2024-03-18T14:48:53.228Z

Querpass

Hummel(n) im Arsch

Wirkungsvolle Wechselgerüchte

„Der wahre Charakter eines Menschen zeigt sich nicht bei der ersten Begegnung, sondern bei der letzten.“ Dieses geflügelte Sprichwort mag jedem bekannt sein, auch wenn es der Verfasser desselben nicht ist. Meistens werden diese Zeilen im Kontext von Trennungen herangezogen und als eine Art Selbstvergewisserung und Bestätigung verwendet, wenn der Davongeschiedene nicht im gewünschten Sinne das Weite gesucht hat. Mit Würde und Anstand zu gehen, erscheint mir eh ein sehr diffiziles und schwieriges Verfahren, da Trennungen grundsätzlich eine schwierige und hochemotionale Angelegenheit sind.

Solche Trennungen sind auch im Vereinsfußball Alltag, gerade dann, wenn sich die Saison dem Ende neigt und der Transfermarkt geöffnet wird und das muntere Feilschen und Buhlen um etablierte Topstars oder aufstrebende Jungtalente beginnt. Das Rennen macht meistens der Verein, der dem Spieler oder der Spielerin das „beste Angebot“ machen kann. Manchmal finden solche Verhandlungen stillschweigend statt und erst das Ergebnis derselben wird der Öffentlichkeit mitgeteilt. In anderen Fällen, wie dem jüngsten um den BVB-Kapitän Mats Hummels, werden Fans und „Angehörige der beteiligten Vereine“ schon in den Prozess der (anstehenden) Wechsel-Prozesse einbezogen. Warum? Vielleicht, um den eigenen Marktwert zu testen bzw. in die Höhe zu treiben oder um in den Blickpunkt der Berichterstattung zu gelangen oder anstehenden Begegnungen (DFB-Pokalfinale) eine besondere Dramatik zu verleihen. Alles legitim. Dennoch ist es sehr spannend und faszinierend zugleich, zu verfolgen, wie unsachlich und emotional die ganze Debatte (wie so oft) öffentlich betrieben und ausgeschlachtet wird, sodass einem als Protagonist glatt die Lust vergehen könnte, zu wechseln. Aber auch das ist Teil des Jobs eines Fußballerprofis, diese sämtlichen Gerüchte über sich stoisch ergehen zu lassen oder sogar mittels des väterlichen Beraters Hermann Hummel unnötig anzuheizen:

Dieser ließ nämlich vor wenigen Tagen über die fußballerische Zukunft seines Sohnemanns verlauten, dessen Vertrag bei den Westfalen 2017 ausläuft:

"Wenn er Dortmund doch verlassen sollte, dann geht er nur zu einem der fünf, sechs Top-Vereine. Und zu diesen Clubs zählt selbstverständlich auch der FC Bayern."

Diese recht harmlose Aussage, die an eine klare Bedingungen geknüpft ist („Wenn er....., dann...“) und in die zahlreiche Relativierungen sprachlich geschickt eingebaut wurden (doch, sollte), ist vorerst nichts anderes, als ein verbalisiertes Produkt eines zu laut gedachten Gedankens. Trotzdem hat sie, wie konnte es auch anders sein, eine Medien-Lawine ins Rollen gebracht. Zu allem Überfluss soll wohl für kurze Zeit auf der Bayernseite durch M. Hörwick eine Twitter-Ente in den virtuellen Raum in Umlauf gebracht worden sein, die stolz den Abschluss des Vertrags zwischen Hummels und dem FC Bayern verkündete.

https://twitter.com/dirk_adam/status/723213935596302336/photo/1?ref_src=twsrc^tfw

Mittlerweile wurde aber dieser Tweet gelöscht! Hört! Hört!

Dass Hermann Hummel neben dem FC Bayern noch andere Kandidaten indirekt erwähnte, scheinen alle in der hitzigen Debatte zu übersehen. Dass schon seit längerem europäischen Spitzenvereine, wie z.B. Manchester City oder der FC Barcelona ebenfalls um den eleganten Abwehrhünen buhlen, spielt nur eine untergeordnete Rolle. Verständlich! Der Wechsel ins bayrische Ausland bietet auch zu viel spannendes, und demnach brisantes Konflikt – und demnach Diskussionspotential.

Um nicht weiter Öl ins Feuer zu gießen, hat Hummels strategisch eine kluge Entscheidung getroffen und er-sucht medial vielmehr Anteilnahme und Mitgefühl, indem er Sky exklusive Einblicke in sein Innenleben gewährte.

"Es ist eine sehr schwierige Entscheidung. Wenn ich sie irgendwann getroffen habe, dann werden alle verstehen, warum es so schwierig für mich ist. (...) Das kostet mich seit einigen Wochen jede Nacht bestimmt eine halbe Stunde vor dem Einschlafen, weil mir das ganze Thema sehr nah geht."

Ach Gottchen, jetzt kommen mir aber die Tränen. Eine halbe Stunde Schlaf??? Seit einigen Wochen? Man man man, der Arme. Wenn man das mal hochrechnet bis zur endgültigen Deadline der Transferperiode - nicht auszurechnen um wie viele wertvolle Stunden Schlaf der begehrte Defensivrecke mit dieser Entscheidung gebracht wird! Und das, wo der Volksmund doch bei wichtigen bevorstehenden Entscheidungen empfiehlt nochmal in Ruhe ein, zwei Nächte darüber zu schlafen. Ein wahres Martyrium!

Dass sich das Mitleid für Hummels auch auf Seiten der BVB-Fans in Grenzen hält, und diese emotionale Gleichgültigkeit andererseits in Schockstarre oder sogar enttäuschten bis wütenden Tiraden auf den Noch-Kapitän umschlägt, kann auch an deren Elefantengedächtnis liegen. Denn damals, vor drei Jahren, als die Gerüchteküche um das aufstrebende Jungtalent Mario Götze brodelte, nahm Hummels seine Aufgabe als Anführer einer Ruhrpott-Revolte gegen den großen Erzkonkurrenten FC Bayern ernst und verurteilte aufs Schärfste öffentlich die Wechselavancen seines jungen Kollegen:

„Jeder hat doch gesehen, wie gut unsere Mannschaft ist. Ich glaube einfach, dass es sportlich wenig bis keine Gründe gibt oder gab, uns zu verlassen." Und er fügte hinzu: "Man konnte sehen, wie sich unser Team entwickelt hat, und Mario hat sich mit vielen super verstanden. (...) Deshalb hat es mich auch so geärgert, dass er der Meinung war, so früh weggehen zu müssen."

Wer hätte gedacht, dass er nun selbst dabei ist, den Ärger seiner Kollegen und Fans auf sich zu ziehen. Ein brisantes, fast schon ironisch zu lesendes Detail macht seit neustem die Runde; So soll angeblich der in Bayern relativ glücklose Götze im Gegenzug für Hummels eingetauscht werden. Was für eine Schmach für den jungen Weltmeister! Oder wäre das lediglich eine vernünftige und mit einem Hauch von Reue besetzter Entscheidung? Sofern man bei diesem ganzen Transferpoker überhaupt von freier Entscheidung reden kann. Da drängt sich die philosophisch explosive Frage auf: Besitzen Fußballer einen freien Willen? Eine Antwort auf diese Frage würde jetzt den Rahmen sprengen!

Fakt ist: Jeder ist seines Glückes Schmied und bei aller Vereins-Ideologie und aufrechtzuerhaltender Klubtreue ist nicht zu vergessen, dass Fußballer auch nur Menschen (bzw. menschliche Waren im großen Fußballgeschäft) sind und ihre persönliche sportliche Weiterentwicklung im Ziel haben. Hummels hat dem BVB in den zurückliegenden acht Jahren einen Bärendienst erwiesen und alle Höhen und Tiefen miterlebt. Der einzige Titel, der ihm noch in dieser vorbildlichen Karriere vorbehalten ist, ist der Traum eines jeden Fußballers (neben dem WM-Titel, den er ja dank Götzes Tor gewonnen hat, welch eine Ironie des Schicksals :D): Der Champions-League-Pokal! Und von diesem Gewinn ist nun mal der BVB trotz frischen nüchternen Winds durch Taktik-Tuchel weit entfernt, wie es das bittere und knappe Aus allein im UEFA-Europapokal gegen den FC Liverpool unter Führung von Ex-BVB-Trainer Jürgen Klopp gezeigt hat. Wer kann es ihm also verdenken, dass es ihn zur Erfüllung dieser Mission in andere (Liga-)Sphären zieht? Das einzige, sofern er wirklich Dortmund nicht treu bleiben sollte (und der BVB wäre schön blöd ihn bei aller „echter Liebe“ nicht gehen zu lassen, sonst stehen sie am Ende wie bei Robert Lewandowski mit leeren Händen da und das wäre in jederlei Hinsicht ein großer v.a. finanzieller FauxPas) sollte er sich für die Zukunft eins merken: Milde und Verständnis walten zu lassen bezüglich der eigenen Kollegen, die das Vereins-Schiff verlassen wollen. Denn das Internet vergisst nichts. Und nagelt einen später auf solche Aussagen fest. Und das könnte einen Neubeginn unnötig erschweren und die Einlösung Hermann Hesses Worte verfehlen, der sehr poetisch proklamierte:

Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe bereit zum Abschied sein und Neubeginne, um sich in Tapferkeit und ohne Trauern in andre, neue Bindungen zu geben. Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben (Hermann Hesse)

Bild-Quellen:

http://www.welt.de/sport/fussball/bundesliga/borussia-dortmund/article154795091/So-schimpfte-Hummels-ueber-Goetzes-Wechsel-zu-Bayern.html

http://www.tz.de/bilder/2016/04/26/6347410/126398293-mats-hummels-bayern-borussia-dortmund-1iBFsx0Z1zef.jpg

Aufrufe: 028.4.2016, 14:00 Uhr
Nicu BurgheimAutor