2024-03-28T15:56:44.387Z

Sport Only

Innovatives Konzept oder Destruktiver Anti-Fußball?

Michael Meier, Experte für die Kreisliga A Lübbecke bei der Neuen Westfälischen, und Trainer Philipp Knappmeyer diskutieren über RB Leipzig

RedBull Leipzig stürmt an die Tabellenspitze der Bundesliga. Ach nein, natürlich RasenBallsport Leipzig muss es richtig heißen oder eben kurz gesagt die „Roten Bullen“, um gleich wieder einen Bezug zum Brausehersteller aus Österreich herzustellen. Über wohl kaum einen Verein wird so kontrovers diskutiert. In dieser Rubrik soll es aber in erster Linie um die sportliche Leistung gehen.

Michael Meier (Pro)

Man muss anerkennen, dass in Leipzig vieles richtig gemacht wird. Natürlich auch, weil das nötige Kleingeld vorhanden ist. Allein das Jugendleistungszentrum gehört zu den Besten in Deutschland. Das man in Leipzig auch in Zukunft auf Spieler aus der eigenen Jugend setzen wird, ist lobenswert. Vielleicht haben diese Vereine -im Vergleich zu etablierten Bundesligavereinen- frühzeitig erkannt, dass man in der Jugendarbeit, gerade im Leistungsbereich, andere Wege einschlagen muss oder sollte.

Wie sehr die Arbeit in Leipzig bereits Früchte trägt, bekamen im Januar auch die Zuschauer des „Freeway-Cup“ zu sehen. Die Leipziger nahmen bei ihrer Premiere in Lübbecke gleich den großen Siegerpokal mit nach Hause. Auch in der Bundesliga muss man den Hut vor den Leistungen der Sachsen ziehen. Mal ganz ehrlich, wie viele Spieler hättet ihr aus dem Kader vor der Saison gekannt? Vielleicht einen Davie Selke, vor allem wegen des spektakulären Wechsels von Werder Bremen zu einem Zweitligisten. Natürlich wird auch das Geld eine Rolle gespielt haben. Vielleicht aber auch die bessere sportliche Perspektive. Einen Yussuf Poulsen, Timo Werner, Marvin Compper. Okay. Rani Khedira wohl eher wegen seines älteren Bruders. Man kennt diese Spieler oder besser ihre Namen, aber hätte man denen zugetraut, dass sie auf Anhieb an die Tabellenspitze der Bundesliga stürmen? Wohl kaum.

Viele andere Spieler wie Naby Keita, Stefan Ilsanker, Diego Demme oder Emil Forsberg, dürften die meisten wie ich, erst diese Saison so richtig zum ersten Mal vernommen haben. Aber gerade das macht es aus sportlicher Sicht so beeindruckend. Auch wenn die Leipziger am Wochenende, ausgerechnet beim FC Ingolstadt die erste Saisonniederlage hinnehmen mussten. Die zwischenzeitliche Tabellenführung von RB Leipzig hat auch nichts mit Glück zu tun. Auch die Wahl auf Trainer Ralph Hasenhüttl vor der Saison ist gezielt getätigt worden. Er lässt mit der jungen Mannschaft erfrischenden Offensivfußball spielen. Nach Ballgewinnen wird der Ball sofort in die Spitze gespielt, zudem brilliert das Team mit einem überragenden Gegenpressing. Einem in der heutigen Zeit immer häufiger verwendeten Schlagwort. Diese Mannschaft ist fast nicht auszurechnen. Aber im Vergleich zu vielen anderen Vereinen in der Bundesliga, hat diese Mannschaft einen Plan, den sie auch komplett durchzieht. Auch die Variabilität der einzelnen Spieler spricht dafür. Man muss schauen, ob die Leipziger dieses Tempo über eine ganze Saison gehen können. Dennoch dürfte mit den Leipzigern länger zu rechnen sein. Ob man das nun mag oder nicht. Schaue ich mir nur die reine Leistung der „Roten Bullen“ an und vergesse dabei alles Drumherum, kann man schon ein „Fan“ dieser Mannschaft werden.

Philipp Knappmeyer (Contra)

Schon mal 90 Minuten RB Leipzig geschaut?
Was auffällt ist ein extrem hektisches Spiel, viele Pressbälle, und eine nervöse Hatz nach dem Ball.
Als Zuschauer ertrage ich es meist keine halbe Stunde.
Doch diese Hektik hat System. Sie ist durchdacht, gewollt und konstruiert bis ins kleinste Detail.
Ihr Mastermind heißt Ralf Rangnick. Und seine Idee vom Fußball nervt.

Dazu zwei Gedankengänge – ein erster:
Das Konstrukt eines durch einen Großinvestor getragenen Fußballvereines kann ich mittlerweile akzeptieren. Im umliegenden Ausland passiert das noch viel häufiger und wird auch im deutschen Fußball Normalität werden. Aber es geht mir auch nicht um die Frage, ob RB Leipzig seine aktuelle Position im deutschen Fußball durch Schweiß und Tradition „verdient“ hat, sondern ob man von dieser Mannschaft und ihrem Stil zu spielen, Fan sein kann?

Dazu ein zweiter gedanklicher Ausflug:
Schaut man einem Haufen Kinder beim „Bolzen“ zu, stellt man ziemlich schnell fest, dass fast Jedes versucht, mit dem Ball besondere Taten zu vollbringen. Tolle Dribblings, Tricks und Tore sind das Ziel. Gekoppelt ist diese Art zu spielen an einen schon fast banalen Gedanken: Ich will mit dem Ball spielen!
Doch genau dieses Prinzip stellt RB Leipzig mit seiner Philosophie ad absurdum.
Das klingt dann bei Ralf Rangnick so:„Im Fußball geht es nicht nur darum, Lösungen bei Ballbesitz zu vermitteln, sondern vor allem um Vermittlung eines synchronisierten Matchplans bei Ballbesitz des Gegners.“

Leipzig perfektioniert eine Art des Spiels, die darauf basiert, den Ball nicht zu besitzen.
Wir Fußballer wissen, dass es einfacher ist als Mannschaft gegen den Ball zu spielen als mit ihm, aber die Abkehr von diesem Grundprinzip, dem kindlichen Trieb mit dem Ball zu spielen, ist für mich die Verhöhnung unserer Sportart.

Ich will hier nicht ins Naive driften.
Mir ist klar, dass Leipzig den idealen Weg nach schnellem Erfolg sucht. Sie agieren mit einer unglaublich klugen Personalpolitik. Sie arbeiten mit hochmodernen sportwissenschaftlichen Konzepten bis ins kleinste Detail.
Aber der Hype auf diese Mannschaft ist zu hoch und verfrüht. Sie werden mit ihrem Stil ganz sicher gegen jede deutsche Mannschaft eine gute Siegchance haben, aber sie werden kontinuierlich an Grenzen stoßen. Emil Forsberg konstatierte nach der Niederlage in Ingolstadt: „Unser Spiel mit Ball war nicht gut genug.“
Doch ist diese Niederlage ist kein Indikator für meine These. Das wäre zu einfach.
Geben wir Ihnen die Chance eine Reaktion zu zeigen.
Doch ganz sicher ist, dass ich dabei nicht zuschaue. Ich kann kein Fan einer Mannschaft sein, die das „Gewinnen-Können“ optimiert, indem Sie das Destruktive perfektioniert und das dann als modern begriffen wird.

Hoffentlich kopieren nicht zu viele diesen Stil – denn dieser Rückschritt zerstört unser Spiel.
Ralf Rangnick ist nicht Johan Cruyff.

Der Ansatz:

In Zukunft wollen wir, Philipp Knappmeyer und Michael Meier, hier bei FuPa, über aktuelle Themen aus dem Bereich Fußball diskutieren. Dabei soll es sowohl um überregionale Dinge gehen, aber auch um Themen aus dem lokalen Fußballgeschäft. Dabei soll nicht jedes Wort auf die Goldwaage gelegt werden. Uns geht es in erster Linie darum, gewisse Themen nicht nur einseitig zu sehen, sondern von mehreren Seiten zu beleuchten.

Zu uns

Philipp Knappmeyer: 32 Jahre alt, Sportwissenschaftler, früherer Spieler u.a. beim Landesligisten TuS Tengern. Trainer beim FC Lübbecke und zuletzt bei Union Varl. Ab 2017 übernimmt Philipp den Jugend-Leistungsstützpunkt Lübbecke.

Michael Meier: 42 Jahre alt, seit 1999 freier Mitarbeiter bei der Neuen Westfälischen, der sich selbst als sportverrückt erklärt. Seit rund sechs Jahren berichtet Michael über die Kreisliga A Lübbecke.

Aufrufe: 016.12.2016, 15:43 Uhr
Michael Meier/Philipp KnappmeyerAutor