2024-05-10T08:19:16.237Z

Allgemeines

„Die Fußball-Lehrer-Story“ – Zwei Trainer auf der Schulbank

Lukas Kwasniok und Marco Wildersinn über ihre Vereine, den Lehrgang und die guten alten Zeiten

Seit dem 12.Juni findet an der Hennes-Weisweiler-Akademie in Hennef der 64.Fußball-Lehrer-Lehrgang statt - mit dabei sind auch Marco Wildersinn und Lukas Kwasniok. Die beiden "Männer aus dem Bezirk" sind trotz ihrer jungen Jahre schon lange im Trainerzirkus dabei, nun werden sie für zehn Monate ausgebildet um künftig Trainer von Profimannschaften sein zu dürfen. FuPa Baden-Baden hat sich wieder einmal mit den beiden getroffen und spannende Einblicke in das derzeitige Leben der "Rastatter Jungs" bekommen.

Der Sommer 2017 geht sicherlich nicht als der schönste in die Wetteranalen ein, doch am 17.August konnte man es aushalten - ganz zum Wohle von Lukas Kwasniok, Marco Wildersinn und FuPa Baden-Baden-Mitarbeiter Benni Emrich. Bei herrlichem Sommerwetter traf man sich in einem Karlsruher Biergarten und plauderte gemütlich drauf los. Der Fokus des Treffens lag natürlich auf der "Fußball-Lehrer-Story" - klar aber, dass man sich auch über die Situation in den jeweiligen Mannschaften und Vereinen unterhielt. Marco Wildersinn war mit dem Start seiner Hoffenheimer U23 in der Regionalliga Südwest soweit zufrieden, Lukas Kwasniok hingegen ärgerte sich zum Zeitpunkt des Treffens über zwei Niederlagen seiner KSC U19 zum Auftakt der Juniorenbundesliga. Mittlerweile sind ein paar Wochen vergangen und beide Trainer werden gemischte Gefühle beim Blick auf ihre Tabellenposition haben. Auch der Blick in beide Vereine brachte Anfang August unterschiedliche Stimmungen mit. Während sich Marco Wildersinn einen Tag nach dem Liverpool-Spiel über Champions-League-Feeling in Sinsheim freute, schüttelte Kwasniok beim Blick auf die Drittligatabelle nur mit dem Kopf. Klar, der Start des KSC war nicht gut, mittlerweile ist Coach Meister aber Geschichte, einer neuer Trainer ist da und Kwasniok kann sich voll auf seine U19 und die Fußball-Lehrer-Lizenz konzentrieren.

Zum Zeitpunkt des Treffens waren beide bereits in der Praktikumsphase, d.h. es fand mehr oder weniger eine Art Hospitation bei einem Proficlub im Umfeld des Arbeitgebers statt. Während Marco Wildersinn sein Praktikum logischerweise bei der TSG und somit Julian Nagelsmann absolvierte, musste Lukas Kwasniok vom KSC ausweichen. "Nach dem Abstieg ist der KSC nun mal offiziell kein Profiverein mehr, daher absolviere ich das Praktikum in Sandhausen bei meinem Freund Kenan Kocak".

Vor oben genannter Praktikumsphase, also direkt zu Beginn des Lehrgangs, waren die Jungs in einem Block von 8 Wochen jeweils von Montag bis Mittwoch in Hennef - unterbrochen wurde dieser Block vom Aufenthalt bei der U21 EM in Polen, wo die künftigen Fußballlehrer die Teams sowie die Partien ganz genau unter die Lupe nehmen durften.

Nach der Praktikumsphase standen in Hennef Anfang September die ersten Modultests an und der Alltag hatte die Jungs aus dem Bezirk wieder fest eingefangen. Von 8-19Uhr Lehrgang, dazwischen gibt’s eine Stunde Pause für eine Dusche und ein Essen - die Jungs wissen Abends also, was sie den Tag über gemacht haben und daher "geht’s nach den zusätzlichen Gruppenarbeiten auch aufs Zimmer und es wird geschlafen". Während sich im ersten "Hennef-Block" viel auf dem Platz abspielte und viel Gruppenarbeit absolviert wurde, hat sich dies nach der Praktikumsphase verändert. Im Theoriebereich gibt es die Themen Fußballlehrer, Psychologie, Physiologie und Regelkunde. "Bisher hatte man eigentlich noch keine Zeit die Dinge zu vertiefen, aber vor den Modultests sollte man sich schon nochmal ein paar Dinge angeschaut haben", so Wildersinn. Im Vorbeigehen hat schließlich noch kein Trainer die Lizenz erworben, das steckt harte Arbeit dahinter und Zeit für Privates bleibt nur noch selten. Grundsätzlich, so die Meinung beider, kennt man gewisse Dinge natürlich schon, dennoch sind beide immer offen für neue Impulse. Der Lehrgang legt viel Wert auf das sogenannte ESA-Prinzip, d.h. Einführen, Schulen, Anwenden. "Die Frage ist immer - wie strukturiert gehst du an die Arbeit ran", so Wildersinn. Lukas Kwasniok hat für sich bereits schon einige Dinge aufgesaugt: "Gerade im administrativen Bereich, d.h. Arbeit mit dem Laptop und so weiter - da habe ich mir schon einige Dinge mitgenommen". Wildersinn fügt hinzu, "dass natürlich auch der Austausch mit den anderen einen enormen Mehrwert bringt". Die Zeit in Hennef scheint den beiden Spaß zu machen und der 25-Mann starken Truppe scheint es auch gut zu tun, dass "kein ganz großer ehemaliger Fußballer" mit dabei ist, sondern Männer, "die auch nach 20Uhr mit Stärken gesegnet sind", so Kwasniok mit einem Augenzwinkern, ohne dabei aber die Professionalität des Lehrgangs in Frage stellen zu wollen.

Die beiden Jungs aus dem Bezirk belegen selbstverständlich ein Doppelzimmer in Hennef, mittlerweile kennen sie sich auch besser. "Natürlich kannte man sich vorher vom Namen her, es gab auch schon Testspiele zwischen den Teams der beiden, mehr aber auch nicht", so beide im Gespräch mit FuPa. Die Wege der beiden zielstrebigen Trainer kreuzten sich schon einmal und beide verfehlten sich nur knapp. Um die Jahrtausendwende war der FC Rastatt 04 noch eine große Nummer im Bezirk Baden-Baden und natürlich auch darüber hinaus. Damals war der junge Wildersinn aus dem Juniorenbereich gekommen, spielte ein Jahr bei den Senioren Landesliga und wechselte dann im Sommer 2000 zum KSC – „ich hatte ja schließlich ambitionierte sportliche Ziele“, so der Wintersdorfer mit einem kleinen Augenzwinkern. Im gleichen Sommer kam Kwasniok zum FC 04 und hatte ironischerweise seine „Profizeit“ damals schon wieder hinter sich. Der FC Rastatt 04 mit Spieler Kwasniok verpasste in der Saison 00/01 durch ein 3:3 in Donaueschingen den Sprung auf den 2.Platz der Verbandsliga. Bei diesen Themen kommen natürlich auch immer viele Namen auf den Tisch, egal ob Murat Sür, Ergün Bilici oder Michele Mugnos. „Ich hatte immer gerne Südländer im Team, da war immer was los auf dem Platz“, so Wildersinn.

Im Gespräch mit den beiden wird schnell klar, dass sie den Fußball lieben. Beide haben ihre Werte und die versuchen sie umzusetzen. Der große Vorteil von beiden ist, dass sie Trainer von Teams sind, die entwickelt werden sollen, "da kann man viel probieren und es ist vielleicht nicht ganz so schlimm, wenn mal was schief geht". Die Entwicklung im Fußball an sich verfolgen beide sehr intensiv, eigentlich sind sie ja mittendrin. Der Fußball gebe so viel her, hat so viel Details und es wurde noch lange nicht alles gefunden und umgesetzt - "genau das ist doch die große Herausforderung für jeden Trainer", so Kwasniok. Beide sind sich auch einig, dass es künftig ganz viele Änderungen geben wird, auch bei den Regeln. "Wenn eine WM mit 48 Mannschaften gespielt werden soll, dann halte ich eigentlich fast nichts mehr für unmöglich", so Wildersinn.

Bereits brandaktuell und auch erfolgreich ist der Trend hin zu jungen, talentierten Nachwuchstrainern wie Julian Nagelsmann oder Domenico Tedesco – zwei Jungs, die Marco Wildersinn natürlich gut genug kennt. „Dass Tedesco über nach Aue nach Schalke kommt ist schon krass. Er hatte aber schon immer diesen Karriereplan, der wollte unbedingt so schnell wie möglich nach oben“, so Wildersinn über den neuen Coach von Deutschlands drittgrößtem Verein. Ob die erfahrenen Trainer oder ehemaligen Starspieler bessere oder schlechtere Trainer sind sehen beide Trainer relativ neutral und unaufgeregt. Momentan sind die Chancen für junge Trainer aus dem Nachwuchsbereich natürlich größer als früher, „aber das kann sich auch schnell wieder ändern wenn es mal drei, vier Negativbeispiele gibt“. Grundsätzlich spiele der Erfolg als Spieler immer mehr eine untergeordnete Rolle und es gibt eben viele junge Trainer, die unbedingt nach oben wollen – beim Blick auf den Werdegang des ehemaligen KSC-Trainers Marc-Patrick Meister könnte man ähnliches vermuten. Im Gespräch mit Wildersinn und Kwasniok wird der Eindruck, den die beiden vermitteln, immer wieder bestätigt. Natürlich wollen beide auch mal Bundesliga trainieren, doch ob das nun morgen oder in fünf Jahren ist spielt für beide keine Rolle. „Wir haben auch Ziele, aber ich weiß nicht, ob die Ziele immer mit den eigenen Werten kompatibel sind. Hier geht’s auch um Werte und wenn ich das Gefühl habe ich kann diese Werte der U19 oder einer Oberligamannschaft vermitteln, dann bin ich in dieser Rolle komplett glücklich und brauche nichts anderes. Vielleicht bin ich auch ein Tagträumer, aber ich würde diese mir wichtigen Werte gerne einer Profimannschaft vermitteln und wenn dies möglich ist, dann ist natürlich auch für mich vieles interessant“, so Kwasniok über sich und seine Prinzipien. Beide Trainer haben logischerweise auch jemanden, „der die eigenen Interessen vertritt und weitergibt“ – einen Berater also. „Nur dadurch kommst du so schnell hoch wie jetzt Tedesco zum Beispiel. Das läuft nur über Netzwerk“, so Wildersinn. Aber – „er hat in Aue einen guten Job gemacht und nun mit Schalke die ganz große Nummer gezogen“.

Die Teilnahme am Fußballlehrerlehrgang ist für beide Grundvoraussetzung, um künftig wie Nagelsmann oder Tedesco den Sprung ins "richtige Profigeschäft" zu schaffen, gleichzeitig aber stellt der Lehrgang auch eine große Herausforderung im Tagesgeschäft da. "Es hat mich schon vor Beginn tangiert, denn ich habe versucht, alle Spieltermine auf Sonntag zu legen, damit ich einen Trainingstag mehr mit meiner Mannschaft habe", so Kwasniok. In diesem Punkt sieht Wildersinn die Sache ein wenig anders, denn er „freue sich tatsächlich über Samstagsspiele, weil es auch mal ganz nett ist, alle paar Wochen einen freien Sonntag zu haben". Dass die beiden in diesem Punkt vielleicht andere Prioritäten setzen ist klar, denn die Unterschiede im täglichen Trainergeschäft könnten größer kaum sein. Auf der einen Seite Kwasniok, der als U19 Trainer des KSC lediglich einen Co-Trainer auf 450€-Basis hat. Auf der anderen Seite Wildersinn, der U23 Trainer der TSG Hoffenheim - er hat ein großes Team aus 2 Co-Trainern, Torwarttrainern, Athletiktrainern und einem Spielanalyst und somit im Prinzip Profibedingungen denn alle sind eben fest bei der TSG angestellt. "Ich kann mich da schon voll und ganz drauf verlassen. Da habe ich es schon einfacher als Lukas, keine Frage", so Wildersinn.

Lukas Kwasniok ist nicht erst seit seiner Zeit als Interimstrainer der Profis dafür bekannt, dass er Dinge klar anspricht und dennoch seine Liebe zum KSC immer zeigt und auch lebt: "Natürlich machen meine Jungs um mich herum auch einen super Job, aber die sind halt alle auch noch Studenten. Nach dem Abstieg musste der KSC sparen und so hab ich jetzt halt nur noch einen Co-Trainer. Aber wir nehmen die Sache so an wie sie ist, egal in welchen Bereichen. Wir haben im Bus zum Auswärtsspiel auch Nudeln dabei, die werden dann halt aber auf der Bordsteinkante gegessen. Das ist der KSC, alles ne Nummer kleiner und trotzdem macht das alles enormen Spaß". Eher bedenklich finden beide aber die Entwicklung auf dem Spielermarkt, insbesondere auch im Juniorenbereich. „Es ist schon grenzwertig, wenn selbst beim KSC ein junger Spieler mit einem dickeren Auto als der Manager auf den Hof fährt obwohl der noch nichts in seinem Leben als Fußballer erreicht hat“, so Kwasniok über den Wandel der Zeit. Er selbst weiß aber auch aus eigener Erfahrung, dass du da nichts ändern kannst. „Als ich 17 oder 18 war haben mir auch viele Leute was erzählen wollen und mir war das damals völlig egal. Die verdienen alle ordentliches Geld, aber wer denkt denn mit 18 schon an die Zukunft?“, zeigt Kwasniok auch ein wenig Verständnis.

Im Vordergrund sollte aber immer das sportliche stehen und da können beide natürlich schon auf viele Jahre zurückblicken. Wildersinn hat als Coach der Hoffenheimer U23 schon viele aktuelle Bundesligaspieler trainiert, als den besten würde er Vincenzo Grifo auswählen. „Die besten aus dem Jugendbereich gehen direkt von der U19 zu den Profis und da kannst du auch davon ausgehen, dass die früher oder später Bundesligaspieler werden. Die anderen kommen zu uns und müssen sich beweisen. Auch von denen schaffen es einige, oftmals über Umwege“, so Wildersinn. Zuletzt wechselte zum Beispiel sein Spieler Baris Atik nach Kaiserslautern und spielt jetzt in Liga 2, auch unser Junge aus dem Bezirk, Nico Rieble, stand nach seinem Abgang von der TSG vergangene Runde in vielen Spielen für den VfL Bochum auf dem Platz. „Nico war im richtigen Moment am richtigen Ort und dann rutscht du da natürlich rein. Jetzt war er verletzt und es kam ein neuer Trainer, da kannst du leider auch schnell wieder raus sein“. Lukas Kwasniok führt als aktuelles Beispiel Florent Muslija an. Der Acherner Junge mit Sasbacher Vergangenheit hat erst vor kurzem seinen Profivertrag unterschrieben, war bei der Nationalmannschaft dabei und gilt als Hoffnungsträger des KSC. „Aber da siehst du mal, dass sich im Jugendbereich so viel innerhalb kürzester Zeit ändern kann. Florent stand auf der Kippe als es um die Übernahme aus der U17 ging, er war bis Anfang des Jahres nicht mal wirklich Stammspieler bei der U19 und jetzt hat er innerhalb von wenigen Monaten einen tollen Sprung gemacht. Er war schon immer ein guter Kicker, aber jetzt hat es auch im Kopf Klick gemacht“.

Zum Schluss haben wir dann noch über Lieblingsspieler oder Lieblingstrainer gesprochen. Beim derzeit besten deutschen Spieler fiel die Wahl beider klar auf Toni Kroos, beim besten deutschen Trainer nannten beide Jürgen Klopp. Wildersinn ist sich aber sicher, "dass Julian Nagelsmann die Zukunft gehört". Während Wildersinn mit Vincenzo Grifo einen aktuellen Bundesligaspieler als jenen Spieler nennt, der der beste unter seiner Zunft war, haut Kwasniok bei dieser Frage mit Nico Bretzinger seinen ehemaligen Spieler beim TSV Reichenbach raus. Bei der Frage nach dem besten Mitspieler nannte Kwasnio Serhat Akin, Wildersinn den aktuellen OSV-Trainer Eugeniuz Ptak. Man hat in dieser abschließenden „Fragerunde“ gemerkt, dass beide den Bezug zur Basis trotz allem nicht verloren haben.

Irgendwann zu Beginn des neuen Jahres werden wir uns für die "Fußball-Lehrer-Story" wieder treffen und dann schauen wir mal, wie die Lage bei beiden kurz vor der Prüfung ist.

In diesem Sinne, ab auf die ganz große Bühne!

Marco Wildersinn (links) und Lukas Kwasniok (rechts) mit Benni Emrich (unten) von FuPa Baden-Baden

Aufrufe: 028.9.2017, 08:00 Uhr
Benni EmrichAutor