2024-05-10T08:19:16.237Z

Allgemeines
Bei der Jugend sind Spielgemeinschaften im Bezirk Donau gang und gäbe (das Bild entstand bei der Partie zwischen der SGM Bad Buchau-Federsee und der SGM Griesingen/Rißtissen), bei den Erwachsenen steigt deren Zahl. (Foto: Thomas Warnack)
Bei der Jugend sind Spielgemeinschaften im Bezirk Donau gang und gäbe (das Bild entstand bei der Partie zwischen der SGM Bad Buchau-Federsee und der SGM Griesingen/Rißtissen), bei den Erwachsenen steigt deren Zahl. (Foto: Thomas Warnack)
VR Bank Bodensee-Oberschwaben

Immer mehr Fußballklubs machen gemeinsame Sache

Bröckelnde Basis

Die Nachricht im Februar sorgte für Aufsehen: Die Fußballer der TSG Rottenacker und des VfL Munderkingen kündigten eine Spielgemeinschaft für ihre Männer-Mannschaften für die Saison 2019/20 an. Ein Bezirksligist und ein A-Kreisligist, keine Vereine aus kleinen Orten, sogar ein städtischer - diese Nachricht schlug ein.

„Bemerkenswert ist, dass jetzt auch relativ große oder ehemals große Vereine zusammengehen“, sagt der Bezirksliga-Staffelleiter und langjährige Bezirksvorsitzende Jürgen Amendinger. Amendingers Nachfolger als Bezirkschef, Horst Braun, gab an, ebenfalls überrascht gewesen zu sein, als er von den Plänen aus Rottenacker und Munderkingen erfuhr. „Die Gründe aus der Ferne zu beurteilen, ist allerdings schwierig“, sagt Braun. Aber kein Verein mache es sich mit solch einer Entscheidung leicht.

Gründe gibt es im Fall von Rottenacker und Munderkingen. Beide Vereine hatten 2017/18 noch eine zweite Mannschaft in der Kreisliga B, nicht selten aber für die Spiele nur ein kleines Aufgebot. Beide Teams beendeten die Saison 2017/18 im unteren Tabellendrittel, dann verabschiedeten sie sich aus der B-Liga. In der laufenden Saison hat Munderkingen noch eine Reserve in der Kreisliga A - aber personell oft am Limit, zuletzt gegen Rißtissen trat die VfL-Reserve mit zehn Spielern an. Rottenacker bot 2018/19 nur die erste Mannschaft in der Bezirksliga auf, keine „Zweite“ mehr, keine Reserve. Aus Mangel an Personal.

Die TSG Rottenacker und der VfL Munderkingen sind im Bezirk Donau keine Einzelfälle und ihre letztjährigen zweiten Mannschaften nicht die einzigen, die 2018 den aktiven Spielbetrieb verließen. In der Saison 2017/18 bestanden die vier Kreisligen B im Bezirk noch aus je 14 Mannschaften, ein Jahr später waren es zwölf Teams pro Staffel. Der BSV Ennahofen, die SG Dettingen II, der FV Schelklingen-Hausen II, der SV Oggelshausen, der FC Laiz II und der SV Oggelsbeuren tauchen in den B-Ligen nicht mehr auf, weil in einer bestehenden oder neuen Spielgemeinschaft aufgegangen oder zur Reserve geworden.

Sogar ein Bezirksligist, SV Ebenweiler, gab seine Mannschaft auf und tritt mit dem FV Altshausen II als Spielgemeinschaft in der B-Liga an. In der Kreisliga A2 wurden aus vier Teams zwei: Der TSV Gammertingen und die SG Kettenacker/Feldhausen/Harthausen stellen nun ebenso ein gemeinsames Team wie der TSV Scheer und der SV Ennetach. Aus 102 Mannschaften, die 2017/18 in der Bezirksliga sowie den sechs Kreisligen antraten, wurden 93.

Tendenz weiter fallend? Horst Braun sieht für die kommende Saison derzeit keinen Schwund wie im Sommer 2018. „Außer Rottenacker und Munderkingen ist nichts im Anmarsch“, sagt der Bezirksvorsitzende. Bei dieser neuen Spielgemeinschaft gehe nichts verloren, denn Rottenacker und Munderkingen wollen zwei Mannschaften stellen und dazu eine Kreisliga-Reserve. Braun: „Es sieht konstant aus für die nächste Saison.“

Er weiß jedoch, dass es anders kommen kann - die Meldefrist für die neue Spielzeit läuft noch. „Im letzten Jahr ging das relativ schnell“, erinnert sich Braun an den Verlust von Mannschaften 2018. „Solche Überlegungen gibt es immer wieder, wenn Mannschaften auf Kante genäht sind.“ Jürgen Amendinger sieht es ähnlich. „Manchmal kommt erst Bewegung rein, wenn eine Saison vorbei ist und man erkennt, dass für die neue Saison nicht genug Spieler da sind.“

Hat ein Klub keine „Zweite“ oder eine Reserve, wird es rasch kritisch. „Wenn sich Vereine um ihre zweite Mannschaft oder Reserve nicht kümmern, ist auch die erste Mannschaft in Gefahr“, sagt Amendinger. „Manche flüchten sich dann schnell in eine Spielgemeinschaft.“

Dass Vereine kooperieren, ist nichts Neues. Auch nicht im Bezirk Donau. Horst Braun gehört dem FC Schelklingen-Alb an, zu dem sich die Fußballer aus Justingen und Ingstetten vor mehr als 30 Jahren zusammenschlossen. Sie legten die Abteilungen zusammen, gingen über eine Spielgemeinschaft hinaus - ähnlich wie beim FC Marchtal oder beim FC Schmiechtal. „Beide Mannschaften waren knapp an Leuten“, erinnert sich Braun an den Ursprung des FC Alb.

Womöglich wird für den FC Schelklingen-Alb eines Tages auch eine Spielgemeinschaft zum Thema. „Zurzeit kommen wir noch klar“, sagt Braun. Doch aus der Jugend kommt immer weniger nach. Für den Nachwuchs gibt es die SGM Schelklingen, bei der der FV Schelklingen-Hausen, der FC Schelklingen-Alb und der FC Schmiechtal zusammenarbeiten.

Jugend-Spielgemeinschaften sind keine Ausnahme mehr, im Gegenteil: Im Bezirk Donau finden sich heute in den höheren Jugend-Altersklassen überwiegend Spielgemeinschaften. Von den zehn Teams der aktuellen Bezirksstaffel steht nur der FV Bad Saulgau allein da, die Leistungsstaffel besteht komplett aus Spielgemeinschaften, in der Kreisstaffel sind nur der SV Langenenslingen und der KSC Ehingen eigenständig. Bei den B- und C-Junioren sieht es nicht viel anders aus. Die Quellen, aus denen sich aktive Mannschaften speisen, drohen vielerorts langsam zu versiegen. „Ohne Nachwuchs keine Spieler“, sagt Horst Braun. Weil es in vielen Ecken auf dem Land weniger Kinder gibt. „Ohne Kinder keine Schule, ohne Bauplätze keine jungen Familien.“ Und in der Folge eben auch keine Jugendfußballer.

Spielgemeinschaften sind oft die letzte Rettung, um in der Jugend noch mitzumischen, aber der langjährige Bezirksvorsitzende Jürgen Amendinger sieht darin auch einen Nachteil. „Bei Spielgemeinschaften haben die Jugendspieler nicht nur einen, sondern auch einen zweiten und dritten Verein, in den sie hineinschnuppern.“ Die Bindung zum Heimatklub wird lockerer und „man ist schnell bei einem anderen Verein“. Nicht immer sind die Nachwuchsspieler dafür die treibende Kraft. Amendinger machte die Erfahrung, dass Eltern heute wählerischer sind. „Sie sehen in ihrem Sprössling einen künftig guten Fußballer und suchen die besten Trainingsmöglichkeiten.“

Schon bei den Jüngsten, E-Jugend bis Bambini, müssten die Vereine „hochaktiv“ sein, für eine sehr gute Ausbildung sorgen. Was für kleine Klubs nicht einfach ist. „So viel Qualität ist oft gar nicht vorhanden und man müsste sie sich von auswärts holen. Dafür muss man investieren und das wird für viele Vereine zum Problem.“

Horst Braun hebt ebenfalls die Bedeutung der Trainer und Betreuer von Jugendmannschaften hervor. „Man braucht engagierte Leute, die Zeit reinstecken und mit Herzblut dabei sind“, sagt er. Vielerorts sind sie vorhanden, aber neue Ehrenamtliche zu finden, wird immer schwieriger. Oft verhinderten berufliche Gründe ein Engagement. Längere Arbeitszeiten, Auslandsaufenthalte. „Bei solchen Leuten ist es schwierig, dass sie eine Jugend trainieren“, sagt der Bezirksvorsitzende.

Gerade junge Leute stehen nach ihrer Schulzeit oder Ausbildung Vereinen oft nicht mehr regelmäßig zur Verfügung und fallen damit nicht nur als mögliche Jugendtrainer aus, sondern fehlen auch den aktiven Mannschaften. „Vereinsverantwortliche sagen, dass die Verfügbarkeit der Spieler weniger wird“, sagt Braun. „Wenn vor zehn Jahren einer für die Saison zugesagt hatte, war er an mindestens 80 Prozent der Termine auch da.“ Dies habe sich geändert. „Fußball ist, über das ganze Jahr gesehen, bei vielen nicht mehr das Wichtigste“, so Braun. Wenn ein Verein viele Spieler im Kader hätte, wäre das kein Problem - doch das ist meist nicht der Fall.

Wenn über Jahre Personalknappheit herrscht, bleibt Vereinen am Ende als Ausweg oft nur eines: die Bildung einer Spielgemeinschaft.


1 Meinung von Andreas Wagner, Redakteur in Ehingen

Dass die Zahl der aktiven Mannschaften im Amateurfußball in Bezirken wie Donau rückläufig ist, dürfte niemanden überraschen. Seit Jahren, teilweise Jahrzehnten sind Vereine in der Jugend mangels Spielern gezwungen, Spielgemeinschaften zu bilden. Diese Entwicklung schlägt zwangsläufig irgendwann auf die Aktiven durch. Besonders im ländlichen Raum. Mehr junge Leute als früher verlassen ihre Heimat, die Mobilität ist gestiegen, die Zahl der Abiturienten und Studenten ebenfalls. Viele zieht es in Großstädte, einige ins Ausland. Nun könnten Generationen heranwachsen, die sich stärker für E-Sport interessieren als fürs Spiel unter freiem Himmel. Zurück bleiben die Vereine und meist, weil es sie eben auch in kleinen Orten gibt, die Fußballvereine. Vielen fehlen die jungen Leute, als Spieler, Trainer, allgemein im Ehrenamt. Nichts deutet darauf hin, dass sich die Entwicklung umkehrt. Im ländlichen Raum werden nicht nur bei der Jugend, sondern auch bei den Erwachsenen Spielgemeinschaften oder Fusionen zur Regel. Um Aufwand und Fahrtstrecken in den unteren Spielklassen in Grenzen zu halten, sind auch von Verbandsseite Eingriffe gefragt - durch neuen Zuschnitt der bisherigen Bezirksgrenzen, neue Ligastrukturen oder Änderungen am Spielsystem. Die Überlegungen werden in alle Richtungen gehen.

Aufrufe: 025.5.2019, 08:03 Uhr
Andreas WangerAutor