2024-04-25T14:35:39.956Z

Interview
Wolfgang Lutz und sein FC Kalchreuth bereiten sich in der Türkei auf die Rückrunde vor. F: Zink
Wolfgang Lutz und sein FC Kalchreuth bereiten sich in der Türkei auf die Rückrunde vor. F: Zink

Kalchreuth rüstet sich in der Türkei für die Restrunde

Ein Interview im "Ferienflieger" mit FCK-Trainer Wolfgang Lutz und Kapitän Markus Giering

Immer mehr Amateurfußballvereine fliegen in die Türkei ins Winter-Trainingslager. Die Spieler nehmen dafür Urlaub, bezahlen den Großteil selbst. Ein Gespräch auf dem Flug nach Antalya mit Bezirksligist FC Kalchreuth, der sogar den Flugplan durcheinander wirbelte.

Herr Lutz, das Flugzeug hat mit einer Stunde Verspätung abgehoben. Es gibt Gerüchte, dass der FC Kalchreuth dafür verantwortlich sei...

Wolfgang Lutz (Trainer): Unsere Spieler waren drei Stunden vor dem Abflug bereits am Flughafen. Wir sind eine disziplinierte und engagierte Mannschaft – und sicher nicht verantwortlich.

Es sollen Fußbälle erst ein- und dann wieder ausgeladen worden sein.

Lutz: Markus, wie war das mit den Bällen?

Markus Giering (Mannschaftskapitän): Ich weiß von gar nichts.

Lutz: Also, die Bälle sollen angeblich aufgepumpt gewesen sein. Das waren sie aber ganz sicher nicht. Wir hatten am Donnerstag nach dem Training extra die Luft für den Flug rausgelassen.

Giering: Die Bälle sind ja auch im Training nie wirklich aufgepumpt, warum sollen sie es dann ausgerechnet vor einem Flug sein?

Sie fliegen als Aufsteiger eine Woche in die Türkei ins Trainingslager – gehört sich das eben so, als Bezirksligist?

Lutz: Wir haben das schon als Kreisligist gemacht. Es ist immer ein Highlight für die Jungs und es ist auch für mich als Trainer sehr angenehm, so viele gute Fußballer auf einem Fleck und wirklich in jeder Trainingseinheit auf dem Platz zu haben. Wir genießen die Türkei, aber wir wollen auch für den Klassenerhalt hart arbeiten.

Jetzt ist die Situation in der Türkei anders als im vergangenen Jahr.

Lutz: Das stimmt, deshalb haben wir uns auch zusammengesetzt und besprochen, ob wir das überhaupt wieder machen wollen. Die Mannschaft konnte das selber entscheiden und wollte es gern wieder machen - trotz der etwas angespannten Situation.

Herr Giering, gab es eine hitzige Diskussion darüber?

Giering: Wir haben uns zu einer Zeit beraten, als die Situation unmittelbar in den Medien war, als gerade viel passierte in der Türkei. Jeder, der Bedenken hatte, konnte die vorbringen und jeder, der nicht mitfliegen hätte wollen, hätte das sagen können und nicht mitkommen müssen.

Also wurde schon darüber diskutiert, überhaupt zu fliegen?

Giering: Wir hatten uns schnell geeinigt zu fliegen – auf Webseiten wie der vom Auswärtigen Amt gibt es zwar Reisehinweise, aber es steht auch dabei, dass es relativ ungefährlich ist in der Türkei für deutsche Staatsbürger. Es ist jeder ohne mulmige Gefühle heute in den Flieger eingestiegen.

Gibt es Spieler, die zu Hause geblieben sind?

Giering: Wir sind 19 Spieler. Die Bereitschaft für ein Trainingslager ist riesig, wenn man bedenkt, dass 19 Spieler extra Urlaub nehmen müssen, um mit der Mannschaft in die Türkei zu fliegen – Fußball macht ja niemand hauptberuflich bei uns.

Ist jemand aus Angst lieber nicht mitgeflogen?

Giering: Nein, alle Absagen waren studien- oder arbeitsbedingt. Das waren drei oder vier, sonst sind alle Kalchreuther dabei.

Herr Lutz, das wievielte Trainingslager ist das schon in der Türkei?

Lutz: Das dritte. Wir waren beim ersten Mal in Side, beim zweiten Mal in Belek, wie heuer auch wieder – diesmal in einem anderen Hotel, aber auf denselben Sportplätzen. Für fünf Spieler wird es ganz neu, die waren vergangenes Jahr nicht dabei.

Sie sagen selber: Das war noch zu Kreisligazeiten. Kennen Sie andere Kreisligisten, die Trainingslager in der Türkei absolvieren?

Lutz: Sogar Kreisklassisten: Der TSV Ebermannstadt war letztes Jahr mit uns zufällig im gleichen Hotel. Seitdem sind wir auch befreundet.

Giering: Wir haben sogar ein Testspiel gegeneinander bestritten – das hatten wir zu Hause noch nie gemacht gegen Ebermannstadt. Der allererste Test zwischen Kalchreuth und Ebermannstadt fand also im türkischen Belek statt; ein 8:1 für uns.

Wie kamen Sie denn damals auf die Idee, in die Türkei ins Trainingslager zu fahren?

Lutz: Wir wollten gemeinsam etwas machen, alle über mehrere Tage an Bord haben. Der zweite Schritt war: Man braucht eine geeignete Mannschaft dafür, dass man nicht zu zehnt fliegt, sondern achtzig Prozent der Spieler dabei sind. Menschlich und fußballerisch passt das beim FC Kalchreuth – man muss einen finanziellen Beitrag zuschießen, sonst geht’s nicht.

Die Kosten übernimmt also nicht der Verein oder ein Sponsor?

Lutz: Nein, weitgehend trägt sich das über die Spieler.

Gibt es einen eigenen Strafenkatalog fürs Trainingslager?

Giering: Der normale Strafenkatalog wird vielmehr ergänzt, es gibt ja plötzlich eine Hotelbar. Aber wir haben auch zwei Mal Training am Tag, also muss zweimal das Material zur Verfügung gestellt werden, zwei Mal können Spieler also irgendwas vergessen. Das Trainingslager ist eine schöne Möglichkeit, um die Mannschaftskasse zu füllen.

Wie viele Einheiten wird es geben?

Lutz: Sechs Tage trainieren wir zweimal täglich eineinhalb Stunden. Das ist sehr intensiv, weil wir keine Fluktuation haben wie im normalen Trainingsbetrieb.

Muss man streng sein als Trainer einer Bezirksligamannschaft, wenn ein Spieler verkatert zum Frühstück erscheint?

Lutz: Das bemerke ich grundsätzlich nicht. Im Ernst: Das ist noch nie passiert, die Spieler ziehen sich gegenseitig mit.

Giering: Dadurch, dass jeder die Tage selber bezahlt, ist die Motivation hoch, dass das wirklich optimal genutzt wird. Es wird auch gefeiert, klar, aber das bleibt im Rahmen.

Herr Lutz, wie sieht denn ein Tag des FC Kalchreuth in Belek aus?

Lutz: Um 8 Uhr gehen wir zum Frühstück, von 9.30 bis 11 Uhr folgt die erste Trainingseinheit. Dann hat jeder Zeit zur freien Verfügung. Wir haben auch eine Physiotherapeutin dabei, die kann die angeschlagenen behandeln. Sonst gehen die Spieler schwimmen, erholen sich. Um 15 Uhr beginnt die zweite Einheit. Dann werden wir abgeholt und es geht zurück ins Hotel. Abends gibt es dann eine Art Workshop, in denen wir zum Beispiel Ziele für die verbleibende Saison gemeinsam erarbeiten wollen.

Der FC Kalchreuth ist noch nicht gesichert in der Liga. Ist das nicht Ziel genug: der Klassenverbleib?

Lutz: Nein, aber wir haben uns ein Polster erarbeitet zu den Abstiegsplätzen. Es ist wichtig, so weit wie möglich von den Abstiegsplätzen wegzukommen, daran wollen wir arbeiten.

Es fliegen also die Mannschaft, die Physiotherapeutin, die Trainer in die Türkei. Noch jemand?

Lutz: Ja, unser Vereinsvorsitzender Peter Höfler, der sehr eng mit dem Fußball verbunden ist. Da sind wir stolz darauf, dass er dabei ist. Auch er bezahlt das ja selber, wie jeder, vom Spieler bis zum Trainer.

Sie wollen sicher Testspiele bestreiten – wie stellt man da in der Türkei Kontakte her, wenn nicht gerade Ebermannstadt mit im Hotel wohnt?

Lutz: Das geht über Betreuer im Vorfeld. Viele Gegner stehen schon fest, zwei Spiele haben wir schon ausgemacht.

Jeden Tag Training, mehrere Testspiele, Workshops – bleibt da noch Zeit, um Urlaub zu machen?

Giering: Im ersten Jahr waren wir sehr motiviert und haben wie die wilden jeden Tag zweimal trainiert. Dann gab es die Rückmeldung, dass wenigstens ein freier Tag schon gut tun würde. Seitdem gibt es an einem Nachmittag einen Teamausflug – und es bleiben ja die Abende. Viele nutzen die, um sich auszuruhen, weil man das viele Training nicht gewöhnt ist. Es spielt sich viel auf der Hotelanlage ab.

Gibt es einen Zapfenstreich?

Lutz: Das macht jeder auf Vertrauensbasis selbstständig, ich gebe da keine Uhrzeit vor.
Giering: Jeder weiß in der Regel, wie viel Schlaf er braucht, um am nächsten Tag fit zu sein. Manche mehr, manche weniger – weil der Zimmerkollege schnarcht. Am ersten Abend ist es meist etwas später, dann reguliert es sich selbst mit der Müdigkeit durch das Training. Einmal wird es für alle meistens etwas später, da können wir sogar den Trainer überreden, mit ins Tanzcafé zu kommen.

Dann also mehr die Standardtänze, Herr Lutz?

Lutz: Ich bin da mehr der Lateiner, da tun sich die Spieler meist schwer, meinen Schritten folgen zu können.

Wie gut kann Ihr Sohn tanzen?

Lutz: Der ist genauso begnadet wie ich. Wir fragen dann die Damen fortgeschrittenen Alters, ob sie ein Bein mit uns schwingen wollen, das gelingt uns – na ja, gut, eher weniger.

Ihr Sohn kann tanzen - und Toreschießen. Er ist der Torjäger der Mannschaft.

Lutz: Wir Kalchreuther sind stark im Kollektiv, Schlüsselspieler wollen wir nicht herausstellen. Immer mehr Spieler erreichen ein starkes Leistungsniveau, viele sind jung, können sich noch großartig entwickeln.

Wie hoch kann das gehen für den FC Kalchreuth im Amateurfußball?

Lutz: Wenn du irgendwann an was Höheres denken willst, muss alles passen – vom Ersatzspieler bis zum Betreuer. Wie weit das gehen kann, werden wir also sehen.

Das hätte man jetzt von Dortmunds Bundesliga-Trainer Thomas Tuchel genau so auch hören können in der Sportschau...

Lutz: Naja, ich möchte, dass das Kollektiv im Vordergrund steht. Dass einzelne Leistungsträger voran gehen müssen, das hat man im vergangenen Jahr gesehen, im Saisonendspurt, als wir nochmal Probleme bekamen.

Kalchreuth hat einige Anläufe gebraucht, um in die Bezirksliga zu kommen.

Lutz: Ja, man muss sehen, wie wir uns qualitativ weiterentwickeln mit dem vorhandenen Kader. Dann wird man sehen, ob die Reise noch weiter nach oben gehen kann.

Ist der FC Kalchreuth auch aufgestiegen, weil er im Trainingslager in der Türkei war?

Giering: Ich glaube, dass das schon sehr viel bewirken kann. Fußballerisch ist es ohne Kunstrasen im technisch-taktischen Bereich schwierig, im Winter in Deutschland zu trainieren. Zwölf Einheiten in sieben Tagen – das schaffen andere Vereine zu Hause in sechs Wochen. Und der Teamgeist wächst ja auch, wir haben in den vergangenen Jahren 20, 25 neue Spieler integriert – wie geht das besser, als eine Woche aufeinander zu sitzen?

Würde zum Abschluss jeder von Ihnen eine Anekdote aus dem Türkei-Trainingslager erzählen?

Lutz: Vergangenes Jahr haben ein paar Spieler gemeint, sie müssten über irgendwelche Dächer nachts in ihre Zimmer kommen. Dabei ist einer mit sieben Dachziegeln abgestürzt – Gott sei Dank ist den Ziegeln nichts passiert!

Giering: Ich war da nicht dabei! Aber an diesem ominösen Abend im Tanzlokal, da hat der Trainer soviel getanzt, dass wir ihn aufs Zimmer tragen mussten.

Aufrufe: 025.2.2017, 05:53 Uhr
Marcel Staudt (EN)Autor