2024-04-23T13:35:06.289Z

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– Foto: Sven Leifer

KFC Uerdingen: Das geheimnisvolle Fremdwort

Die Gehälter kommen nur mit Verspätung, die Arbeitsbedingungen am Löschenhofweg sind unwürdig, doch der KFC Uerdingen hat seit Ende November nur eins von sieben Spielen verloren. Kolja Pusch erklärt, wie die Mannschaft tickt.

Wie sehr hatte er sich darauf gefreut: endlich wieder im Westen! Nach sieben langen Jahren endlich wieder da, wo das Herz des Fußballs schlägt; zwar nicht bei einem der ganz großen Klubs wie Schalke, Dortmund, Mönchengladbach, Köln oder Düsseldorf, aber wieder im Westen.

Vor sieben Jahren hatte er die Region verlassen, weil ihm bei Bayer Leverkusen der Sprung in die Bundesliga verwehrt geblieben war. Aber den Traum vom Fußballprofi hat er sich dennoch erfüllt – eben ein, zwei Klassen tiefer. Um auf dem Niveau zu spielen, muss er aber nicht in der Provinz kicken, das kann er auch im Westen. So heuerte der gebürtige Wuppertaler im Sommer beim KFC Uerdingen an. „Kolja wird mit Sicherheit dafür sorgen, dass unsere Torausbeute besser wird“, sagte Geschäftsführer Niko Weinhart. „Er kennt die Dritte Liga und hat mit Regensburg den Aufstieg in die Zweite Liga geschafft.“

Doch die Saison begann für Pusch denkbar schlecht. In der Vorbereitung erlitt er einen Außenbandanriss und fehlte beim Saisonauftakt. Er benötigte ein paar Wochen, um wieder in Tritt zu kommen und sich in der Dritten Liga zu akklimatisieren. Eine Gehirnerschütterung, die er beim 2:0-Sieg in Duisburg erlitt, warf ihn nochmals kurzfristig zurück, aber nicht mehr aus der Bahn.

Kolja Pusch spiegelt die gesamte Mannschaft wider. Nach schwächerem Start haben sie Fahrt ausgenommen. Und was nur wenige beim Blick auf die Tabelle vermuten: der KFC hat nur eins seiner sieben Spiele seit Ende November verloren.

Beim 1:0-Erfolg in München war Kolja Pusch an der Vorbereitung des Siegtores beteiligt, als er Mike Feigenspan auf die Reise schickte, aber ebenfalls mit nach vorne stürmte, den Ball wieder erhielt und mit einem Schuss den Torhüter zu einer Abwehr zwang, die Feigenspan zum Tor des Tages nutzte.

„Wir hatten Bayern München genau analysiert“, berichtete Pusch unmittelbar nach dem Schlusspfiff. „Der Trainer hat uns sehr gut aufgezeigt, wo die Räume sind, die wir dann beim 1:0 optimal genutzt haben. Genau was wir uns vorgenommen haben: steil, klatsch tief, umschalten, Abschluss. Deshalb bin ich sehr zufrieden mit der Leistung der Mannschaft, schließlich haben wir die letzten zwei Wochen so gut wie gar nicht trainieren können.“

Der Offensivspieler ordnete dann die Leistung ein, die er angesichts der zurückliegenden Tage und Ereignisse umso höher einstufte. „Wenn man schon ohne Prämie Fußball spielt, dann ist das nicht selbstverständlich, wie wir uns heute hier den Arsch aufgerissen haben, für den Verein, für uns selber, für den Nebenmann. Aber das macht einfach Spaß“, konstatierte er und kündigte an: „Das wollen wir die nächsten Wochen beibehalten.“ Die Nachricht, dass der bisherige Gesellschafter Mikhail Ponomarev seine Anteile an den Armenier Roman Gevorkyan verkauft hat, löste bei den Spielern keine Euphorie, wohl aber eine gewisse Erleichterung aus und stimmt sie zuversichtlich. „Es hört sich zunächst einmal gut an und wir sind froh, dass es eine Perspektive gibt“, meinte Pusch, wohlwissend, dass mit dem Einstieg des Invesors nicht alle Probleme gelöst sind. „Für uns ist klar, wir können nur von Tag zu Tag, von Woche zu Woche, von Spiel zu Spiel gucken. Und jetzt geben wir wieder Gas, wir wollen einfach zeigen, was für für eine gute Fußballmannschaft sind, was wir für gute Spiele haben. Es wäre zu schade, wenn wir das jetzt einfach wegschmeißen würden.“ Die Ungewissheit verhindert, dass sie stolz das blau-rote Trikot tragen, dass sie mit der rechten Hand auf das Vereinswappen schlagen, um den Fans zu zeigen: Seht her, das mache ich für den Verein, das Tor und den Sieg schenke ich euch. So werden die Spieler quasi dazu gezwungen, anstatt die Vereinsliebe zu propagieren auf sich zu schauen: um mit einem guten Gefühl in den Spiegel schauen zu können und den eigenen Marktwert zu steigern. Diese Form der Egozentrik fällt aber nicht allen Spielern leicht. „Sich unter diesen Umständen zu motivieren, quasi ohne Training eine solche Leistung abzurufen, das ist nicht einfach“, sagt Pusch. „Wir haben ein paar Hundert-Meter-Läufe gemacht und viel an der Taktik-Tafel gearbeitet. Das man dann so einen Auftritt hinlegt, muss man erst mal begreifen. Das zeigt, welche Charaktere, aber auch welch eine Qualität wir in der Mannschaften haben.“

Dass die vereinbarten Zahlungen nicht wie erhofft aufs Konto kommen, blendet Pusch weitestgehend aus: „Ich bin Fußballprofi geworden, weil ich eine intrinsische Motivation habe, Spiele zu gewinnen; ich will auch im Training gewinnen. Und ich habe hier ganz viele Mitspieler, die das ebenso wollen. Mit macht das keinen Spaß, wenn jemand anderes gewinnt. Aber es wäre natürlich schön, wenn wir das, was uns versprochen wurde, auch bekommen.“

Die intrinsische Motivation ist die innere, aus sich selbst entstehende Motivation: bestimmte Tätigkeiten macht man einfach gern, weil sie Spaß machen, sinnvoll oder herausfordernd sind.

Aufrufe: 09.2.2021, 12:30 Uhr
RP / Thomas SchulzeAutor