2024-05-08T14:46:11.570Z

Ratgeber Medizin
Hätte Jerome Boateng vom FC Bayern München seine Meniskus-Verletzung nicht 2011 sondern vor 30 Jahren erlitten, wäre er wohl niemals drei Jahre später Weltmeister geworden.  Foto: imago
Hätte Jerome Boateng vom FC Bayern München seine Meniskus-Verletzung nicht 2011 sondern vor 30 Jahren erlitten, wäre er wohl niemals drei Jahre später Weltmeister geworden. Foto: imago

Knie-Fall

Warum Meniskus-Verletzungen mittels medizinischer Technik ihren Schrecken verloren haben

„Meniskus“ war das Horror-Szenario für Sportler in den Jahren, als die Bilder vornehmlich noch schwarz-weiß waren und maximal eine Kamera in den jeweiligen Stadien der Fußball-Bundesliga aufgebaut war. In der Regel war die Diagnose „Meniskus-Verletzung“ gleichbedeutend mit dem Ende so manch hoffnungsvoller Karriere, nicht nur im Fußball. Schuld war zu dieser Zeit mangelndes Wissen der Mediziner und die noch nicht vorhandene Technik, diese Verletzung zu behandeln. Die Forschung steckte in den Kinderschuhen. Oft wurde bei einer Operation der komplette Meniskus im Irrglauben entfernt, dieser Knorpel im Knie würde schon wieder nachwachsen.

Mit dem Wissen von heute wäre manche Laufbahn zu retten gewesen. Es war das Pech der frühen Geburt, die zum Beispiel einen Helmut Schön wegen einer Meniskusverletzung die Schuhe an den Nagel hängen ließ. Nun – der wurde immerhin Weltmeister, als Trainer. Aber wer kennt schon einen Nationalspieler aus Schweinfurt mit Namen Albin Kitzinger, der 1937 wegen seiner unablässigen Kniebeschwerden ausstieg. Vielleicht wäre Deutschland ja 1970 Fußball-Weltmeister in Mexiko mit Vorstopper Willi Schulz vom Hamburger SV geworden. Doch der musste vorher aufhören. Viele Betroffene, die weniger in der Öffentlichkeit standen – darunter auch eine ganze Reihe von Skifahrern – blieben damals mit ihrem Schicksal im Verborgenen. Hätten sie dieser Tage ihre Verletzung erlitten, wäre ihnen gut zu helfen gewesen. Mutmaßlich wäre die Geschichte so mancher Sportart gänzlich anders geschrieben worden, hätte es früher nur die richtige Herangehensweise an derartige Verletzungen gegeben.

Die Wissenschaft hat in den vergangenen Jahren riesige Sprünge hingelegt. Eingriffe wegen einer derartigen Verletzung im Knie sind unaufregende Routine geworden. „Meniskus“ hat den einstigen Schrecken verloren. Mittels Arthroskopie wird seit einigen Jahren „operiert“. Musste früher das Knie geöffnet werden, um an den Meniskus heranzukommen – viele Wochen Gips waren die Folge – bleibt mittlerweile nach der Arthroskopie ein kleines Löchlein im Knie, das kaum an den Eingriff erinnert. Waren früher drei Wochen Krankenhaus unvermeidlich, dauert eine Arthroskopie inzwischen eine halbe Stunde. Danach darf der Patient nach Hause. In unserer Serie befassen sich Ärzte und Fachleute mit gängigen Sportverletzungen. Diesmal widmet sich Physiotherapeut Christof Bencker (53) aus Kempten dem Thema „Meniskus“.

Wozu dient der Meniskus?

Christof Bencker: Innerer und äußerer Meniskus tragen zur Stabilität und Beweglichkeit des Knies bei. Bei jedem Schritt lastet darauf ein Mehrfaches des Körpergewichts. Die Menisken fangen einen Großteil ab. Sie dienen sozusagen als Puffer.

Welche Arten von Verletzungen des Meniskus gibt es denn?

Bencker: Zu unterscheiden sind Quetschung und Einriss. Die Verletzungen basieren auf traumatischen Folgen, wie ein Schlag auf das Knie bei Fußballern oder extremen Bewegungen beim Skifahren. Dazu kommen übliche altersbedingte Abnutzungserscheinungen.

Wie entstehen diese Verletzungen?

Bencker: Die Ursachen sind vielfältig: Fehlbelastung, Fehlstellung der Beine, muskuläre Dysbalancen, wenig ausgeprägte Muskulatur oder externe Einflüsse.

Können Meniskus-Verletzungen grundsätzlich verhindert werden?

Bencker: Nein.

Kann das Risiko verringert werden, den Meniskus zu schädigen?

Bencker: Das schon. In erster Linie durch gezieltes Muskelaufbau- und sportspezifischem Training. Für Fußball, Volleyball oder Basketball zum Beispiel ist Sprungkraft-Training geeignet. Hürdenlauf wäre in diesen Fällen kontraproduktiv.

Gibt es bestimmte Sportschuhe, die helfen, Verletzungen zu verhindern?

Bencker: Um es so zu sagen: Es gibt keinen Meniskus-Schuh.

Gibt es körperliche Anzeichen, die auf eine Meniskus-Verletzung hindeuten?

Bencker: Stechende Schmerzen beim Treppab-Laufen oder beim tief in die Hocke gehen und dann wieder aufrichten. Der Meniskus reißt, wenn die Belastung größer ist, als es der Meniskus aushält. Bei unsportlichen Menschen reagiert der Meniskus wesentlich schneller allergisch. Grundsätzlich verlaufen Meniskus-Verletzungen aber individuell.

Was kann man nach einer Arthroskopie tun, um wieder fit zu werden?

Bencker: Nach der Operation muss die Schwellung und Reizung im Knie abklingen, das Gelenk beweglich gemacht werden. Danach kommt Kraft- und Stabilitätsaufbau. Das geht durch Physiotherapie.

Wann kann ich nach einer Arthroskopie wieder Sport machen?

Bencker: Unterschiedlich. Zwischen drei und sechs Wochen. Wenn es gut läuft, kann nach zehn Tagen begonnen werden, Rad zu fahren. Vorsicht ist geboten, denn der Meniskus ist erst nach vier Wochen verheilt. Kontaktsport sollte drei Monate vermieden werden. Wer nicht so lange warten will, riskiert Folgeschäden. Ein Tipp für Otto Normalverbraucher: Meniskus-Verletzungen ausheilen lassen.

Muss immer operiert werden?

Bencker: Das muss ein Arzt entscheiden. Ohne Operation sind sechs Wochen an Krücken üblich. Es gilt die Faustregel: Meniskus-Verletzungen konservativ zu behandeln, dauert länger. Insofern kommt es selten vor, dass sich Sportler nicht operieren lassen.



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Aufrufe: 09.1.2015, 09:11 Uhr
Allgäuer Zeitung Kempten / Jürgen LutzAutor