2024-05-10T08:19:16.237Z

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Es war ein Leben mit und für den Fußball: Reimund Bernhardt stirbt mit 76 Jahren.	Archivfoto: WNZ
Es war ein Leben mit und für den Fußball: Reimund Bernhardt stirbt mit 76 Jahren. Archivfoto: WNZ

Keine großen Worte, dafür große Gesten

NACHRUF: +++ Ehemaliger Wetzlarer Kreisfußballwart Reimund Bernhardt stirbt mit 76 Jahren / Fan des 1. FC Nürnberg und des Eishockeys +++

Er war kein Mann großer Worte, aber der großen Gesten. Zu denen über zwei Jahrzehnte lang der Besuch unserer Sportredaktion kurz vor Weihnachten gehörte. Im Gepäck: Stets edle Tropfen, mal einen Roten, mal einen Weißen, mal etwas Hochprozentiges. Er wusste, was sich gehörte, er kannte die Bedeutung von Geben und Nehmen. Denn: Nur wenn Journalisten in der Provinz die Arbeit eines Kreisfußballwartes nicht nur zu würdigen, sondern sie auch in die Öffentlichkeit zu tragen wissen, dann ist dem Sport jene Aufmerksamkeit gewiss, die er verdient hat.

Reimund Bernhardt hatte Aufmerksamkeit verdient. Obwohl er sie immer vermied, sie ihm fast peinlich war, er sie nie einforderte. Alles, was er wollte: Jenen Sport, den er liebte und für den er lebte – twentyfourseven, wie junge Leute heute sagen würden – ausreichend, korrekt und aktuell abzubilden. Dafür kämpfte er. Dafür griff er zum Telefon, wenn ihm etwas nicht passte. Dafür stritt er. Dafür rechnete er Torschützenlisten aus, dafür schickte er Ankündigungen, dafür berichtete er von Sitzungen, dafür versandte er Statistiken, dafür kam er sogar auch sonntags in unser Büro, um höchstpersönlich Spielberichte einzutelefonieren und in einige kurze Sätze zu kleiden. Besser er ersetzte einen kurzfristig ausgefallenen Mitarbeiter als einer, der vom Umgang mit dem runden Leder keine Ahnung hatte. „Wehe, ihr lasst einen eurer Handballer an den Fußball ran ...“

24 Jahre lang bildet er die Spitze des Wetzlarer Fußballs

24 Jahre lang war der Niedergirmeser als Nachfolger von Willi Kubik Kreisfußballwart – so lange, wie noch kein anderer in Hessen. 2016 gab der Fan des 1. FC Nürnberg seinen Posten an Alexander Neul ab und wurde Ehrenkreisfußballwart. Es sollte die letzte Auszeichnung nach der Ehrennadel in Gold des Hessischen Fußball-Verbandes, der DFB-Verdienstnadel, der Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik, der Ehrennadel in Gold des Landessportbundes und der Sportplakette des Landes Hessen sein. Ob er noch Wünsche habe, wollte mein Kollege Tim Straßheim in einem Interview anlässlich des 75. Geburtstages von Reimund Bernhardt wissen. „Ganz ehrlich: überhaupt keine. Ich habe so viele Länder bereist. Ich bin zufrieden, wie alles gelaufen ist.“ Der ehemalige Stürmer des TuS Naunheim und des SC Niedergirmes hatte nicht nur die USA, sondern ganz Europa gesehen. Und er hatte in Finnland seine Liebe zum Eishockey entdeckt. Was er als Fußballer durch und durch jedoch nie an die große Glocke hängte.

Am Dienstag vergangener Woche ist Reimund Bernhardt in seinem Elternhaus im Wetzlarer Stadtteil Niedergirmes mit 76 Jahren verstorben. Einsam. Erst einige Tage später fanden ihn Freunde, die einen Schlüssel zu seiner Wohnung hatten. „Macht in eurem Blatt kein großes Aufheben darum, wenn ich einmal nicht mehr bin“, hatte er mir in einem unserer zahlreichen vertrauensvollen Gespräche kurz nach seinem Abschied aus dem Amt des Kreisfußballwartes einmal gesagt. Er war eben kein Mann der großen Worte, aber der großen Gesten. Dem sein, sagen wir mal letzter Wunsch, mit diesen Zeilen allerdings unerfüllt bleibt ...



Aufrufe: 010.7.2020, 08:00 Uhr
Alexander Fischer (WNZ)Autor