2024-05-02T16:12:49.858Z

FuPa Portrait
Torjubel für den ETSV Weiche Flensburg: Mit drei Treffern und zahlreichen Vorlagen hat sich Mohamed Josef Shirdel beim Regionalligisten gut eingeführt. Foto: Michael Staudt
Torjubel für den ETSV Weiche Flensburg: Mit drei Treffern und zahlreichen Vorlagen hat sich Mohamed Josef Shirdel beim Regionalligisten gut eingeführt. Foto: Michael Staudt

,,Joe" Shirdel lebt für seine Träume

Weiches Neuzugang möchte Profi werden und für die Nationalmannschaft Afghanistans auflaufen

Er stammt aus Hamburg, war schon so gut wie sicher in England unter Vertrag und träumt von einem Einsatz in der Nationalmannschaft Afghanistans. Jetzt ist Mohamed Josef Shirdel beim Regionalligisten ETSV Weiche Flensburg gelandet - und fühlt sich wohl.

Demnächst steht der Umzug in die eigene Wohnung nach Harrislee an. ,,Wenn ich sesshaft geworden bin, kann ich noch bessere Leistungen bringen", sagt Mohamed Josef Shirdel, seit Saisonbeginn beim Fußball-Regionalligisten ETSV Weiche Flensburg unter Vertrag. Noch pendelt der 22-Jährige zwischen Norderstedt und Flensburg.

Er lebt wie ein Profi, hat auch schon mit den HSV-Bundesligaspielern trainiert. Und jetzt 4. Liga - das war überraschend. ,,Mich haben viele Leute gefragt, warum ich das mache", sagt der Fußballer, den die Mitspieler beim ETSV ,,Joe" rufen. Die Antwort ist einfach: ,,Ich bin jung und will Fußball spielen. Und ich wollte wissen, wo mein Zuhause ist."

Vor seinem Engagement in Weiche war der gebürtige Hamburger mit afghanischen Wurzeln ein Jahr lang vereinslos. ,,In Deutschland ist wichtig, was auf Papier steht. Und da steht eben, dass ich ein Jahr lang keinen Verein hatte", sagt Shirdel. Auf Papier steht nicht, was er alles unternommen hat. Er war beim Probetraining bei diversen Vereinen und wagte sogar den Sprung nach England.

Das große Ziel hieß Premier League - und der ,,stolze Hamburger" (Shirdel) war ganz nah dran. Sam Allardyce, Manager von West Ham United, wollte den flinken Flügelspieler unbedingt haben. Doch zunächst fehlte das Geld, weil die ,,Hammers" den Brasilianer Nené holten - und dann verlängerte der Verein den Vertrag mit Allardyce nicht.

Dessen Nachfolger Slaven Bilic wollte Shirdel noch einmal unter die Lupe nehmen - doch der war das Warten leid, wollte wieder spielen. Deshalb waren auch Anfragen aus der 3. Liga in Deutschland kurz vor Saisonbeginn keine Alternative.

Ähnlich die Sachlage beim schottischen Traditionsclub Glasgow Rangers: Auch dort war der Trainer, der Shirdel haben wollte, nicht mehr im Amt, als es um eine Verpflichtung ging. Das Thema England ist aufgeschoben, aber nicht aufgehoben. ,,Ich habe immer noch Kontakt", sagt der Stürmer.

Jetzt hat er wieder einen Verein - und fühlt sich wohl. Den Wechsel hat er noch nicht eine Sekunde bereut. ,,Ganz im Gegenteil", sagt Shirdel voller Überzeugung und fährt fort: ,,Daniel Jurgeleit hat mir gesagt, dass er ein gutes Gefühl habe und ich meinen Weg machen würde. Der Trainer mit seiner Ahnung vom Fußball wird mich weiterbringen."

Mit Weiches Coach steht er schon seit mehr als einem Jahr in Verbindung. Torwart Florian Kirschke (Shirdel: ,,Ein guter Freund, mit dem ich in der Jugend von St. Pauli gespielt habe") stellte den Kontakt her. Man wurde sich einig - und Shirdel unterschrieb für ein Jahr, führte sich mit drei Toren gut ein.

Am Sonntag im Manfred-Werner-Stadion wird er viele alte Bekannte treffen - es geht gegen die zweite Mannschaft des Hamburger SV, für die ,,Joe" zwei Jahre lang spielte. Am 19. Oktober 2013 erzielte Shirdel beim 6:2-Erfolg des HSV zwei Tore, auch beim 5:0 im August 2012 stand er für 18 Minuten auf dem Platz. ,,Komisches Gefühl, gegen die alte Mannschaft zu spielen, auch wenn ich nicht mehr alle Spieler kenne. Aber die Betreuer und Trainer Zinnbauer", sagt er.

Die fiebrige Erkältung, die ihn am vergangenen Wochenende beim 1:2 in Norderstedt außer Gefecht setzte, ist auskuriert. Das Ziel für Sonntag ist klar: ,,Vielleicht gelingen mir mit Gottes Hilfe wieder zwei Tore. Ich will auf jeden Fall meinen Beitrag dazu leisten, dass wir die Punkte holen."

Er hat wieder einen Verein, steht wieder im Blickpunkt - gute Voraussetzungen, dass neben der Karriere als Profi auch sein zweiter Wunsch in Erfüllung geht: ein Einsatz im Nationalteam von Afghanistan. ,,Die Spieler sind dort Volkshelden", sagt Shirdel, der mit dem (deutschen) Nationaltrainer Slaven Skeledzic in Kontakt steht. Spielen konnte er bislang nicht, weil er vereinslos war: Das Risiko bei einer Verletzung wäre zu groß gewesen.

Dennoch ist die Kunde von seinem fast perfekten Engagement in England auch bis ins Heimatland seiner Eltern gelangt. In Afghanistan war er noch nie, dennoch nimmt er großen Anteil am Geschehen dort. ,,Ich stehe zu 120 Prozent hinter dem afghanischen Volk. Die Menschen dort haben nicht viel außer ihrem Stolz. Ich möchte meinen Beitrag dazu leisten, dass sie in einer besseren Welt leben", sagt Shirdel mit leiser Stimme. Auch er will zu den ,,Löwen von Khorasan" gehören. Mit guten Leistungen beim ETSV Weiche kann der 22-Jährige die Grundlagen dafür legen.

Aufrufe: 023.8.2015, 08:00 Uhr
SHZ / Ulrich SchröderAutor