2024-04-25T14:35:39.956Z

Kommentar
FuPa-Kolumnist Daniel Hansmeier zieht seine ganz persönliche WM-Bilanz
FuPa-Kolumnist Daniel Hansmeier zieht seine ganz persönliche WM-Bilanz

Hansis WM-Kolumne: "Adieu les Bleus"

Die WM-Bilanz: Ein Multi-Kulti-Weltmeister, fragwürdige Handspiel-Regeln, durchaus funktionierende Videobeweise und eine knuddelnde Kroatin

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Das war dann also die Weltmeisterschaft in Russland. Nicht schön, aber selten. Mit einem irgendwie doch verdienten Sieger, auch wenn nicht wenige von uns im Finale sicherlich den Kroaten die Daumen gedrückt haben. Ich selbst, als bekanntermaßen stolzer WM-Sieg-Tipper der Franzosen, musste nach dem 2:1 auch eingestehen: „Wäre aber schon ganz geil, wenn der Underdog jetzt siegt“.


Auch die Art und Weise der ersten beiden Tore war nicht wirklich förderlich für mein französisches Herz. Das hatte ein wenig was vom FC Bayern. Ihr kennt dieses Gefühl bestimmt selbst: Zwei Gegentore aufgrund zweifelhafter beziehungsweise schlicht und ergreifend falscher Entscheidungen des Schiris sind Gift für die eigene Moral. Griezmanns Schwalbe vor dem 1:0 steht für mich in der gleichen Kategorie wie Möllers peinliche Schauspieleinlage einst gegen Karlsruhe. Und auch wenn es von der FIFA eine klare Regelung bezüglich Handspiels im Strafraum gab (alles was nicht angelegt ist, ist Handspiel), ist der Elfer diskussionswürdig. Spätestens aber bei Griezmanns peinlichem Jubel vor der Fankurve der Kroaten, war's dann geschehen mit meinem innerlichen „Allez les Bleus“. Schade, dass am Ende die Luft und der Wille bei den Kroaten fehlten.

Der Weltmeister repräsentiert kulturelle Vielfalt

Andererseits ist Frankreich ein verdienter neuer Weltmeister. Und das nicht nur, weil „wer am Ende oben steht, hat's auch verdient!“. Eine Mannschaft die „Unsere Unterschiede vereinen uns“ im Trikot stehen hat und wie vielleicht kein anderes Team kulturelle Vielfalt repräsentiert, ist in der aktuellen Stimmungslage Gold wert.

Was bleibt ansonsten hängen von Russland 2018? Das historische Ausscheiden der Deutschen, ganz klar. Der destruktive Defensivfußball vieler Teams sicherlich auch noch. Und die total surreale und skurrile Siegesfeier inklusive Regenschirm nur für den Big Boss, Knuddeleien ohne Ende durch die kroatische Präsidentin und zum Abschluss den wohl schlechtesten Kamerawechsel eines Regisseurs in der Geschichte aller Pokalübergaben.

Ein Engländer als WM-Orakel

Aber auch diese WM hatte wieder Bilder und Geschichten, die uns nur der Fußball und ganz besonders eine Weltmeisterschaft liefert:

Panamas Jubel nach dem 1:6 gegen England und der Empfang der Helden in der Heimat. Scheißegal, wie die Gruppenphase war - wir haben ein WM-Tor!

Das Foto eines Rollstuhlfahrers beim Public-Viewing, der von Fans verschiedener Nationen hochgehoben wurde damit er das Spiel sehen konnte. Fußball vereint die Welt und bringt das Gute im Menschen hervor, wie vielleicht kein anderes Ereignis.

Oder dieses Video über Steve McManaman, der die gesamte K.o.-Phase zu 99 Prozent richtig vorhersagte. Einzig Spaniens Ausscheiden gegen die Russen war für ihn doch etwas zu ungewöhnlich. Stevie McFlynaman drei Jahre, nachdem Marty McFly in unserer Zeit gelandet ist. Jetzt wissen wir also auch, wer den Sport-Almanach in der neuesten Fassung besitzt.

Und natürlich der Videobeweis. Erstmalig eingesetzt bei der WM und ein Vorbild für unsere Bundesliga, wenn auch im Finale leider entscheidend eingesetzt. Trotzdem gab es kaum ein langes Warten auf eine Entscheidung, sondern direktes Eingreifen der Schiris im Anschluss an die Spielsituation. So soll es sein, auch wenn einige Spieler immer etwas sehr hektisch das magische Rechteck in die Luft zeichneten, sobald sie unzufrieden waren mit einer Situation. Kleiner Verbesserungsvorschlag aber an dieser Stelle noch an die DFL: Wenn die Jungs im Darkroom schon in Schiri-Montur und Jogginghose vorm Fernseher sitzen, sollte man ihnen wenigstens auch Chips und Dosenbier reichen.

Spätestens 2026 droht ein Duell Italien gegen Holland

Ansonsten bleibt für mich noch hängen, wie perfekt die WM in der jetzigen Form ist. Du hast zwei Wochen am Stück jeden Tag Fußball, Fußball, Fußball. Dann gibt es einen Tag Pause, an dem du gar nicht weißt, wohin mit dir. Und am Folgetag geht es endlich weiter. Es folgen irgendwann wiederum zwei unfassbar lange freie Tage, wieder ein paar Spiele, noch etwas mehr Pause im Anschluss, ein langweiliges Vorspiel und der abschließende Höhepunkt zum Schluss. 69 äh ... 64 Spiele in vier Wochen. Völlig befriedigend und ok. Aber es muss ja natürlich geändert werden, liebe FIFA. 64 Spiele spülen noch zu wenig Kohle in die eigene Tasche, also haben wir 2022 vielleicht schon 48 Teams, spätestens aber 2026. Eine aufgeblähte WM mit viel Panama gegen Iran oder gar Italien gegen Holland. Wer sich darauf freut ist, entweder Funktionär beim Weltfußballverband, ein Italo-Holländer oder ein noch völlig bekloppterer Fußballrentner mit viel freier Zeit.

Nun denn. Genießt die restliche Sommerpause, so kurz sie jetzt dann auch nur noch ist. In zwei Wochen startet der Kreispokal. Die Amateurligen am 12. August. Endlich wieder Bratwurst, endlich wieder „Schiri, immer der Vierer!“ nach drei gespielten Minuten und endlich wieder Live-Ticker zum Schwätzen über Outfits der Torhüter, knappe Bekleidung der Zuschauerinnen oder Chicken Nuggets im Eidinghausener Paradies.

Aber vor allem kein Löw, keine Schauspieler, kein Videobeweis, keine Strafen für falsche Socken und kein Trikotzwang, um den Verkauf anzukurbeln. Einfach nur die schönste Nebensache. Herrlich schöne Amateurfußballwelt.

In diesem Sinne, wir lesen uns im August. Lasst Euch die erste Bratwurst der Saison schmecken!


Aufrufe: 017.7.2018, 12:00 Uhr
Daniel HansmeierAutor