2024-04-25T14:35:39.956Z

Interview
Josef Sigl (v.re.) bei seinem Not-Einsatz in Schalding - mit seinen Behelfs-Assistenten Walter Antesberger und Anton Gerstner. F: Wagner
Josef Sigl (v.re.) bei seinem Not-Einsatz in Schalding - mit seinen Behelfs-Assistenten Walter Antesberger und Anton Gerstner. F: Wagner

»In den letzten Minuten war ich bratfertig«

Josef Sigls außergewöhnliches Schiedsrichter-Comeback beim Landesliga-Topspiel in Schalding

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Es ist die Story des vergangenen Spieltags in der Landesliga Mitte. Weil das eingeteilte Schiedsrichter-Gespann aus Salzburg nicht zum niederbayerischen Topspiel zwischen dem SV Schalding-Heining und der SpVgg Landshut erschienen war, musste kurzfristig Ersatz gesucht werden. Der 47-jährige Ex-Landesliga-Referee und Schiedsrichter-Beobachter Josef Sigl vom SV Thurmansbang übernahm schließlich das Kommando, nach fünf Jahren Schiedsrichter-Pause, mit halb kaputtem Schuhwerk und zwei kurzfristig organisierten Assistenten. Im FuPa-Interview schildert Sigl die Eindrücke seines unglaublichen Karriere-Highlights.

Unverhofft kommt oft. Du bist am Samstag zu deinem ersten Schiedsrichter-Einsatz seit fünf Jahren gekommen, obwohl du ja eigentlich nur als Schiedsrichter-Beobachter eingeteilt warst. Und dann gleich ein Landesliga-Spiel mit den beiden niederbayerischen Topteams. Erzähl uns von deinen Eindrücken.
Josef Sigl (47): Für mich war's ein absolutes Highlight und ein Riesenspaß. Alle waren zufrieden, außer die Schaldinger. Die waren natürlich enttäuscht nach der 1:3-Niederlage gegen den ärgsten Verfolger aus Landshut. Aber nach dem Spiel haben mir viele Spieler die Hand gegeben und sich bei mir für die Spielleitung bedankt.

Warst du selbst auch mit deiner Leistung zufrieden?
Ja. Ich denke, wir haben das ganz gut gemacht. Es waren ja besondere Umstände, für die Spieler und für mich und meine Assistenten ganz besonders.

Verständlich. Ihr musstet ja kurzfristig einspringen, weil das eingeteilte Schiedsrichter-Gespann aus Salzburg nicht erschienen war. Gab's schon eine Entschuldigung bzw. Erklärung, weshalb die Österreicher nicht in Schalding erschienen sind?
Nein. Nicht, dass ich wüsste. Wir konnten den Schiri am Samstag vorm Spiel ja auch telefonisch nicht erreichen. Eine Nummer hatten wir nicht, nur eine E-Mail-Adresse. Und der Schiedsrichter-Einteiler aus Salzburg ging nicht ans Telefon.

Sigl: »Ante, wo bist denn grad? Ich brauch an Linienrichter.«

Und um 14 Uhr, eine Stunde vor Anpfiff, sollten die Schiedsrichter eigentlich am Spielort sein. Aber es kam keiner. Ab wann ist dir die Sache komisch vorgekommen?
Ich bin selber um 14 Uhr angekommen, und hab erst gemeint die Schiedsrichter sitzen beim Kaffeetrinken im Vereinsheim. Doch dann kam gleich Bezirks-Schiedsrichter-Obmann Franz Bachinger zu mir und hat mir mitgeteilt, dass noch keiner da ist und dass wir einen Plan B brauchen. Ich hab mir erst gedacht, die sind wahrscheinlich in Schalding links der Donau und stehen am falschen Fußballplatz. Aber auch um halb drei war noch keiner da, und telefonisch haben wir ja niemanden erwischt.

Plan B heißt, entweder Franz Bachinger springt ein oder du pfeifst?
Ja, so ähnlich. Ich hab mich schnell dazu bereiterklärt, dass ich's pfeif. Aber ich hatte ja keine Dressen und keine Assistenten zur Verfügung. Franz hat dann vorgeschlagen Walter Antesberger anzurufen, dessen Spiel in Kirchdorf ja im Vorfeld abgesagt wurde. Am Telefon hab ich dann gesagt: "Ante, wo bist denn grad? Ich brauch an Linienrichter." (lacht) Ante war zufällig in Schalding, und hätte sich das Spiel sowieso angeschaut. Zum Glück hatte er Anton Gerstner dabei, der bei ihm in Kirchdorf an der Linie eingeteilt gewesen wär. So hatten wir unser Gespann schnell beieinander. Ich hab' dann schriftlich was aufgesetzt, dass das eingeteilte Gespann nicht erschienen ist und wir nun die Spielleitung übernehmen. Die beiden Sportlichen Leiter der Vereine, Markus Clemens und Albert Kiel, haben's unterschrieben und dann konnte das Spiel mit 25-minütiger Verspätung angepfiffen werden.

Sigls Schuhwerk: »Die Sohle ist schon halb runtergehängt.«

Aber ihr hattet ja kein passendes Outfit dabei!?
Nein (lacht). Die Schiedsrichter-Ausrüstung hat Ante von daheim noch schnell geholt. Aber er hatte nur zwei paar Schuhe dabei, nur zwei Hosen und zwei Stutzen. Ich hab mir eine Hose vom ehemaligen Schiedsrichter-Gruppenobmann Luwig Höcker ausgeliehen, ein paar Stutzen haben wir von den Landshutern bekommen, und Toni hat von den Schaldingern weiße Fußballschuhe bekommen.



Ein Schiedsrichter-Assistent mit weißen Fußballschuhen?
Ja, die hat er aber abgelehnt, dann haben sie ihm schwarze "Schrauber" aufs Auge gedrückt. Und ich hab das zweite paar Schuhe von Ante genommen, da ist aber die Sohle schon halb runtergehängt (lacht).

Sigl: »In den letzten Minuten der Partie war ich bratfertig!«

Und mit dem halb kaputten Schuhwerk hast du dann das Landesliga-Spiel leiten müssen. Fünf Jahre nach deinem letzten Einsatz als aktiver Schiedsrichter.
Ja, das mit dem Schuh hat dann schon irgendwie geklappt. In den letzten Minuten der Partie war ich dann aber echt bratfertig und froh, als die 90 Minuten vorbei waren. Bei 31 Grad Hitze war das auch nicht ganz so einfach. Ich hab ja seit 2007 nicht mehr gepfiffen. Zuletzt zwar auch in der Landesliga, aber trotz der Routine und regelmäßigem Lauftraining sind die ständigen Spurts und Rückwärtsläufe dann doch nochmal was anderes.

Und im Spiel selber gab's keine Schwächephase!?
Nein, das Spiel selber war auch sehr fair geführt, das muss ich beiden Teams in so einem Spitzenspiel hoch anrechnen. Es gab wenige strittige Szene. Nur ein Abseitstor der Schaldinger durch Michael Pillmeier beim Stand von 2:0 für Landshut kurz vor der Halbzeitpause. Aber auch das wurde von uns einwandfrei erkannt. Das hat mir auch ein alter Schiedsrichter-Kollege, der zufällig auf Ballhöhe gestanden ist, nach dem Spiel bestätigt.

Sigl: »Passende Fußballschuhe hab ich gar nicht mehr.«

Und euer unverhoffter Schiedsrichter-Einsatz ist dementsprechend entlohnt worden.
Insgesamt gab's 106,80€, die Assistenten bekamen davon jeweils 25€, für mich blieben 56€ übrig. Das österreichische Gespann hätte insgesamt 220€ bekommen. Das ist beim internationalen Austausch so festgeschrieben.

Und deine Lehre aus der ganzen Sache? Ab sofort hast du immer eigene Fußballschuhe und eine komplette Schiedsrichter-Ausrüstung bei deinen Beobachtungs-Einsätzen mit im Kofferraum.
Nein, nein. Schon allein deswegen nicht, weil ich 2007 fast alle meine Sachen abgegeben habe. Ich hab nur noch a Pfeifal und Karten. Passende Fußballschuhe hab ich gar nicht mehr (lacht). Aber so ein kurioser Fall wird mir ja wohl nicht nochmal passieren...


Aufrufe: 03.5.2012, 11:11 Uhr
Sebastian ZiegertAutor