2024-04-16T09:15:35.043Z

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Manuela Imrocks Sohn Johannes präsentiert das Übungsprogramm.
Manuela Imrocks Sohn Johannes präsentiert das Übungsprogramm.

Fußball geht neue Wege

+++ JFV Alsfeld will mit neuem Athletik-Trainingskonzept das Verletzungsrisiko weiter minimieren +++ Manuela Imrock steigt als Trainerin ein +++

Alsfeld . Der Jugendförderverein (JFV) Alsfeld geht neue Wege in der Trainingsarbeit. Um die Nachwuchsspieler noch fitter zu machen – und damit besser vor möglichen Verletzungen zu schützen – setzt der Verein noch mehr auf „Functional Training“. Dazu hat man Manuela Imrock verpflichtet, die am Donnerstag erstmals für alle Teams des JFV ein solches Athletik-Training angeboten hat. Wegen des schlechten Wetters musste die Trainingseinheit kurzfristig vom Sportplatz in die Sporthalle des TV Alsfeld verlegt werden, wofür der JFV noch einmal ein Dankeschön an den TVA richtet.

Frau Imrock, sie haben am Donnerstag für alle Teams des JFV Alsfeld ein spezielles Athletik-Training angeboten. Wie kam es zu dem Engagement?

Die Einheit sollte allen Spielern und Trainern sowie interessierten Eltern einen Einblick in die Praxis des Athletiktrainings geben, das dann ab der kommenden Saison für alle Mannschaften des JFV in zweiwöchentlichem Rhythmus durchgeführt wird. Die Idee, das Athletiktraining regelmäßig in den Trainingsbetrieb zu integrieren, basiert auf dem ständigen Bestreben des Vorsitzenden Dr. Henning Schnell-Kretschmer, für die Teams des Vereins bestmögliche Trainingsbedingungen zu schaffen. Unterstützt wurde er von Joachim Geissler, derzeit Trainer der B1, der schon seit vier Jahren regelmäßige Athletikeinheiten in seinen Trainingsplan integriert hat. Er war es auch, der den entscheidenden Anstoß zur Zusammenarbeit mit mir als externer Trainerin gab. Wir kennen uns seit vielen Jahren und so wusste Joachim Geissler, dass ich nicht nur als Sportlehrerin im Schuldienst tätig war, sondern daneben noch eine Lizenz als Crossfit-Athletiktrainerin erworben, verschiedenste Weiterbildungen im Bereich Functional Training besucht hatte und als Trainerin in diesem Bereich für den „Tiger and Dragon Club Alsfeld“ tätig bin. Die erste Athletikeinheit fand im Rahmen des Trainingslagers der damaligen D-Jugend im Sommer 2013 statt. Daraus entstanden regelmäßige, wöchentliche Athletikeinheiten. Unterstützung gab es auch vom Verein Tiger and Dragon Alsfeld.

Beweglichkeits- oder Gleichgewichtstraining – das hört sich für einen Fußballer erst einmal ungewohnt an. Was sagen denn die Nachwuchsspieler zu ihren Übungseinheiten?

In den Mannschaften, die ich bisher betreut habe, sind die SpielerInnen die „neuen Aufgaben“ motiviert und interessiert angegangen. Ein Grund dafür ist sicher, dass die Mannschaftstrainer die Teams ja im Vorfeld schon ein wenig auf „Neues“ vorbereitet haben. Zum anderen werden zu der ersten Einheit die Eltern eingeladen – auch zum Mitmachen. In einem Fall bildete sich daraus eine bestehende Elterngruppe, die sich inzwischen in den Kursplan des Tiger and Dragons eingegliedert hat und dort das ganze Jahr über trainiert. Die Erfahrung zeigt, dass die Einheiten auch eine willkommene Abwechslung sind und man als externe Kraft eben auch mal von einer ganz anderen Warte aus mit der Gruppe arbeiten kann. Natürlich freuen sich die SpielerInnen nach den Athletikeinheiten dann auch wieder auf „Fußball“ und das ist gut so, denn schließlich liegt darauf nach wie vor das Hauptaugenmerk.

Werden Sie für einige Übungen auch belächelt?

Ja, ab und an kommt das vor. Aber während des Erlernens einer neuen unbekannten Technik, deren Sinnhaftigkeit und Effektivität im Hinblick auf fußballerisches Können zunächst belächelt wird, erfahren die Teilnehmer oft schon, wie sagt man so schön „am eigenen Leib“, aus welchem Grund ich gerade diese Technik ausgewählt habe. Spätestens zwei Tage später, wenn der Muskelkater da ist, ist Schluss mit „belächeln“. Wichtig ist immer, dass die Gründe für die Auswahl der Übungen transparent und verständlich sind. Und natürlich, dass es alles irgendwie auch Spaß macht – zumindest meistens... Außerdem kommt es auch immer etwas auf die „Verpackung“ an. Mit einem „one leg deadlift“ (statt Standwaage mit Rumpfbeuge) und „good mornings“ (statt Rumpfaufrichten) lässt sich manche(r) SpielerInnen schneller dafür gewinnen, diese Techniken zu lernen und zu trainieren. In den bekannten Filmen „Sommermärchen“ und „Die Mannschaft“ sind Szenen zu sehen, die zeigen, dass es auch bei der Nationalmannschaft längst Athletiktraining gibt. Und manchmal hilft zur Motivation auch der kleine Hinweis, doch mal beim Trikottausch genau hinzuschauen. Gut trainierte Oberkörpermuskeln, die Stabilität geben für kräftige und zielsichere Schüsse, bekommen auch Profis nur durch das entsprechende Training.

Welche Rückmeldungen erhalten sie von den Aktiven?

Die Spieler bringen Wünsche und Anregungen ein. Natürlich gibt es auch die ein oder andere Anfrage, ob eine „ungeliebte“ Übung nicht einfach von der Liste gestrichen werden könnte. Einigkeit herrscht immer darüber, dass die Einheiten Spaß machen, anstrengend und immer gut für eine Überraschung sind. Dann sehen die Spieler, was es noch so alles gibt neben Technik und Taktik – und genau diesem dann doch wieder förderlich ist.

Selbst der DFB hat das Trainingsprogramm – spätestens seit den Zeiten von Jürgen Klinsmann – völlig neu definiert. Inwieweit ziehen da die heimischen Amateur-Vereine mit?

Ich denke, die Trainingseinheiten aller Vereine haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Um die Wichtigkeit von Athletik, Balance- und Ausgleichsübungen – neben dem fußballspezifischen Training – weiß jeder Trainer aus den mittlerweile ja sehr umfangreichen und effektiven Trainerausbildungen. Aber es ist nicht leicht, so viele verschiedene Dinge in den Trainingseinheiten zu integrieren und braucht zusätzliche Vorbereitungszeit, die die Trainer oft nicht haben. Insofern ist die Beauftragung einer externen Fachkraft sicher sinnvoll. Der JFV wird der erste Verein sein, für den ich das Training über die gesamte Saison anbiete, andere Vereine integrieren vier, fünf Athletikeinheiten in die Saisonvorbereitung.

Sind Sie auch bei anderen Klubs tätig?

Seit 2012 bin ich Übungsleiterin beim Tiger and Dragon Club Alsfeld. Aktuell haben die Spieler des TSV Burg-/Nieder-Gemünden ihre letzte von vier Athletikeinheiten während der Saisonvorbereitung absolviert. In den vergangenen Jahren war ich für die SG Herzberg und Altenburg/Eudorf/Schwabenrod tätig.

Was sind die wichtigsten Vorteile dieses Trainings?

Bei dieser Art von Training steht die Gesamtleistung des Bewegungsapparates im Vordergrund. Die vielseitige Übungsauswahl ermöglicht ein Training nicht nur für konditionelle Aspekte wie Kraft und Ausdauer, sondern wirkt sich auch positiv auf die Bereiche Koordination, Beweglichkeit und ‚Agility‘ aus. Insbesondere Fußballer müssen in der Lage sein, handlungsschnell Entscheidungen zu treffen. Nicht nur physische, sondern auch mentale Schnelligkeit sind insbesondere auch zur Vermeidung von Verletzungen mit oder ohne Gegnereinwirkung immens wichtig. Die Sprints, Sprünge, Schüsse und Zweikämpfe beim Fußball erfordern gute athletische Fähigkeiten und eine allgemeine Kräftigung des gesamten Körpers ist deshalb wichtig und dient zudem der Verletzungsprophylaxe. Athletiktraining benötigt wenig Trainingsgerät, da vorwiegend mit dem eigenen Körpergewicht trainiert wird. Außerdem stärkt das Gefühl „wir müssen gemeinsam durch Handstand und Standwaage“ den Zusammenhalt.



Name: Manuela Imrock-

Wohnort: Alsfeld

Beruf: erlernt: Lehrerin für Sport und Arbeitslehre (Sporthochschule und Uni Köln), derzeit ausgeübter Beruf: Mutter und Hausfrau, Verkäuferin im Einzelhandel, Cross-Sport-Athletiktrainerin (Tiger And Dragon Alsfeld, JFV Alsfeld).

Berufliche Erfahrungen: Freiberufliche Aerobic- und Fitnesstrainerin, Dozentin für Aus- und Weiterbildung von ÜbungsleiterInnen DTB und LSB, Lehrauftrag Sportförderunterricht Stadtschule Alsfeld, Angestellte bei der AOK Hessen, Abteilung Prävention, Leiterin Fachbereich Bewegung, Lehraufträge Sport und Arbeitslehre: Stadtschule, Gerhard-Hauptmann-Schule, Geschwister-Scholl-Schule und Erich-Kästner-Schule

Persönliche Lieblingssportart: Cross Sports, Athletiktraining, Radeln, Tanzen (aktiv), Fußball (passiv).

Zum Trainerengagement gekommen: Durch meinen erlernten Beruf und die hinzugekommenen, verschiedenen Trainerausbildungen. Dazu die vielen persönlichen Kontakte mit in den „Sport eingebundenen Freunde“.

Tipp: Die Mischung macht‘s, die Regelmäßigkeit und das Einhalten von angemessenen Pausen. Daher gilt: Am Ball bleiben und den Spaß nicht verlieren. - Grundsätzlich gilt: Vielseitigkeit ist besser als einseitig trainieren. Ich persönlich habe – trotz teilweise intensiver Ausübung der Sportart Laufen (z. B. Brauereicupsiegerin 2007 und 2008) nebenbei u. a. auch Kickboxen trainiert und immer Krafttraining beibehalten…

Zur Person

Functional Training, Fitnesstraining, Crossfit, Cross-Sport, Athletiktraining – es finden sich unzählige Namen für prinzipiell ein und dieselbe Sache- Es handelt sich um ein ständig variierendes Kraft- und Ausdauertraining, das eine alltagstaugliche Fitness schafft und außerdem eine hervorragende Grundlage und Ergänzung für viele Sportarten bietet. Die Variationen einzelner Übungen ermöglicht eine sehr individuelle Gestaltung der Trainingsinhalte. Statt einzelne Muskeln isoliert zu trainieren, werden ganze Muskelgruppen und komplexe Bewegungsabläufe gefordert. Das macht nicht nur im Sport, sondern auch im Alltag belastbarer. Neben Kraft und Ausdauer bildet auch die Schulung von Balance und Flexibilität einen wichtigen Trainingsinhalt. Die Leistungsfähigkeit wird verbessert und gleichzeitig Verletzungen vorgebeugt.

2013 wurde eine über zwölf Jahre angelegte Studie der UEFA bzgl. der Auswirkungen von Verletzungsprophylaxe durch Athletiktraining veröffentlicht, die belegt, dass regelmäßiges Training die Verletzungen pro Spieler und im Mannschaftsdurchschnitt senkt, bzw. systematisches Athletiktraining die Verletzungsanfälligkeit senkt.

Zu der Präventionskampagne „Sei kein Dummy“ des VBG (Verwaltungs-Berufsgenossenschaft der gesetzlichen Unfallversicherung) gibt es eine ausführliche Beschreibung für Mobilitäts-, Kräftigungs- und Stabilisationsübungen.

Erste „Berühmtheit“ erlangte das „Functional Training“ vor einigen Jahren durch Jürgen Klinsmann, der zunächst für die Auswahl der „Turnvater Jahn Übungen“ belächelt wurde, die mittlerweile fester Bestandteil vieler Trainingseinheiten geworden sind.

Das Gießener Sportinstitut entwickelte im Jahr 2014 eine neuartige Übungsreihe für Verletzungsprophylaxe (die OZ berichtete am 20. November 2014), die ebenfalls im Kern die Inhalte des Athletiktrainings enthält. Der Focus liegt sicher auf der Körpermitte (corestability). Übungen wie Squat, Push Up, Plank, alle Varianten von Bauch- und Rückenmuskelübungen sind feste Bestandteile. Daneben z. B. Gleichgewichtsübungen wie „One Leg Deadlift (einbeiniges, rumänisches Kreuzheben), Seilspringen (Koordination/Kondition) und natürlich jede Mange Dehnungübungen.

Alle Inhalte werden dem Alter der Spieler angepasst. So werden bei jüngeren Jahrgängen z. B. noch mehr spielerische Formen des Athletiktrainings angeboten.

MANUELA IMROCK

Aufrufe: 029.7.2017, 10:20 Uhr
Volker Lehr (Oberhessische Zeitung)Autor