2024-05-10T08:19:16.237Z

Allgemeines
Schwarz-Weiße-Erinnerungen: Im Jahr 1975 „krönte“ sich Gert Trinklein und Eintracht Frankfurt mit dem Pokal. Damals siegte die SGE gegen MSV Duisburg 1:0 im Hannoveraner Niedersachsenstadion. Der letzte Pokalsieg gelang 1988 gegen Bochum. Davon, dass es heute in Berlin wieder eine Frankfurter Sieger-Ehrenrunde gibt, sind die heimischen Fußball-Experten jedoch nicht überzeugt.
Schwarz-Weiße-Erinnerungen: Im Jahr 1975 „krönte“ sich Gert Trinklein und Eintracht Frankfurt mit dem Pokal. Damals siegte die SGE gegen MSV Duisburg 1:0 im Hannoveraner Niedersachsenstadion. Der letzte Pokalsieg gelang 1988 gegen Bochum. Davon, dass es heute in Berlin wieder eine Frankfurter Sieger-Ehrenrunde gibt, sind die heimischen Fußball-Experten jedoch nicht überzeugt.

»In einem Spiel hast du immer Chancen«

POKALFINALE: +++ Heimische Experten drücken überwiegend Frankfurt die Daumen +++ Schätys Aberglaube +++ Mohr und Siegel live dabei +++

GIESSEN . Wenn Schiedsrichter Deniz Aytekin am heutigen Samstag um 20 Uhr das DFB-Pokalfinale in Berlin anpfeift, ist die Bedeutung für die hessischen Fußballfans ungleich größer als zuletzt. Denn erstmals seit elf Jahren steht Eintracht Frankfurt wieder im Endspiel und möchte dem Favoriten Borussia Dortmund ein Bein stellen. Für die Adlerträger wäre es zugleich der erste Titelgewinn seit 1988, als Lajos Détári mit seinem Freistoßtreffer für den Triumph über den VfL Bochum sorgte.

Wo, wenn nicht im „Sowieso“, sollte Britta Prell das Endspiel verfolgen. Die Gießener Kultwirtin erwartet auch in Anbetracht der Final-Konstellation ein volles Haus. „Wir haben hier viele Dortmund-Fans, aber es gibt auch zahlreiche Eintrachtler, die bei mir einkehren. Ich freue mich einfach auf einen schönen Abend.“ Und bei aller Neutralität würde Prell den Frankfurtern den Erfolg ein klein wenig mehr gönnen, weil „ich mich immer freue, wenn nicht immer die gleichen die Titel gewinnen. Außerdem wäre es mal an der Zeit, wieder einen Titel auf die Fahnen zu drucken. Der Letzte ist ja lange her“. Die Wirtin, die es ja mit dem FC St.Pauli und vor allem dem VfB 1900 hält, darf sich neben den Finalfans, auch auf die Mannschaft des Verbandsligisten freuen, die sich nach ihrer letzten Partie gegen Marburg ebenfalls im „Sowieso“ angekündigt hat.

Im Stadion verfolgt Kreisfußballwart Henry Mohr die Partie zusammen mit seinem Sohn. Bei allem Lokalkolorit ist Mohr aber neutral. Bezüglich der Favoritenrolle kann es für Mohr keine zwei Meinungen geben. „Die hat ganz klar Dortmund inne, aber nach den letzten Finalniederlagen stehen die schon unter Druck. Vielleicht kann sich die Eintracht das zunutze machen“, erklärt der Kreisfußballwart und schiebt doch noch nach. „Wenn schon ein hessischer Verein im Finale steht, hätte ich natürlich nichts dagegen, wenn er es auch gewinnt.“

Im weiten Berliner Rund über den Weg laufen könnte Mohr auch Thorsten Siegel, Fußballer und Trainer beim MTV Gießen. Der SGE-Dauerkarten-Inhaber ist über den Bundesligisten an Karten gekommen, reist aber am Wochenende privat und nicht mit den Fußball-Kumpels in die Hauptstadt. Was auch seine Gründe hat. „Das Spiel ist mir schon wichtig, ganz klar. Die Eintracht sehe ich schon in der Außenseiterolle, aber man weiß ja nie. Beim letzten Pokalsieg 1988 dürften 80 bis 90 Prozent der Fans noch nicht auf der Welt gewesen sein“, so Siegel, der den Fußballtrip aber direkt mit einem entspannten Kurzurlaub verbindet.

In mehrfacher Hinsicht hat Matthias Hagner gesteigertes Interesse am DFB-Pokalfinale, immerhin hat er es sogar schon selbst erlebt. 1997 wurde der in Gießen geborene Ex-Profi DFB-Pokalsieger, damals im Trikot des VfB Stuttgart war Hagner gemeinsam mit Fredi Bobic, zu dem er immer noch Kontakt pflegt, am Ball. „Ich würde es ihm wirklich gönnen, die Saison mit dem Pokalsieg abzuschließen, zumal er es ja als Bruchhagen-Nachfolger in Frankfurt zunächst nicht leicht hatte.“ Hagner ahnt, wie schwer das für die Eintracht wird, denn „sie haben ja eine absolut miese Rückrunde gespielt. Und dann musst du aus deiner Negativspirale heraus die Kurve noch einmal kriegen. Das wird schwer, da ist viel Zweckoptimismus dabei.“ Allerdings ist Hagner als Hesse freilich aufseiten der Adlerträger, vor allem auch, weil er den Club aus eigener Anschauung bestens kennt. Bei den Junioren hat er für ein Jahr gespielt, ehe er seine Profikarriere am Main begann. Vier Jahre, von 1992 bis 1996, war er Eintrachtler. Und sieht, nicht nur aus Sympathie, trotz der vorab geäußerten Bedenken nicht schwarz für die Elf von Niko Kovac. „In 90 Minuten geht es nicht nur um die Favoritenrolle von Dortmund, da geht es auch um Glück und die Tagesform. Ich beziffere die Möglichkeiten 70:30 oder 60:40 für Dortmund. Aber man hat immer eine Chance.“

Dass es in Hessen aber auch eine Vielzahl an Borussen-Fans gibt, ist hinlänglich bekannt. Und auch der BVB-Fanclub aus Gießen ist diesmal wieder auf großer Reise. Gut vierzig Mitglieder machen sich auf den Weg in die Hauptstadt. Nicht dabei ist diesmal der erste Vorsitzende Horst Schäty. Da Aberglaube im Sport eine große Rolle spielt, liegt die Erklärung auf der Hand. „Ich war in den vergangenen drei Jahren dreimal da, und wir haben alle drei Finals verloren. Jetzt bleibe ich zuhause, vielleicht läuft es dann besser“, lacht Schäty. Zuhause bedeutet aber nicht auf der heimischen Couch, sondern im Vereinsheim im Schiffenberger Tal. Dort schaut der Vorsitzende das Endspiel mit weiteren Fanclub-Mitgliedern, und drückt natürlich die Daumen für die Borussen, sieht aber keine leichte Aufgabe auf seine Schwarz-Gelben zukommen. „Für viele Eintrachtler ist es das Spiel des Lebens. Die werden sich zerreißen“, glaubt Schäty.

Eine volle Hütte erwartet auch Haiko Schimpf, Inhaber des Kaffee Wolkenlos (KW) in der Goethestraße. Mehrfach hätte er seine Kneipe beim Pokalfinale füllen können. Dort sind die Sympathien allerdings klar verteilt, das KW ist praktisch eine Eintracht-Kneipe. Schimpf, selbst SGE-Anhänger durch und durch, lässt daher auch keine Zweifel am Finalausgang aufkommen. „Die Eintracht gewinnt, ganz klar. Das exakte Ergebnis ist mir da natürlich völlig egal“, so Schimpf lachend.

Gegen einen Erfolg der Adlerträger hätte auch Dragoslav Stepanovic, einst selbst Kneipier wie Prell und Schimpf, nichts einzuwenden. Der Eintracht-Kulttrainer, der als Coach von Bayer Leverkusen 1993 den Pokal erringen konnte, reist auf Einladung der Frankfurter mit seiner Frau Jelena nach Berlin und freut sich unheimlich auf das Spiel. „Wenn man bedenkt, wo die Eintracht vor einem Jahr stand, sollten wir alle froh sein über diese Saison, auch wenn die Rückrunde natürlich nicht so gut lief. Dennoch ist das Finale vor allem für die Fans eine tolle Sache. Ich bin voller Vorfreude.“ Dass die Dortmunder in der Favoritenrolle sind, ist „Stepi“ aber völlig klar. „Und zwar zu 100 Prozent. Man muss sich nur mal anschauen, dass Dortmund vor der Saison über 100 Millionen ausgegeben hat, die Eintracht vielleicht fünf. Dennoch ist es nur ein Spiel, und in einem Spiel hast du immer eine Chance“, weiß der 68-Jährige aus langjähriger Trainererfahrung. Zudem hat Stepanovic auch die zwei Siege gegen die Schwarz-Gelben in den letzten beiden Jahren in guter Erinnerung, was ihm zusätzlich Hoffnung macht. „Der 1:0-Heimsieg in der vergangenen Saison war der entscheidende, um noch in die Relegation zu kommen. Das war ein Alles-oder-Nichts-Spiel. Und das ist es heute auch. Warum sollte die Eintracht das also nicht wieder gewinnen?“, merkt „Stepi“ an.

Aber ganz egal, wer den Pott heute in den Berliner Nachthimmel reckt und wer als Verlierer zurückbleibt: „Lebbe geht weider!“ – frei nach „Stepi“!



Aufrufe: 027.5.2017, 08:00 Uhr
Marc Steinert (Gießener Anzeiger)Autor