2024-05-14T11:23:26.213Z

Analyse
F: Schneiders
F: Schneiders

Hungerlohn für Amateurschiedsrichter

Schiedsrichter, die an einem Wochenende auch noch einen Kollegen beobachten und beurteilen, erhalten dafür vom Verband sage und schreibe zwölf Euro. Das Schiedsrichterwesen ist reformbedürftig

Egal, in welcher Sportart Menschen ihre Leistung gegen andere messen, gibt es Regeln, die eingehalten werden sollen. Darüber wachen Schiedsrichter, die mit ihren Entscheidungen – und das ist ganz normal, weil menschlich – natürlich nicht immer richtig liegen. Darüber regen sich Zuschauer wie auch Spieler gleichermaßen auf. Irgendwie gehören diese Reibungspunkte aber zum Spiel dazu, wobei die Schiedsrichter immer diejenigen sind, die ihr Fett abbekommen. Leiten sie gut, ist das normal, gibt es Diskussionen, haben sie den Schwarzen Peter.

Nun hat sich der Deutsche Fußball Bund (DFB) jüngst entschieden, die Honorare für Schiedsrichter in der Bundesliga aufzustocken. Waren es bisher 3.800 Euro, die Felix Brych und Kollegen pro Spielleitung bekamen, sind es in Zukunft 5.000. Die Assistenten erhalten 2.500 Euro und somit 500 mehr als bislang. Der Vierte Offizielle nun 1.250 statt der bisherigen 1.000 Euro.


Im Vergleich zu den Gehältern der Fußballspieler, deren Duelle sie leiten, sind auch die künftigen Bezahlungen ungleich. Im Vergleich aber zu den Aufwandsentschädigungen, die Spielleiter im Amateurbereich bekommen, ist das schon ganz ordentlich. An dieser Stelle relativiert Manfred Schnieders, Vizepräsident des Fußball- und Leichtathletikverbandes Westfalen, „weil es die Schiedsrichter in der Bundesliga hauptberuflich machen, die vor Ort im Amateurbereich, weil es ihnen in erster Linie Spaß macht.“

Gleichzeitig erinnert Schnieders daran, dass zudem die Schiedsrichter in den Amateurligen die einzigen seien, „die für ihr Tun Geld bekommen.“ Wobei an dieser Stelle dann immer noch das Wort „offiziell“ nachgeschoben wird, weil hinlänglich bekannt ist, dass bei den Amateuren auch kein Spieler sein Trikot nur aus Spaß überstreift. Aber das ist ein anderes Thema.


Fakt ist, dass auch ein Felix Brych nicht als Bundesliga-Schiedsrichter auf die Welt gekommen ist. Auch er hat sich in einem System in den Mittelpunkt gerückt, das vor allem vom Amateurbereich profitiert. Jeder Unparteiische fängt klein an, pfeift zunächst Jugendspiele, wechselt dann in den Seniorenbereich, wird beobachtet, bewertet, steigt auf und landet im Idealfall mal in der Bundesliga. Und genau an dieser Stelle wird es interessant. Ein Schiedsrichter, der neben seinem Job an der Pfeife am Wochenende auch noch als Schiedsrichterbeobachter eingesetzt wird, erhält dafür sensationelle zwölf Euro.


Dafür fährt er mit seinem Privat-PKW – für 30 Cent pro Kilometer – zu einem Spiel, muss ungefähr eine Stunde vor Spielbeginn am Ort des Geschehens sein, um schon ein Gespräch mit dem zu beobachtenden Schiedsrichter zu führen. Dann schaut er sich das Spiel an und wenn er Pech hat, geht der Schiri anschließend erst einmal duschen, bevor sich der Beobachter noch mit ihm austauschen kann. Der fährt anschließend wieder heim, um dann noch den offiziellen Beobachtungsbogen auszufüllen.


Wenn nicht spätestens an dieser Stelle die Familie daheim aufmuckt, dann ist der Toleranzbereich dort ohne Zweifel in einem überdimensional großen Bereich angesiedelt. Deshalb wird es für die Verbände immer schwieriger, Beobachter zu finden. So kommt es auch vor, dass Beobachter in Ligen eingesetzt werden, in denen sie selbst als Unparteiischer schlichtweg überfordert wären, beobachten und beurteilen dürfen sie aber.


Offizielle Beobachter für den Kreis Höxter sind Josef Wegener, Ansgar Eickmeier und Jessica Hildebrandt. „Die zwölf Euro stehen für mich eher als symbolischer Wert und sind ein absoluter Witz. Aufwandsentschädigung und dafür zu erbringender Zeitaufwand stehen in keiner Relation“, sagt Marcel Rehermann, Vorsitzender des Höxteraner Kreisschiedsrichterausschusses. „Man beachte, dass der Beobachter in der Regel eine Stunde vor Spielbeginn auch am Platz ist. Nach dem Spiel kommt es mit dem Schiedsrichter zu einer Nachbetrachtung, die schon mal 30 bis 60 Minuten dauern kann. So sind wir also schon bei einem Zeitaufwand von vier Stunden – ohne Fahrtzeit! Zuhause werden nochmals zwei bis drei Stunden benötigt, um einen Beobachtungsbogen auszufüllen. Nehmen wir mal sechs Stunden an, dann kommen wir auf immerhin zwei Euro pro Stunde. Was soll man dazu noch sagen?“, fügt Rehermann an.


Erich Drotleff, Vorsitzender des Kreisschiedsrichterausschusses im Sportkreis Paderborn, schlägt als Lösung vor, die Bezahlung für Beobachtungen denen der Schiedsrichter in den jeweiligen Klassen (Kreisligen 22 Euro, Bezirksliga 28 Euro, Westfalenliga 30 Euro) anzupassen. „Der Verband aber tut sich grundsätzlich schwer mit Dingen, die mit Geld zusammenhängen und die können auch nicht immer nur die Vereine melken“, sagt Drotleff. So halten die Vereine mit ihren Abgaben das System aufrecht, obwohl in den Verbänden durchaus Geld vorhanden ist. Nur – wenn es um den Amateurbereich geht, wird dann gerne an die Erhaltung der Gemeinnützigkeit erinnert. So wird auch in Zukunft beobachtet, aus reinem Spaß am Ehrenamt.

Kommentar

Wer sich einmal das System im Fußball allgemein und im Schiedsrichterwesen speziell anschaut, wird irgendwie an ein Pyramidensystem erinnert, das in der wirklichen Welt immer über kurz oder lang zusammenbricht. Nur im Fußball scheint es zu funktionieren. Die Basis der kleinen Vereine lebt das Ehrenamt und organisiert und macht. Sie erwirtschaftet Abgaben an die Verbände, die mit bronzenen bis goldenen Ehrennadeln zurückzahlen und keine Gelegenheit auslassen, das Ehrenamt zu loben. Das ist auch wichtig, also das Ehrenamt, denn es muss nicht immer um das leidige Geld gehen. Aber um Gerechtigkeit, denn bei diesem System legen wie bei der Pyramide die unten immer nur drauf und die oben stecken es ein.

Aufrufe: 021.6.2018, 10:00 Uhr
Hartmut Kleimann / FuPaAutor