2024-05-02T16:12:49.858Z

Kommentar
Foto: Shutterstock
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Lasst uns Island sein!

WM-Qualifikation startet am Dienstag, Freundschaftsländerspiel morgen in Lettland.

Zwei Monate nach Ende der Euro 2016 startet in wenigen Tagen die Qualifikation zur Weltmeisterschaft 2018, die ja bekanntlich in Russland ausgetragen wird. Ein Plädoyer für eine bessere Unterstützung der "Roud Léiwen".
Viel wurde im Verlauf der EM über die so tollen Auftritte der Underdogs berichtet, viele Vergleiche wurden angestellt, vor allem zwischen Luxemburg und Island. Die eingefleischten Fußballfans wunderten sich aber auch über Nordirland, gegen das die Roten Löwen 2012-2013 4 Punkte in der WM-Quali einfuhren.

Viele Diskussionen gingen in die Richtung, dass es in Luxemburg ein Mentalitätsproblem gäbe, um solche Erfolge wie die der Isländer nachzuahmen. Auch wurde den Isländern mehr Nationalstolz, einen größeren Zusammenhalt und einen höheren Stellenwert des Sports in der Gesellschaft bescheinigt. Solche schwer messbaren Argumente wurden aber von konkreten Fakten gestützt, z.B. dass in Island die Kleinen von Kindesbeinen an von gut ausgebildeten Trainern und Sportlehrern betreut werden, dass spezifisch auf den Fußball bezogen die nötigen Infrastrukturen, nämlich Fußballhallen im Vollformat, will heißen mit Plätzen der richtigen Größe, gebaut wurden u.ä. Durch diese idealen Voraussetzungen wussten sich immer mehr Sportler dahingehend zu steigern, dass viele den Sprung in ausländische Profiligen schafften.

Ausbildung der Trainer

Wenn man dies betrachtet, kann man allgemein natürlich feststellen, dass die sportliche Betreuung von Kindern in Luxemburg – egal ob im Verein oder in der Schule – nicht immer ideal ist. Der Schlüssel wird hier unweigerlich ebenfalls die bessere Ausbildung der Lehrer und Trainer sein. Fußballvereine, die schon vor Jahren auf diesem Aspekt ansetzten, bringen bereits heute Talente hervor, die auch die richtige Mentalität haben. Von der FLF unterstützt spielen mittlerweile z.B. alleine in der U19 gut 15 Spieler in ausländischen Nachwuchszentren. Diesen Weg gilt es weiterzugehen und auszubauen.

Infrastrukturen

Auch in Sachen Infrastruktur tut sich etwas. Nicht nur, dass endlich ein neues Nationalstadion gebaut wird, viel wichtiger in der sportlichen Entwicklung sind der Bau eines überdachten Fußballplatzes bei der FLF in Monnerich oder Einrichtungen wie das „Sportlycée“, die optimale Bedingungen schaffen sollen. Doch auch von Vereinsseite muss versucht werden, die jeweiligen Städte und Gemeinden zu überzeugen, dass neue Infrastrukturen auch zum Wohle der Sportler beitragen. Luxemburg muss in diesem Punkt aber wohl noch lernen, dass Funktionalität vor Prunk kommen muss!

Gesellschaft

Die isländische Bevölkerung ist mit einem Ausländeranteil von rund 3,5% um einiges homogener als die von Luxemburg. Doch den rund 320.000 Isländern stehen 307.000 Luxemburger gegenüber, d.h. das Potenzial, aus dem geschöpft werden kann ist ungefähr gleich und dies ohne die vielen Einbürgerungen in Luxemburg in die Rechnung einzubeziehen. Was dann gesellschaftlich in Luxemburg zum Problem für den einheimischen Sport werden kann, sind die vielen Fälle von Spielern mit doppelter Staatsbürgerschaft. Ohne jetzt ein x-tes mal das Beispiel Miralem Pjanic aufgreifen zu wollen, stellt sich die Frage, ob eine Integration in Luxemburg 100%ig gelungen ist, wenn man sich später dafür entscheidet, nicht für die FLF-Auswahl anzutreten obschon man sämtliche Jugendteams des Verbandes durchlaufen hat.

Ein weiterer gesellschaftlicher Aspekt – der aber erneut schwer messbar ist – ist der scheinbar fehlende Zusammenhalt. Ist dieser wirklich abwesend? In großen politischen Fragen wie beim Referendum 2015 war sich das Land so einig wie selten. Trotzdem hört man in der Sportwelt immer wieder den Neid, vor allem gegenüber dem Fußball und seinen Akteuren, heraus. Wer hat welches Gehalt, wer zahlt wie viel Ablöse, das hätte doch niemand verdient usw. sind oft gebrauchte Floskeln, die als Argument angeführt werden, wenn man jemanden darauf anspricht, weshalb er dem luxemburgischen Fußball den Rücken kehrt. Doch ist dies nicht die Fortsetzung eines gewissen (privaten) Frustes? Sollte man nicht das Positive sehen? „We're not Brazil, we're Northern Ireland“ ist – um mal von Island auf die britischen Inseln auszuscheren – ein vielsagendes nordirisches Fan-Lied, vielsagend weil es im Prinzip einfach nicht ernst gemeinst sein kann. Würde eine solche Denkweise uns Luxemburgern nicht auch ab und zu gut tun? Einfach mal ins Stadion gehen, Spaß haben und wenn man siegt war es schön und wenn nicht, macht es auch nichts, dann versuchen wir es nächstes Mal erneut!

Der Fußball im Allgemeinen

Der Tenor, dass der einheimische Fußball schlecht ist, kann so nicht mehr gelten. Zwar werden wir uns nie mit den großen Nachbarn Deutschland oder Frankreich vergleichen können, doch in den beiden letzten Kampagnen war die Nationalmannschaft kaum noch Kanonenfutter und die Vereine stellten international auch ihr Können unter Beweis, Differdingen stand vor drei Jahren eine Runde vor der Gruppenphase der Europa League, in diesem Jahr gab es ein besonderes Spiel, als Fola Anfang Juli Aberdeen aus Schottland regelrecht an die Wand spielte. Solch eine Leistung, wie auch die davor erwähnten, sind kein Zufall, sondern das Ergebnis harter Arbeit. Und ob man diese luxemburgischen Vereine nun mag oder nicht, solche Leistungen gehören respektiert!

Und jeder Verein innerhalb der FLF hat seinen Platz, jeder Club mit Ambitionen fordert somit gestandene Vereine heraus, sich immer weiter neu zu positionieren, will man nicht auf den absteigenden Ast geraten. Und diese positive Spirale gilt es weiterzudrehen, denn am Ende gewinnt dadurch der Fußball im Allgemeinen an Niveau. Und ist es nicht das, was wir alle wollen?

Die Medien und der Handel

Im Juni und Juli war die EM in Luxemburg allgegenwärtig. Der Hype wurde in den Medien aber auch im Handel aus Verkaufsgründen mitgetragen. Wie wäre es denn, wenn man im Vorfeld von Heimspielen der luxemburgischen Nationalmannschaft in den Zeitungen, im Radio und Fernsehen, in Läden oder z.B. an Tankstellen auch eine solche Präsenz der FLF-Auswahl vorfinden würde, wie die der großen europäischen Fußballnationen während eines Turniers?

Als Fan des einheimischen Fußballs muss man es schon sehr fragwürdig gefunden haben, als am Folgetag des erstklassigen Sieges von Fola über Aberdeen im Radio zur Mittagszeit nur über das EM-Finale gesprochen wurde und die Partien der luxemburgischen Teilnehmer an der Europa-League-Qualifikation überhaupt nicht erwähnt wurden! Müssten die gestandenen Medien nicht mit etwas mehr Euphorie und Werbung zugunsten der "Roud Léiwen" in die Vorberichterstattung gehen, anstatt sich nur über den Gegner zu profilieren?

Aus Vereinssicht versucht der vor einem guten Jahr neu gegründete Ligaverband LFL die BGL Ligue wieder mehr ins Rampenlicht zu rücken, eine gute Initiative die langfristig bestimmt ihre Früchte tragen wird, hält man den aktuellen Weg bei. Doch sollte die FLF nicht ebenfalls über eine entsprechende Agentur die Heimspiele vermarkten? Muss man nicht versuchen, sich ins Bewusstsein des Volkes zu hieven? Zusammen mit Sponsoren könnten z.B. die oben angesprochenen Aktionen umgesetzt werden.

Fazit

Luxemburg ist ein zu kleines Land, damit jeder sein eigenes Süppchen kochen sollte. Will heißen: um Großes zu erreichen, geht es nur zusammen. Wir sollten alle für einen Moment unsere Egoismen mal hinten anstellen und uns im Vorfeld zur WM-Quali fragen: würde sich die FLF-Auswahl nicht freuen, wenn ihr mehr Leute als sonst den Rücken stärken und sie lautstark unterstützen?

Deshalb: lasst uns Island sein! Oder Nordirland oder Wales! Lasst uns ins Stadion gehen, lasst uns auswärts reisen, lasst uns Spaß haben und lasst uns diesen nicht verderben, denn es gibt Wichtigeres als ein verlorenes Spiel! „We're not Brazil“ und wollen wir das überhaupt sein? Lasst uns am Dienstag nach Bulgarien fliegen, lasst uns am 7.Oktober gegen Schweden das Stade Josy Barthel bis auf den letzten Platz füllen und in rot-weiß-blau zu tauchen! Und lasst uns Sonntags in unserer Stadt, unserem Viertel, unserem Ort zum Fußballplatz gehen um zu zeigen, dass dieser Sport für uns nicht nur international existiert, sondern auch lokal. Es liegt einzig an uns selbst!

In dem Sinne: Roude Léiw, Huel Se!


Den kompletten Spielplan der WM-Qualifikationsgruppe A finden Sie hier.
Aufrufe: 01.9.2016, 08:05 Uhr
Paul KrierAutor