wurde. Neben Joachim Löw, Matthias Sammer, Stefan Kunz und Bernd Hölzenbein war als zweite Frau Bettina Wiegmann dabei.

Lehrgang mit Jogi Löw
„Am Lehrgang nahm also alles teil, was im deutschen Fußball Rang und Namen hatte. Die dann hautnah zu erleben und festzustellen, dass das ganz normale Menschen sind, die vor einem Referat oder einer Lehrprobe auch Lampenfieber haben, war eine tolle Erfahrung“, so Fitschen, die es nach dem Ende ihrer aktiven Karriere aber nicht auf die Trainerbank, sondern als Sponsoring-Managerin in die Marketingabteilung des DFB zog. 2009 wurde sie zur ersten Managerin der Frauen-Nationalmannschaft befördert und agierte bei der Frauen-WM 2011 in Deutschland zugleich als Marketing-Leiterin im Organisationskomitee.

Der Abschied als Managerin der Nationalelf folgte mit den Olympischen Spielen 2016 in Rio, wo im Maracanã-Stadion die Goldmedaille gewonnen wurde. „Noch in den Katakomben bereitete unsere Mannschaft Silvia Neid, Ulrike Ballweg und mir einen emotionalen und unvergesslichen Abschied, der ans Herz ging“, sagt Doris Fitschen.

Die 144-fache Nationalspielerin spricht von einem Traumjob nach ihrer Karriere. „Ich war 100 Tage im Jahr mit der Mannschaft unterwegs und immer dicht am Team. Trainerin Silvia Neid war für das Sportliche verantwortlich. Ich für den Rest, also für alles, was rund um die Frauen-Nationalmannschaft organisiert werden musste, und war die Schnittstelle zwischen Sport, Medien und Sponsoren. Wir haben gemeinsam Niederlagen verarbeitet und große Erfolge zusammen gefeiert. Das hat schon sehr viel Spaß gemacht, war aber auch sehr zeitaufwendig und speziell. Ich bin froh, dass ich den Absprung geschafft habe. Denn alles hat seine Zeit“, sagt die 52-Jährige, die sich mehr um ihren Sohn Leo und die Familie kümmern sowie sich auch Zeit nehmen wollte, alte Freundschaften zu pflegen.

„Der Kontakt zu meinen Eltern, die während meiner aktiven Zeit zu meinen größten Fans zählten und den ehemaligen Spielerinnen vom TuS Westerholz ist ungebrochen. Wir treffen uns mit vielen aus der damaligen Mannschaft immer am 23. Dezember bei meinen Eltern in Osenhorst. Da kramen wir alte Geschichten raus“, bemerkt die Zevenerin Fitschen.

In der Tat freuen sich ihre früheren Weggefährtinnen stets auf das jährliche Wiedersehen. „Wir sind seit ihrem Debüt zu vielen Länderspielen gefahren und haben ihre große Karriere verfolgt. Auf den Termin im Dezember freuen sich alle. Da erleben wir ihr Kichern, so wie es immer war. Sie hat trotz ihrer großen Erfolge nie in einer anderen Welt gelebt, ist total normal geblieben“, sagt Iris Schmökel (geb. Everding), die auf dem Platz super mit ihrer Torjägerin harmonierte und als Vorlagengeberin überzeugte. (dir)

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Aufrufe: 013.1.2021, 09:25 Uhr
Zevener Zeitung / Manfred KrauseAutor