Auch Nina Meseke treibt die derzeitige Entwicklung die Sorgenfalten auf die Stirn. Seit einigen Monaten engagiert sich die Steinhagenerin in der Initiative „Familien in der Krise“. Der bundeseinheitliche Zusammenschluss von Eltern kämpft für Rechte von Familien und Kindern und ist in der Corona-Zeit gegründet worden. Vor wenigen Wochen wendete sich die Initiative mit einem offenen Brief an die NRW-Landesregierung und forderte, Freizeit- und Amateursport wieder zuzulassen. Natürlich unter Einhaltung von gängigen Hygiene- und Abstandsregeln.
Schon in ihrem Anschreiben an Ministerpräsident Armin Laschet, NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann und Staatssekretärin Andrea Milz verdeutlichten Meseke und ihre Mitstreiterinnen und -streiter, dass sie keine „Alles-oder-Nichts-Entscheidungen fordern“. Allerdings erwarte die Initiative eine den jeweiligen Altersgruppen angepasste und damit differenziertere Reaktion als dies bisher der Fall war. Sie stünden für Gespräche bereit. Eine Reaktion des neuen CDU-Vorsitzenden Laschet blieb bislang aus. Laumann antwortete zwar, zeigte sich allerdings wenig kompromissbereit. Meseke und Co. blieben trotzdem beharrlich. Sie kontaktierten weitere Politiker und hatten damit Erfolg.
Auf Einladung von Rainer Bischoff, dem Sportpolitischen Sprecher der SPD, durfte Nicole Reese, wie Meseke stark in der Initiative engagiert, im NRW-Sportausschuss am Dienstag in Düsseldorf in einer digitalen Sitzung die Forderungen vorbringen. „Zum ersten Mal hatten wir das Gefühl, gehört zu werden“, sagt Meseke am Tag danach. In einem anschließenden Telefonat versichert SPD-Mann Bischoff ihr zudem: „Ich hatte den Eindruck, dass die Ausschussmitglieder erkannt haben, dass wir das Thema Sport vorantreiben müssen.“
Als einen konkreten Lösungsansatz nannte „Familien in der Krise“ unter anderem Stufenpläne, die sich an lokalen Inzidenzwerten orientieren. Allerdings, das räumt Meseke ein, scheint dieser Schritt zur Öffnung angesichts der derzeitigen Corona-Lage noch etwas entfernt. Auch die Politiker zeigten sich dementsprechend eher verhalten. Hoffnung hat Meseke aber, „dass in einem ersten Schritt zumindest die Sportanlagen in NRW wieder geöffnet werden und der Individualsport dort ermöglicht wird“. Denn nicht einmal das ist in Nordrhein-Westfalen, das nach Sachsen im Amateur- und Vereinssport nachweislich die härtesten Regeln und Verbote erlassen hat, derzeit erlaubt . „Das wäre zumindest ein Anfang“, sagt sie: „Alles ist besser als der derzeitige Zustand, wo die Politik pauschal einfach alles verboten hat.“ Positive Signale, dass sich daran bald etwas ändern könne, habe sie nun erhalten.
Trotzdem wollen Nina Meseke und Nicole Reese auch in der kommenden Zeit mit den Landespolitikern streiten. Als nächstes wollen die beiden den persönlichen Kontakt zu Andrea Milz aufnehmen. Über die NRW-Staatssekretärin für Sport und Ehrenamt soll dann die Nähe zu Laschet und Laumann hergestellt werden. Die Gütersloher SPD-Bundestagsabgeordnete Elvan Korkmaz-Emre, die sich selbst ebenfalls für Anpassungen im Amateur- und Vereinssport einsetzt, sicherte – wie Rainer Bischoff – bereits Unterstützung zu.
Dass die Corona-Krise und das sich daraus ergebene Verbot von Amateursport nicht nur für Kinder und Jugendliche belastend ist, sondern darüber hinaus für das gesamte Vereinswesen existenzbedrohend ist und schnellstmöglich Lösungen benötigt werden, belegen nun übrigens erstmals auch Zahlen. Wissenschaftler der Sporthochschule Köln haben dazu jetzt eine statistische Erhebung veröffentlicht. Bis zum erneuten Lockdown im November war der Anteil an Vereinen ausgeglichen, die Mitgliedschaftrückgänge oder -zuwächse zu verzeichnen hatten. 36,6 Prozent der Vereine meldeten Rückgänge, 35 Prozent Zuwächse. Inzwischen hat sich mit 44 Prozent der Anteil der Vereine, die für 2020 Abgänge melden, gegenüber 29 Prozent mit Gewinnen deutlich erhöht. Weiter erwartet mittlerweile jeder zweite Sportverein in Deutschland (52,4 Prozent) in den kommenden zwölf Monaten eine existenzbedrohende Lage. Als Ursachen werden Mitgliederschwund und der pandemiebedingte Rückgang an Ehrenamtlichen genannt.
Professor Christoph Breuer, Leiter der Studie, sagt: „Je länger Sportvereine ihrem Zweck nicht nachkommen dürfen, desto schwächer wirken sie als stabilisierendes Element der Gesellschaft.“ Es ginge sozialer Kitt verloren. „Damit treffen die Folgen nicht nur die Vereinsmitglieder sondern die gesamte Gesellschaft.“ Der Wissenschaftler fordert daher: „Wenn wir anfangen Schulen zu öffnen, dann braucht es auch eine Öffnungsperspektive für Vereinssport. Die wird vorerst ohne Wettkampf sein. Aber Kinder, Jugendliche und auch Senioren brauchen sie dringend.“