2024-04-24T13:20:38.835Z

Interview
BSC-Präsident Dirk Mazurkiewicz, der Sportliche Leiter Thomas Schmitz und Trainer Daniel Zillken im Gespräch mit den GA-Redakteuren Hartmut Eickenberg und Gert auf der Heide (von rechts).
BSC-Präsident Dirk Mazurkiewicz, der Sportliche Leiter Thomas Schmitz und Trainer Daniel Zillken im Gespräch mit den GA-Redakteuren Hartmut Eickenberg und Gert auf der Heide (von rechts).

"Im Winter müssen wir wieder betteln gehen"

Prä­si­dent Ma­zur­kie­wicz, Trai­ner Zill­ken und der Sport­li­che Lei­ter Schmitz über den Reiz des Bon­ner SC, Asyl in Wit­ter­schlick, auf­ge­leg­te Te­le­fon­hö­rer und die Sehn­sucht nach ei­nem Kunst­ra­sen­platz

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Es läuft gut beim Bon­ner SC. Nach der Hin­run­de be­legt der Neu­ling Platz sechs in der Fuß­ball-Re­gio­nal­li­ga West, die Zu­schau­er­zah­len ha­ben sich ver­dop­pelt, der Spon­so­ren­pool wächst. Prä­si­dent Dirk Ma­zur­kie­wicz, Trai­ner Da­ni­el Zill­ken und der Sport­li­che Lei­ter Tho­mas Schmitz ha­ben nichts zu me­ckern. Nur ei­nes bringt die drei auf die Pal­me: die Trai­nings­be­din­gun­gen im Win­ter. Ma­zur­kie­wicz hält die für „ein­zig­ar­tig in Deutsch­land“. Ein­zig­ar­tig schlecht. Mit dem Füh­rungs­trio des BSC spra­chen Hart­mut Ei­cken­berg und Gert auf der Hei­de.

Herr Zill­ken, Platz sechs nach der Hin­run­de – hät­ten Sie da­mit ge­rech­net? Und er­zäh­len Sie jetzt bit­te nichts von Mo­ment­auf­nah­me.

Da­ni­el Zill­ken: 14 Punk­te Vor­sprung auf die Ab­stiegs­plät­ze, da­mit hät­te kei­ner ge­rech­net. Das macht das Ar­bei­ten leich­ter. Das Ziel bleibt aber der Klas­sen­er­halt, da sind wir uns al­le ei­nig. Al­les an­de­re wä­re Quatsch.



Als Sie die Mann­schaft zu­sam­men­ge­stellt ha­ben, war Ih­nen da schnell klar, dass der Klas­sen­er­halt mit die­sem Ka­der klap­pen kann? Viel­leicht hat­ten Sie Hen­nef vor Au­gen oder Weg­berg-Be­eck, die sang- und klang­los so­fort wie­der run­ter sind.

Zill­ken: Wir ha­ben durch un­se­re Neu­zu­gän­ge Qua­li­tät ge­won­nen. An­de­rer­seits ste­hen im­mer noch zehn Spie­ler im Ka­der, die schon vor zwei Jah­ren da­bei wa­ren. Das zeigt, Spie­ler kön­nen sich bei uns ent­wi­ckeln.



War es schwie­rig, Klas­se­leu­te wie Con­nor Krem­pi­cki oder Da­rio Schu­ma­cher nach Bonn zu lot­sen?

Tho­mas Schmitz: Das war es. Wir ha­ben ja kei­nen gro­ßen fi­nanz­iel­len Spiel­raum. In die­ser Sai­son ha­ben wir erst­mals wie­der ei­ni­ge Spie­ler auf Steu­er­kar­te an­ge­stellt. Vor­her lie­fen al­le auf Mi­ni­job-Ba­sis und krieg­ten ei­nen Fahr­kos­ten­zu­schuss. Da gab’s schon das ei­ne oder an­de­re blaue Au­ge für uns. Aber wir wa­ren be­harr­lich.



Und das hat ei­nen wie Krem­pi­cki be­ein­druckt?

Schmitz: Na ja. Als ich ihn im April zum er­sten Mal an­ge­ru­fen ha­be, hat er schnell auf­ge­legt. Beim zwei­ten Ge­spräch konn­ten wir dann ein Tref­fen ver­ein­ba­ren. War auch er­folg­los. Eben­so, als ich En­de Ju­ni noch mal an­ge­ru­fen ha­be. Erst kurz vor der Sai­son wur­de die Sa­che rich­tig kon­kret. Er hat sich dann ge­gen die Sport­freun­de Sie­gen und für uns ent­schie­den.



Was hat ihn denn nun über­zeugt?

Schmitz: Wir ha­ben ihm ge­sagt, hier kriegst du Ver­trau­en und kannst dir auch mal ein schlech­tes Spiel leis­ten. Wir bau­en auf dich. Die­se Si­cher­heit ist für ei­nen jun­gen Spie­ler un­heim­lich wich­tig.

Zill­ken: Man muss ja auch Con­nors Ge­schich­te se­hen. Er galt in Schal­ke zu­sam­men mit Max Mey­er als größ­tes Ta­lent, konn­te sich aber nicht durch­set­zen. Dann hat er’s in Hof­fen­heim ver­sucht, klapp­te auch nicht. Dann Vik­to­ria Köln. Im Mo­ment ist es für ihn wich­tig, dass er ein­fach spie­len kann, Spaß am Fuß­ball hat. So ein Spie­ler ist für uns ein Glücks­fall.



Wie vie­le Ver­ei­ne ha­ben denn schon we­gen Krem­pi­cki, Schu­ma­cher oder Lu­cas Mu­scu­lus an­ge­fragt?

Schmitz: Da müs­sen sie die Be­ra­ter fra­gen. Wir wis­sen aber, dass schon ein paar Mal ein Scout von Kai­sers­lau­tern hier war.

Zill­ken: Wenn ein Spie­ler von uns in die 3. oder so­gar 2. Li­ga wech­seln kann, dann sind wir die Letz­ten, die ihm Stei­ne in den Weg le­gen. Dann freu­en wir uns. Aber wo­hin soll­te die­ser Spie­ler denn in der Re­gio­nal­li­ga West wech­seln? Klar, nach Es­sen, weil er da gut ver­dient, Voll­pro­fi ist und im­mer vor knapp 10 000 Zu­schau­ern spie­len kann. Aber sonst? Aa­chen ist fi­nanz­iell auch nicht mehr die­se Top-Adres­se. Bei Vik­to­ria Köln wa­ren schon al­le. Und nach Rö­ding­hau­sen oder so wol­len die nicht. Lu­cas Mu­scu­lus zum Bei­spiel, der ar­bei­tet im el­ter­li­chen Be­trieb mit. Wenn man so will, ist der Jung-Un­ter­neh­mer. Der wird sich drei­mal über­le­gen, ob er für 200 Eu­ro mehr nach Verl geht. Ich glau­be, der BSC ist ei­ne gu­te Adres­se.

Ball flachhalten: Trainer Daniel Zillken ist kein Träumer.
Ball flachhalten: Trainer Daniel Zillken ist kein Träumer.
Ball flachhalten: Trainer Daniel Zillken ist kein Träumer.

Herr Schmitz, wie war das für Sie vor der Sai­son als Sport­li­cher Lei­ter, kann­ten Sie die Li­ga? Die Fra­ge ist ja, wie kom­me ich an neue Spie­ler?

Schmitz: Die Li­ga war Neu­land, aber man hat sein Netz­werk. Und das funk­tio­niert in der Ober­li­ga nicht groß­ar­tig an­ders als in der Re­gio­nal­li­ga. Zill­ken: Wir ma­chen das ja nicht erst seit ge­stern. Ich ha­be auch ei­ni­ge Zeit bei Bay­er Le­ver­ku­sen ge­ar­bei­tet, dann kennst du Gott und die Welt.



Mit wel­chen Be­ra­tern re­den Sie denn so?

Schmitz: Mit Ste­phan En­gels, der ist der On­kel von Lu­cas Mu­scu­lus, mit Han­nes Bon­gartz, mit Bernd Krauss.



Wer­den Sie in der Win­ter­pau­se auf Ver­stär­kun­gen drän­gen, Herr Zill­ken?

Zill­ken: Wenn du Qua­li­tät krie­gen kannst und die­ser Spie­ler passt zu uns, musst du ihn neh­men.

Schmitz: Wenn uns wie letz­tes Jahr ein Adis Omer­ba­sic un­ter den Weih­nachts­baum ge­legt wird, der in Beu­el wohnt und ein­fach wie­der auf den Zug sprin­gen will, müs­sen wir tä­tig wer­den.



Sind Sie op­ti­mis­tisch, Ih­re Leis­tungs­trä­ger hal­ten zu kön­nen?

Schmitz: Wir ar­bei­ten da­ran. Wir wol­len ei­ne ge­sun­de Fluk­tua­ti­on, aber 80, 85 Pro­zent der Spie­ler hal­ten.

Zill­ken: Man muss ja auch mal Klar­text re­den: Wenn ei­ner in Verl 1200, 1300 Eu­ro ver­dient, nicht ar­bei­ten geht und sagt, er sei Voll­pro­fi, dann ist das lach­haft. Das sind doch ar­me Hun­de. Die Jungs müs­sen auch an die Zeit da­nach, an die Jobs den­ken. Wir le­gen Wert da­rauf, dass un­se­re Spie­ler ar­bei­ten.

Dirk Ma­zur­kie­wicz: Und ver­su­chen, ih­nen da­bei zu hel­fen.



Blei­ben Sie ei­gent­lich in Bonn, Herr Zill­ken?

Zill­ken: Es spricht nichts da­ge­gen. Un­ser Weg ist noch nicht zu En­de.



Sie könn­ten jetzt ein Sig­nal set­zen.

Schmitz: Wir wer­den uns in den näch­sten Wo­chen zu­sam­men­ho­cken.



Oder träu­men Sie da­von, noch Pro­fi­trai­ner zu wer­den?

Zill­ken: Iiii­ich? Ich wer­de näch­stes Jahr 50. Wenn ich mei­ner Frau sa­ge, wir zie­hen jetzt nach Reut­lin­gen oder so, dann fragt die: Hast du nen Knall?



Dann müs­sen Sie eben mit dem BSC in die 3. Li­ga. Dann wä­ren sie Pro­fi­trai­ner.

Zill­ken: 3. Li­ga? Lang­sam. Ei­ne Stu­fe nach der an­de­ren.



Der BSC schlägt Wup­per­tal 3:0 und ver­liert ei­ne Wo­che spä­ter 0:5 bei Vik­to­ria Köln. Der BSC ge­winnt oder er ver­liert. Un­ent­schie­den gab es nur zwei. Wie sind die­se Schwan­kun­gen zu er­klä­ren?

Zill­ken: 17 Spie­le – und nur eins war grot­ten­schlecht, die Heim­nie­der­la­ge ge­gen Sprock­hö­vel. An­sons­ten war die Mann­schaft im­mer im Spiel, auch beim 1:5 in Ober­hau­sen, wo durch­aus ein Punkt drin­ge­we­sen wä­re. Und dass man mal 0:5 bei Vik­to­ria Köln ver­liert, bei ei­nem Ver­ein mit dem wahr­schein­lich zehn­fa­chen Etat, kann pas­sie­ren.



Wie groß ist denn der BSC-Etat?

Ma­zur­kie­wicz: Für den ge­sam­ten Ver­ein rund 750 000 Eu­ro, für die er­ste Mann­schaft samt Stab gut die Hälf­te. Das ist de­fi­ni­tiv ei­ner der klein­sten Etats in der Re­gio­nal­li­ga.



Wie­viel braucht man, um in die 3. Li­ga auf­stei­gen zu kön­nen?

Ma­zur­kie­wicz: Bei de­nen, die nur or­dent­lich mit­spie­len, liegt der Mit­tel­wert, den­ke ich, bei an­der­thalb bis zwei Mil­lio­nen. Aber Auf­stieg? Weiß gar nicht, viel­leicht fünf Mil­lio­nen. Da se­hen Sie den Un­ter­schied zu uns. Ich be­haup­te, in Deutsch­land gibt es nicht vie­le Ver­ei­ne, die ihr Geld ef­fi­zien­ter ein­set­zen.



Lohnt sich die 3. Li­ga fi­nanz­iell?

Ma­zur­kiew­ciz: Fuß­ball lohnt sich nie. Sich loh­nen, das heißt, ich ma­che et­was mit Ge­winn. Fuß­ball ma­che ich nicht mit Ge­winn. Es sei denn ich ar­bei­te für Man­ches­ter Ci­ty. Wir sind Be­schaf­fungs­or­ga­ni­sa­tio­nen. Wir be­schaf­fen so viel Geld wie mög­lich und ge­ben es aus.



Im­mer­hin gibt es in der 3. Li­ga 800 000 Eu­ro Fern­seh­geld.

Ma­zur­kie­wicz: Das deckt die Kos­ten für die Be­rufs­ge­nos­sen­schaft.



Im Sport­park wur­den vor ei­ni­ger Zeit Flut­licht und An­zei­ge­ta­fel in­stal­liert. Reicht die In­fraks­truk­tur, um hö­he­re Zie­le an­zu­stre­ben?

Ma­zur­kie­wicz: Das Sta­di­on ist we­ni­ger das Pro­blem. Wenn die Stadt will, dass hier at­trak­ti­ver Fuß­ball ge­spielt wird, fängt das mit den Trai­nings­be­din­gun­gen an und hört mit der Ge­schäfts­stel­le auf. Das sind Din­ge, die an­de­re Ver­ei­ne vor 10, 15 Jah­ren an­ge­gan­gen sind. Auf der Ge­schäfts­stel­le ha­ben wir gar nicht so vie­le Ar­beits­plät­ze wie wir Ar­beit ha­ben. Wir müs­sen über­ein­an­der sit­zen. Wahr­schein­lich sind wir in un­se­rer Li­ga ganz gut mit Sprock­hö­vel zu ver­glei­chen. Ich be­haup­te, wir sind der ein­zi­ge Ver­ein in Deutsch­land, der auf dem Le­vel Fuß­ball spielt und nicht mal ei­ne Hei­mat, ein Ver­eins­heim hat.

Schmitz: Hin­ter un­se­rem Trai­nings­platz am Mon­dor­fer Bach, auf der Wer­fer­wei­se, da muss ein Kunst­ra­sen hin.

Zill­ken: Wenn’s die gan­ze Zeit reg­net, kön­nen wir auf Na­tur­ra­sen nicht or­dent­lich trai­nie­ren. Ich ha­be den Trai­nings­plan für den Win­ter schon fer­tig, aber ich weiß nicht, wo wir hin­kön­nen. Wir müs­sen wie­der bet­teln. Letz­ten Win­ter ha­ben uns die Wit­ter­schli­cker gott­sei­dank ei­nen hal­ben Kunst­ra­sen­platz zur Ver­fü­gung ge­stellt. Da ha­be ich mich auf­rich­tig be­dankt und den Spiel­ern ge­sagt: Bringt die To­re ge­nau dort wie­der hin, wo ihr sie her­habt. Ha­ben sie auch ge­macht. Wenn ei­nem so ge­hol­fen wird, muss man sich be­neh­men. Kei­ne Ah­nung, wo­hin es uns dies­mal im Win­ter ver­schlägt.



Ist das ein­zig­ar­tig in der Re­gio­nal­li­ga?

Ma­zur­kiew­ciz: Ich wür­de be­haup­ten, in ganz Deutsch­land.



Sind Sie mit den Zu­schau­er­zah­len zu­frie­den?

Ma­zur­kie­wicz: Wir ha­ben bis­her rund 1200 im Schnitt, das ist mehr als dop­pelt so viel wie letz­te Sai­son. Mehr konn­te man nicht er­war­ten. Und Ver­ei­ne wie Es­sen oder Aa­chen wa­ren ja noch nicht hier. Was mich auch freut: Die gu­te Stim­mung, das sa­gen vie­le.



Was ist der näch­ste Schritt, den Mann­schaft und Ver­ein tun müs­sen?

Zill­ken: Den Club in der Re­gio­nal­li­ga eta­blie­ren. Wie­den­brück ist jetzt sie­ben Jah­re in der Re­gio­nal­li­ga, die sind eta­bliert. Und wenn wir noch wei­ter kom­men wol­len, brau­chen wir die Hil­fe der Wirt­schaft.



Nach die­ser gu­ten Hin­run­de wer­den die Un­ter­neh­men doch Schlan­ge ste­hen, um dem BSC zu hel­fen.

Ma­zur­kie­wicz: Was den Mit­tel­stand an­geht, kön­nen wir im Mo­ment nicht mehr er­war­ten. Da sind wir von 50 auf über 100 Spon­so­ren ge­wach­sen. Wir be­kom­men Ge­sprä­che. Un­ter­neh­men brin­gen an­de­re Un­ter­neh­men mit. Aber es han­delt sich um den Mit­tel­stand, nicht um Kon­zer­ne.



Wie kön­nen Kon­zer­ne ge­won­nen wer­den?

Ma­zur­kiewcz: Da darf es nicht nur um den Fuß­ball der er­sten Mann­schaft ge­hen. Es muss um un­se­re Ju­gend­ar­beit ge­hen, die au­ßer­halb Bonns ex­trem wahr­ge­nom­men wird, und um un­se­re so­zia­len Ak­ti­vi­tä­ten. Das ist ein Pa­ket. Wir wol­len ein Aus­hän­ge­schild sein. Ei­ni­ge grö­ße­re Un­ter­neh­men fra­gen durch­aus, was wir so al­les tun. Wenn wir bo­den­stän­dig blei­ben und glaub­haft ver­mit­teln, dass wir kei­ne Schul­den ma­chen, wird ei­nes Ta­ges ei­ne Tür auf­ge­hen.

Zur Per­son

Dirk Ma­zur­kie­wicz (44) ist seit Ju­ni 2015 BSC-Prä­si­dent; Trai­ner Da­ni­el Zill­ken (49) ar­bei­tet seit der Sai­son 2014/15 in Bonn;Tho­mas Schmitz (36) hat­te be­reits ein Jahr zu­vor als Sport­li­cher Lei­ter im Sport­park Nord an­ge­fan­gen.

Aufrufe: 019.11.2016, 11:30 Uhr
General-Anzeiger / Hartmut Eickenberg, Gert auf deAutor