2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview
Die Rote Karte und die Pfeife gehören zur Grundausstattung eines Schiedsrichters. Doch damit macht er sich nicht nur Freunde. Pfeift seit 2010 nicht mehr im Stadtgebiet Augsburg: Schiedsrichter Uwe Johann (kleines Foto).  Fotos: Bernhard Weizenegger/S. Johann
Die Rote Karte und die Pfeife gehören zur Grundausstattung eines Schiedsrichters. Doch damit macht er sich nicht nur Freunde. Pfeift seit 2010 nicht mehr im Stadtgebiet Augsburg: Schiedsrichter Uwe Johann (kleines Foto). Fotos: Bernhard Weizenegger/S. Johann

„Ich habe mich tatsächlich bedroht gefühlt“

Für Schiedsrichter wird die Situation auf dem Spielfeld immer schwieriger, sagt Uwe Johann +++ Warum rein ausländische Mannschaften einen großen Teil dazu beitragen und welche Konsequenzen er gezogen hat

Wie erleben Sie als aktiver Schiedsrichter die Situation auf dem Spielfeld?

Johann: Der Alltag des Schiedsrichters ist schwieriger geworden. Die deutschen Mannschaften sind schon nicht einfach, aber bei den rein ausländischen Mannschaften ist es noch schwieriger. Die Spieler sind viel emotionaler, flippen schneller aus und lassen ihren Aggressionen freien Lauf. Ein deutscher Spieler schimpft natürlich auch, aber er beruhigt sich eher wieder. Manch ausländischer Spieler wartet das ganze Spiel lang nur auf eine Gelegenheit, sich revanchieren zu können. Natürlich werden diese Spieler dann auch provoziert. Das schaukelt sich hoch.

Und immer ist der Schiedsrichter schuld?

Johann: Klar, uns Schiedsrichtern unterlaufen auch mal Fehler. Den Spielern aber auch. Ich sage ja auch nichts, wenn ein Spieler aus kürzester Entfernung das Tor nicht trifft. Da bin ich still und denke mir meinen Teil. Wenn aber ich als Schiedsrichter einen Fehler mache, führen sich alle auf. Auch Zuschauer denken, sie haben mit dem Eintritt von ein paar Euros das Recht erworben, alles zum Schiedsrichter sagen zu dürfen, was ihnen einfällt. Da fallen hin und wieder Bemerkungen aus der untersten Schublade.

War denn früher alles besser?

Johann: Zumindest als ich angefangen habe, in den 90er Jahren, schon. Da waren die Schiris großenteils tabu. Damals belegte der Bayerische Fußball-Verband jeden Verein mit rigorosen Geldstrafen, der sich mit einem Schiedsrichter anlegte. Ich habe 1995 angefangen, da war das in Ordnung. Die rein ausländischen Mannschaften sind ab dem Jahr 2000 immer mehr geworden.

Sie wohnen in Augsburg, wollen aufgrund solcher Mannschaften aber nicht mehr im Stadtgebiet pfeifen. Gab es für Sie ein Schlüsselerlebnis?

Johann: Ja, das kann ich auch exakt benennen. Das war am 26. Oktober 2008 die Partie BIH Augsburg gegen Diedorf. In der 75. Minute beim Stand von 6:1 für Diedorf habe ich dem Spielführer der serbischen Mannschaft BIH die Gelb-Rote Karte gezeigt. Danach sind Zuschauer aufs Spielfeld gestürmt und haben mich bedrängt. Es waren auch keine Ordner in Sicht, die vom BFV vorgeschrieben sind und eigentlich dafür sorgen sollen, dass mir nichts passiert. Und weil ich mich tatsächlich bedroht fühlte, habe ich das Spiel abgebrochen. Da war für mich Feierabend.

Sie haben daraus Ihre persönlichen Konsequenzen gezogen …

Johann: Ja, ich hatte einfach keinen Bock mehr, mich beschimpfen und angehen zu lassen. Ich stand vor der Entscheidung, aufzuhören oder etwas zu verändern. Deshalb pfeife ich seit 2010 keine Fußballspiele mehr im Stadtgebiet Augsburg, sondern nur noch im Landkreis Aichach. Dort gibt es bis auf zwei Teams keine rein ausländischen Mannschaften. Und die zwei sind gut integriert. Da gab es bei meinen Einsätzen nie Schwierigkeiten.

Aufhören war also keine Option?

Johann: Nein, denn mir macht das Pfeifen ja im Großen und Ganzen Spaß. Außerdem verlaufen sicher 80 Prozent und mehr Spiele ohne Zwischenfälle. Zudem habe ich ja angefangen mit der Schiedsrichterei, um es besser als andere zu machen. Ich war früher bei meinem Heimatverein SC Ebertshausen in Unterfranken Betreuer der F-Jugend. Ein Betreuer der gegnerischen Mannschaft hat uns verpfiffen, um seinem Team die Meisterschaft zu sichern. Da habe ich mir geschworen: Das passiert mir nicht noch einmal. Und ich habe mich zum Schiedsrichter-Lehrgang angemeldet. So bin ich zum Pfeifen gekommen.

Würden Sie rein ausländische Mannschaften dann abschaffen wollen?

Johann: Ja. Und ich verstehe auch nicht, warum der Bayerische Fußball-Verband rein ausländische Mannschaften am Spielbetrieb teilnehmen und die Nationalitäten dann noch aufeinander loslässt. Der BFV schafft es sogar, eine rein serbische und kroatische Mannschaft in einer Liga spielen zu lassen. In ihren Heimatländern wurde damals Krieg geführt und hier haben sie gegeneinander Fußball gespielt. Das kann doch nicht gut gehen. Oder die Partie SOV Aramäer gegen Genc Altay. Ein für mich unvergessliches Spiel, bei dem es ordentlich zur Sache ging. Mit Platzverweisen, Schlägerei und Krankenwagen. Das volle Programm.

Da ist ja nicht verwunderlich, dass es immer weniger Schiedsrichter gibt.

Johann: Naja, für die höherklassigen Ligen hat der DFB keine Probleme, Schiedsrichter zu finden. Aber in den unteren Klassen gibt es das Dilemma, dass manche Schiedsrichter durchaus Angst haben und sich einschüchtern lassen. Viele lehnen es komplett ab, ausländische Mannschaften zu pfeifen. Weil diese Teams das Fußballspiel sehr ernst nehmen, oftmals zu ernst. Doch der Deutsche Fußball-Bund ist nur noch mit sich und den oberen Klassen beschäftigt. Dabei wird bei den Amateurvereinen das Risiko, dass sich von außen herangetragene Aggressionen Luft verschaffen, immer größer.
Aufrufe: 09.11.2017, 20:46 Uhr
Augsburger Allgemeine / Andrea BogenreutherAutor