2024-04-16T09:15:35.043Z

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Christian Müller (li.) bei seinem Abschiedsspiel mit Trainer Holger Bartel (r.).
Christian Müller (li.) bei seinem Abschiedsspiel mit Trainer Holger Bartel (r.). – Foto: Kretschmer

"Ich hatte Angst um mein Leben"

Christian Müller beendet seine Karriere und blickt im Interview nochmals auf eine kritische Phase seines Lebens zurück.

Christian Müller bekam das Lachen am Freitag gar nicht mehr aus seinem Gesicht. Denn das, was seine Fußball-Weggefährten auf die Beine gestellt hatten, war für ihn kaum in Worte zu fassen. Die Laufbahn des Defensivspielers, der am heutigen Montag seinen 36. Geburtstag feiert, begann in Sachsenhausen. 2005, nach zehn Jahren beim TuS, schloss sich Müller dann aber dem SV Mühlenbeck an, ehe es ihn nach sechs Jahren zum Birkenwerder BC 1908 zog. Dort verbrachte er vier Jahre. Danach schlüpfte er in das Trikot des Löwenberger SV. Nun waren die ehemaligen Kollegen noch einmal zusammengekommen, um Müller den Abschied vom Fußball etwas zu versüßen.

Was macht ein solcher Abend mit einem Fußballer, dessen Laufbahn zu Ende geht?

Christian Müller: Ich bin überwältigt. Mir fehlen die Worte. Zumal ich auch im Vorfeld von nichts wusste. Dieses Spiel war für mich eine absolute Überraschung. Ich wurde am Nachmittag zu Hause abgeholt und mit verbundenen Augen zum Waldstadion gefahren. Das war einfach grandios. Eigentlich ist mir ein solcher Trubel um meine Person fast ein bisschen unangenehm. Aber der Abschied betrifft ja mit Mathias Klix und Tobias Degener uns drei. Auch das sind absolut verdiente Spieler im Verein. Dass hier dann so viele unserer alten Weggefährten zusammengekommen sind, ist einfach Wahnsinn. Das geht einfach nicht besser. Der Fußball gibt einem dann auch auf diese Weise sehr viel zurück. Wir alle haben jahrelang viel gegeben und scheinen dann auch einiges richtig gemacht zu haben.

Ist es ein komisches Gefühl, wenn es dann doch plötzlich vorbei ist?

Als am Dienstag Trainingsauftakt war, habe ich mich extrem schlecht gefühlt. Das Gefühl kannte ich so noch nicht. Ich werde das auch erst einmal so handhaben, dass ich mich am Platz nicht blicken lasse. Irgendwann, wenn sich der Trainings- und Spielbetrieb einpendelt, werde ich versuchen, wieder vorbeizuschauen. Wie auch immer und in welcher Funktion es hier für mich weitergeht.

Können Sie sich denn vorstellen, eine andere, neue Aufgabe neben dem Fußballplatz zu übernehmen?

Wenn, dann sowieso nur in Löwenberg. Letztlich muss ich einfach schauen, was die Zeit zulässt. Ich muss zugeben, dass es mit der Familie schon in letzter Zeit eine völlig andere Qualität als zuvor gewesen ist. Da hat mir der Fußball schon manchmal gar nicht gefehlt. Dass sich das mal einstellen könnte, hätte ich nie gedacht.

Während und nach dem Kreisliga-Spiel des Löwenberger SV beim SV Zehdenick II Mitte März ging es Ihnen plötzlich gar nicht gut. Was war damals passiert?

Mir ist der linke Lungenflügel komplett zusammengefallen. Das ist wohl hauptsächlich genetisch bedingt und es hätte mir auch auf Arbeit am Schreibtisch passieren können. In diesem Moment stand ich aber auf dem Fußballplatz und konnte das überhaupt nicht einordnen. Ich dachte erst an einen Herzinfarkt.

Wie fühlt sich das an, vor allem im Kopf?

Auf dem Feld hatte ich Todesangst. Etwas anderes kann ich nicht sagen. Ich hatte einfach Angst um mein Leben. Und das war in diesem Moment auch berechtigt. Das war eine sehr bedrohliche Situation für mich.

Haben Sie realisiert, was dann mit Ihnen passierte?

Das lief wie im Film ab. In der Kabine habe ich dann die Reaktionen der anderen gesehen. Alle haben sich irgendwie angeguckt und sich Zeichen gegeben. Da wusste ich schon, das irgendetwas überhaupt nicht stimmte. Ich bin dann zwar abgeklappt und musste aus der Kabine getragen werden, aber das meiste habe ich trotzdem mitbekommen.

Konnte sofort die richtige Diagnose gestellt werden?

Genau hat sich das erst nach mehreren Stunden herausgestellt, nachdem auch die Charité und sämtliche Ärzte beteiligt waren. Es war zunächst niemand darauf gekommen, dass es die Lunge sein könnte. Dann wurde eine Drainage in die Brust gelegt.

Glücklicherweise sah es in Ihrem Abschiedsspiel nicht so aus, dass Sie mal ein Problem mit Ihrer Lunge hatten. Sind Sie ein Risiko eingegangen?

Ich habe sogar noch die letzten beiden Saisonspiele mitgemacht. Das Gute ist, dass dieses Krankheitsbild zwar schlimm und katastrophal beginnt, aber die Prognosen später ziemlich gut sind. Ich musste mich noch einmal einer Operation unterziehen, weil der Brustkorb verklebt wurde. Und dann wurde ich als geheilt entlassen. Das ist für mich also ausgestanden. Ich fühle mich gut und es wurde mir auch nahegelegt, wieder Sport zu treiben.

Gibt es denn trotzdem Dinge, die Sie aktuell lieber sein lassen sollten, damit kein Rückfall droht?

Etwas Schlimmeres könnte wieder passieren, wenn ich aus größerer Höhe irgendwo herunterspringe oder tauchen gehe. Eine Flugreise könnte ich jetzt schon wieder machen, was ich vorher noch hätte vermeiden sollen.

Hätten Sie ohne diesen dramatischen Vorfall mit Ihrer Lunge mit dem Fußball weitergemacht?

Nein. Es war schon vorher geplant gewesen, dass ich aufhören werde. Das mit der Lunge war vielleicht noch einmal ein Zeichen, dass es richtig ist, was ich tue. Ich bin jetzt nicht mehr im Kader der ersten Mannschaft und möchte das auch nicht mehr für mich. Wenn irgendwas sein sollte, bin ich natürlich trotzdem da, wenn es die Zeit und die Gesundheit zulassen. Ich schließe mich jetzt zu Hause nicht ein.

Aufrufe: 022.7.2019, 10:33 Uhr
MOZ.de / Steffen KretschmerAutor