2024-04-24T13:20:38.835Z

Kommentar

Ist der Schiedrichter Freiwild?

Was bisher vorwiegend nur im Westen der Republik passiert, ist nun auch bei uns im Nordwesten traurige Alltäglichkeit: Spielabbrüche wegen tätlicher Angriffe auf den Schiedsrichter.

Wir alle kennen die Situation. Der Schiedsrichter pfeift, wir haben die Situation komplett anders und natürlich richtig gesehen. Sofort wird versucht den Schiedsrichter mit Zurufen zu beeinflussen. „Hat er nicht gesehen“, „Pfeift er beim nächsten Mal“ – so was ist inzwischen normaler Sprachgebrauch. Es wird versucht, den Unparteiischen zu einer Revision seiner Sicht zu bewegen. Was aber im Normalfall nicht klappt.


Aber das sind noch die harmlosen Geschichten.

„Ich enthaupte Dich“, „Komm Du mal vom Feld, dann schlag ich Dir in die Fresse“, versuchte Kopfstöße und Tritte in den Unterleib –so passiert am Wochenende auf den Plätzen hier in der Region. Ist das der Fußball, den wir sehen wollen? Muss ein Schiedsrichter bei einem C-Juniorenspiel sich von den Trainern permanent beschimpfen lassen, weil er das Spiel leitet? Von Trainern, die gerade Anfang 20 sind, die mit Jogginghose und Baseballcap ihren Spielern den „Gangster“ vorleben und schon durch ihren Habitus und ihr Auftreten der Mannschaft klarmachen, dass der Referee eine Zielscheibe und kein Sportkamerad ist? Die Kinder sehen dieses Verhalten und imitieren es, womöglich bis in den Herrenbereich hinein. Da geht früh der Respekt vor dem Spielleiter verloren, weil die Trainer es vorleben.

Ein Blick nach England könnte helfen. Dort ist der Mann an der Pfeife ein Teil des Spiels, ein Partner der Spieler – nicht ihr Gegner. So wie der Ball oder die Eckfahne. Und das wird im Mutterland des Fußballs auch schon den Jugendlichen beigebracht. Und dadurch werden solche verabscheuungswürdigen Auswüchse, wie wir sie hier an diesem Wochenende erlebt haben, minimiert. Natürlich: Der Schiri wird nie alles sehen, er wird nie fehlerfrei sein. Er wird mal einen schlechten Tag haben. Wie jeder, der ein Hobby ausübt. Aber sind die Spieler denn fehlerfrei? Ist nicht in der Wut auf den Referee auch ein Stück Wut über die eigene Leistung?

Wohlgemerkt: Wir reden hier immer noch von einem Hobby. Keiner verdient im Amateurfußball Reichtümer, um die es sich zu kämpfen lohnt. Wenn man aber das Geschehen auf dem Platz verfolgt, könnte man allerdings meinen, dass es mindestens um den DFB-Pokal geht. Und die Quali für Europa.


Im Endeffekt sind alle gefordert. (Jugend)Trainer, Spieler, aber auch Zuschauer müssen begreifen, dass sie nicht jeden Pfiff des Schiedsrichters lautstark kommentieren müssen. Dass nicht jede Entscheidung falsch ist. Und dass der Mann mit der Pfeife in seinem Hobby sein bestes tut und als einziger die Spielleitung inne hat. Keiner würde auf die Idee kommen, einen Polizisten bei einer Verkehrskontrolle zu bedrohen oder zu treten. Aber auf dem Fußballplatz wird das alles über Bord geworfen, wird für sich selbst ein rechtsfreier Raum reklamiert. Etwas mehr Gelassenheit auf dem Platz würde gut tun. Denn sonst haben wir bald keinen Nachwuchs im Schiedsrichterbereich mehr. Und dann ist das Spiel tot. Den besten Ansatz leifert immer noch Ronny Klause, Trainer aus Oldenburg: "Wir müssen klar spielen, dann kann der Schiri klar pfeifen."

Aufrufe: 012.4.2016, 16:30 Uhr
Volkhard PattenAutor