Die schwüle Hitze jagt nicht nur dem Kollegen Thomas schon beim Frühstück erste Perlen auf die hohe Stirn. Der wackere Hesse hat beschlossen, der steten Transpiration mit einem Handtuch zu begegnen, das er den ganzen Tag um den Nacken trägt. Damit sieht er zwar aus wie ein angeknockter Boxer in der Ringecke, wähnt sich aber auf der hygienisch sicheren Seite.
Unsere kleine WM-Journalistenschar hatte anlässlich des ersten Gruppenspiels gegen Portugal in Salvador beschlossen, ausnahmsweise in einem dieser Medienunterkünfte zu nächtigen, die der vortreffliche Fußball-Weltverband während der Turniere bereitstellt. Fifa-Hotel: Das klingt nach Resort, Spa, Wellness, Gourmet-Tempel und tüchtigen Assistentinnen. Allerdings handelt es sich beim Sol Victoria Marina um einen 24 Stockwerke hohen Beherbergungsbunker, dessen beste Tage deutlich jenseits der Jahrtausendwende zu verorten sind. Die Verkleidung des Türschlosses an unserem Zimmer sieht aus, als hätten sich bereits Generationen von Kleinkriminellen per Stemmeisen an ihm abgemüht. Der Türknauf hat ein Spiel von rund fünf Zentimetern, so dass es einigen motorischen Geschicks bedarf, bis er uns gnädig Zutritt gewährt. Im Zimmer selbst röhrt die Klimaanlage auf Stufe Bindehautentzündung. Alle Versuche, ihrer Herr zu werden, endeten desaströs. Bei Annäherungsversuchen unsererseits wirft sie lose Plastikteile und Schrauben ab wie lästigen Ballast.
Das Personal der ansonsten wunderschön mit Meerblick gelegenen Hotelbar ist überdies der festen Überzeugung, der Gast habe nicht nur Geld, sondern vor allem viel Zeit mitzubringen. Bestellwünsche werden gnadenlos niederignoriert. Erst wenn der durstige Mitteleuropäer mit einer Lautstärke und Gestik auf sich aufmerksam macht, die bei ihm daheim die Polizei auf den Plan rufen würde, wird sein Ansinnen zur Kenntnis genommen.
Ein Wiedersehen mit Salvador ist ja nicht ausgeschlossen. Die 2,7 Millionen-Menschen-Metropole wäre Schauplatz des Achtelfinales, falls die DFB-Elf den zweiten Platz ihrer Gruppe belegt. Eine tropischer Ort der Gegensätze: Die Altstadt erstrahlt als Weltkulturerbe mit dem größten barocken Ensemble außerhalb Europas, die tägliche Gewalt in den Favelas sprengt jede Vorstellungskraft. Die Kollegen Christoph aus Reutlingen und Michael aus Osnabrück hatten beschlossen, die 750 Kilometer vom deutschen WM-Standort Porto Seguro hierher auf eigene Faust mit dem Mietwagen zu bewältigen.Nach unzähligen Bodenschwellen und Schlaglöchern liegen die Stoßdämpfer ihres ohnehin schon lädierten Ford Fiesta im Koma. Zu allem Überfluss trafen sie erst in Salvador ein, als bereits die Schlussviertelstunde des von ihnen angesteuerten WM-Spiels zwischen Holland und Spanien angebrochen war. Beim Wiedersehen lautete unsere Frage an die beiden: Wie war's? Christophs Mimik signalisierte uns unmissverständlich: Fragt nicht! Und das war keine Bitte, sondern ein Gebot.