2024-05-02T16:12:49.858Z

Allgemeines
– Foto: Thomas Rinke

Nach Gelb oder Rot gibt es jetzt Spielsperren

Die Regeländerung soll im Amateurfußball für mehr Fairness sorgen und unter anderem die Kartenflut vor Weihnachten eindämmen.

Im Westdeutschen Fußballverband gibt es ab dieser Saison eine Regeländerung, die die Amateure auf Profiniveau hebt. Denn dort ist es schon längst Usus, dass Sperren nach gelben oder roten Karten sich nach der Anzahl von Spielen bemessen, die der Fußballer pausieren muss.

Für die Amateure hingegen galt bislang eine Wochensperre, die nicht nur Schiedsrichtern, sondern auch manchen Vereinsvertretern ein Dorn im Auge war. Denn vor spielfreien Wochenenden grassierte oft das sogenannte Gelb-Fieber, das vornehmlich Spieler befiel, die vor der fünften oder zehnten gelben Karte standen und damit elegant die verhängte Wochen­sperre absitzen konnten.

Mit den Worten „Mach et Otze“ beschreibt Bernd Biermann, Vorsitzender des Fußballkreises Düsseldorf, den Kern der Regeländerung. Denn vor 29 Jahren rief Erich Rutemöller, damals Trainer des 1. FC Köln, seinem Spieler Frank Ordenewitz zu, im DFB-Halbfinale gegen den MSV Duisburg eine rote Karte zu provozieren. Ordenewitz war in bestechender Form und wollte unbedingt das Finale spielen, doch weil er in der Partie nicht nur ein Tor zum 2:0-Erfolg beisteuerte, sondern auch seine zweite gelbe Karte sah, drohte just fürs Endspiel eine Sperre. Der Grund: Weil es seinerzeit noch keine gelb-roten Karten gab, musste der Schiedsrichter bei einer zweiten Verwarnung im Spiel zwingend die rote Karte zücken – und die Sperre an einen Platzverweis war 1991 noch nicht an einen Wettbewerb gebunden, sonder galt ab sofort. In der Hoffnung, die Sperre in der Bundesliga absitzen zu können, provozierte Ordenewitz also im Einverständnis mit Rutemöller einen Platzverweis, indem er in der Schlussminute den Ball wegschlug – und Schiedsrichter Markus Merk die ersehnte Verwarnung aussprach. Pech nur, dass FC-Coach Rutemöller in der Euphorie des Finaleinzugs vor laufenden Fernsehkameras von der Absprache mit seinem Spieler erzählte. Der Rest ist bekannt: Ordenwitz durfte im Pokalfinale nur zuschauen, Rutemöller zahlte eine Geldstrafe – und ein Jahr später änderte der DFB das Reglement.

„Mach et Otze – das ist ein schöner Spruch“, sagt der ehemalige Schiedsrichter Bernd Biermann und stellt fest: „Das hatten wir oft: Ball weg schießen, Trikot ausziehen – dafür gibt es zwingend die gelbe Karte.“ Trocken fügt er hinzu: „Nun wissen die Spieler: Jetzt habe ich frei.“ Will heißen: Sie finden sich durch eine Sperre in der Zuschauerrolle wieder. Und die Resonanz auf die Regeländerung, die am 30. Juni in Kraft trat, sei durchaus positiv, berichtet der Vorsitzende des Fußballkreises Düsseldorf und betont: „Vor Weihnachten hat die Zahl der roten Karten zugenommen, weil die Spieler die Sperre in der Winterpause absitzen konnten. Jetzt werden sie etwas vorsichtiger sein, weil sie bis zum nächsten Meisterschaftsspiel warten müssen.“ Die neue Regel gilt für alle Spielklassen, Pokalspiele, Freundschaftsspiele und Turniere in Nordrhein-Westfalen einschließlich der Regionalliga West und bis hinunter in die Kreisligen.

Dabei unterscheidet der Verband nach vier Kategorien von Spielen. Den höchsten Rang haben Meisterschaftsspiele, dann folgen Pokalspiele, Freundschaftsspiele und Turnierspiele. In welchen Begegnungen der Fußballer seine Sperre absitzen kann, hängt davon ab, in welchem Wettbewerb und in welcher Mannschaft seines Klubs er die rote Karte kassiert hat. Bei einem Vereinswechsel bleibt die Sperre übrigens erhalten – hier zählen die Spiele der höchsten Mannschaften im Klub.

Den Wunsch nach dieser richtungsweisenden Regeländerung gab es schon länger. In der Umsetzung scheiterte das Unterfangen jedoch an technischen Problemen. „Jetzt gibt es das System endlich her und der DFB kann es bundesweit machen“, berichtet Biermann und hofft auf mehr Fairness auf den Plätzen.

Sebastian Saufhaus, Trainer des Landesliga-Aufsteigers 1. FC Wülfrath, stellt auf Nachfrage unserer Redaktion fest: „Auf den ersten Blick ist es auf jeden Fall sinnvoll. Es gibt keine Sperren mehr, die in die Winterpause reinfallen und damit auch keine Taktiererei mehr.“ Ähnlich sieht es Dennis Lichtenwimmer, Sportlicher Leiter des VfB 03 Hilden: „Wir finden das aus Fairnessgründen gut. Das war lange ein Thema, aber ich bin kein Fan von Kartenschinderei. Wir befürworten die neue Regelung, auch wenn einige Jungs bei uns, die härter in die Zweikämpfe gehen, geschluckt haben. Diese Änderung war dringend notwendig, denn es ist immer gut, Regeln wie die Profis zu haben.“

Tim Schneider ist die Neuerung eine Herzensangelegenheit. Der neue Chefcoach des Hildener Oberliga-Teams spricht dabei aus seiner Erfahrung als Trainer der VfB-Reserve. „Ich finde es positiv, gerade weil es uns als zweite Mannschaft oft unfair getroffen hat. Vor zwei Jahren hatten wir eine ungerade Zahl an Teams in der Liga und sind regelmäßig auf jene Mannschaften getroffen, die vorher spielfrei hatten. Deren Spieler konnten ihre Sperre absitzen und gegen uns wieder auflaufen“, erzählt der 38-Jährige und fügt hinzu: „In der Bundesliga ist es normal, Sperren nach Spielen auszusprechen und das sollte man auch in den unteren Ligen so durchhalten. Bislang konnten die Spieler ihre fünfte oder zehnte gelbe Karte in Ruhe in der Winterpause absitzen – und jeder hat es ausgereizt.“

Aufrufe: 023.7.2020, 22:00 Uhr
RP / Birgit SickerAutor