2024-04-24T13:20:38.835Z

Analyse
Der TuS Heeslingen hat im Laufe der Zeit viel Geld für Infrastruktur ausgegeben, sei es (im Uhrzeigersinn) für das neue Vereinsheim, die Tribüne, die Flutlichtanlage, die fünf Plätze in Heeslingen (3), Boitzen und Wiersdorf, das alte Vereinsheim oder die Umzäunung des Vereinsgeländes. Dafür fordert der TuS-Vorsitzende jetzt 1,4 Millionen Euro von der Gemeinde. Fotos A. Schmidt
Der TuS Heeslingen hat im Laufe der Zeit viel Geld für Infrastruktur ausgegeben, sei es (im Uhrzeigersinn) für das neue Vereinsheim, die Tribüne, die Flutlichtanlage, die fünf Plätze in Heeslingen (3), Boitzen und Wiersdorf, das alte Vereinsheim oder die Umzäunung des Vereinsgeländes. Dafür fordert der TuS-Vorsitzende jetzt 1,4 Millionen Euro von der Gemeinde. Fotos A. Schmidt

Gemeinde droht Millionenklage

TuS-Vorsitzender fordert Einhaltung des Pachtvertrages - Es geht um 1,4 Millionen Euro - ,,Sehe keine andere Möglichkeit"

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Heeslingen. Bernhard Eckhoff hat die Nase voll von der ,,Hinhaltetaktik der Gemeinde", wie er sagt. Jetzt verklagt der Vorsitzende des TuS Heeslingen die Kommune auf die Einhaltung des von ihr gekündigten Pachtvertrages oder die Zahlung von 1,4 Millionen Euro als Vergütung für die Vermögenswerte, die der TuS auf den gemeindeeigenen Flächen geschaffen hat. Damit wird ein neues Kapitel in der ,,Finanzaffäre" aufgeschlagen, die am 28. November 2011 mit einer Durchsuchungsaktion der Steuerfahndung begann und fast die Auflösung des Traditionsvereins nach sich gezogen hätte.

Seit fast viereinhalb Jahren kämpft Bernhard Eckhoff als einziges verbliebenes Vorstandsmitglied des TuS um eine Rehabilitierung des Vereins, seiner Person und des ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden Manfred Müller, mit dem zusammen er im Dorf quasi als ,,Alleinschuldiger" der Finanzaffäre ausgemacht worden sei. Im Ort habe er sich damals plötzlich als Persona non grata gefühlt. ,,Das schlimmste war die Distanzierung aller anderen. Von einem Tag auf den anderen bist du nichts - hast nur noch Schuld", so Eckhoff.

Hauptverfahren vor dem Sozialgericht kommt nicht voran

Dabei ist über diese noch längst nicht entschieden. Das Hauptverfahren vor dem Sozialgericht in Stade kommt nicht voran. Seit 2013 hat der TuS-Vorsitzende nichts mehr von den Justizbehörden gehört. Aufgrund dieser für seinen Mandanten ,,untragbaren Situation" hat sich Eckhoffs Anwalt inzwischen an das Gericht gewandt, mit dem Ziel, das Verfahren zu beschleunigen.

Zumal die Aussichten auf ein erfolgreiches Ende für den TuS Heeslingen scheinbar nicht die schlechtesten sind: In einem Beschluss hatte das Landessozialgericht Bremen-Niedersachsen bereits im November 2013 die angeordnete Zwangsvollstreckung gegen den Verein aufgehoben und ernsthafte rechtliche Zweifel an den von der Rentenversicherung errechneten Beitragsnachforderungen sowie den sich daraus ergebenden Säumniszuschlägen von zusammen 690000 Euro deutlich gemacht.

"Fußballer waren keine Angestellten des Vereins"

Der 4. Senat des Landessozialgerichts teilte dabei die Rechtsauffassung des TuS, wonach die Spieler der ersten Herren keine Angestellten des Vereins gewesen seien. Das hatte Eckhoff stets betont: ,,Ob ich alles richtig gemacht habe, weiß ich nicht. Ob und welche Fehler ich gemacht habe, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass die Fußballer in Heeslingen nicht Angestellte des Vereins waren", so der TuS-Vorsitzende.

Sollte das für das Hauptverfahren zuständige Stader Gericht dies ebenfalls so sehen, wäre der TuS zumindest in diesem Punkt rechtlich rehabilitiert. Zudem würden weitere Forderungen des Finanzamtes aus dem Bereich der Spendenhaftung über rund 270000 Euro damit ebenfalls entfallen.

"Wie kann es sein, dass ein ganzer Ort einen über 100 Jahre alten Verein einfach so fallen lässt?"

Ausgestanden wäre die Geschichte damit aber noch nicht, denn der Verein hatte aufgrund der Ermittlungen der Finanzbehörden, der daraus resultierenden Kontensperrung und der unklaren Zukunft 2013 seine Oberliga-Lizenz nicht erneuern können und letztlich die Fußball-Spielrechte an den neugegründeten Heeslinger SC übertragen, um überhaupt noch hochklassigen Fußball im Ort erhalten zu können. Auch aus den anderen Sparten wechselten fast alle Mitglieder von ihrem mittlerweile weitgehend handlungsunfähigen Stammverein zum SC.

Die Gemeinde, die den Pachtvertrag mit dem TuS für dessen Heeslinger Sportgelände noch am 18. Oktober 2012 bis zum 30. November 2033 verlängert hatte, handelte ebenfalls und kündigte die Vereinbarung. Zum 1. Juli 2013 hatten somit die meisten Mitglieder, der gesamte Vorstand - mit Ausnahme von Eckhoff - sowie die örtliche Politik dem Verein den Rücken gekehrt. ,,Nach dem Neustart mit dem SC wollte vom TuS niemand mehr was wissen. Aber wie kann es sein, dass ein ganzer Ort einen über 100 Jahre alten Verein einfach so fallen lässt?", fragt sich Eckhoff noch heute.

Geschäftsführender TuS-Vorstand haftet mit Privatvermögen

Die Bücher einfach schließen, das wollte und konnte der TuS-Vorsitzende damals nicht, denn er haftete - genau wie zwei seiner ehemaligen Kollegen aus dem geschäftsführenden Vorstand - mit seinem Privatvermögen für von ihnen gemeinsam im Namen des Vereins unterschriebene Bürgschaften über insgesamt rund 120000 Euro. Alle Versuche, die Gemeinde davon zu überzeugen diese Summe zu übernehmen, waren damals gescheitert - obwohl der Kommune bei einer Abwicklung des Vereins die gesamten vom TuS geschaffenen baulichen Vermögenswerte damit sehr, sehr günstig zugefallen wären.

,,Bürgermeister Gerhard Holsten hat damals zu mir gesagt: ,Manfred Müller ist schuld, und du hast ihn nicht aufgehalten. Nun seht zu, wie ihr da wieder rauskommt!'", so Eckhoff, der sich mit seinem Stellvertreter im Dorf zunehmend isoliert und an den Pranger gestellt fühlte. Manfred Müller hatte - auch aufgrund persönlicher Anfeindungen - im April 2012 ,,erschöpft und entmutigt" seinen Rücktritt erklärt, ,,um mich und meine Familie zu schützen", wie er seinerzeit schriftlich mitteilte.

Eckhoff wehrt sich vor Gericht

,,Es ist beschämend und traurig für einen Ort wie Heeslingen, wie hier mit ehrenamtlich Tätigen umgegangen wurde", so Eckhoff, der sich danach im Alleingang gegen die Anschuldigungen der Finanzbehörden zur Wehr setzte und die übrigen Gläubiger des TuS zur Stundung der Darlehen überredete, bis die rechtliche Auseinandersetzung beendet ist. Dank der Unterstützung der Rechtsschutzversicherung des Vereins, die nach genauer Prüfung des Falls aufgrund guter Erfolgsaussichten einer Kostenübernahme zustimmte, konnte Eckhoff die Hilfe von Anwälten in Anspruch nehmen und vor Gericht ziehen.

Dort wird er sich demnächst wohl auch mit Vertretern der Gemeinde Heeslingen treffen. Denn die Verhandlungen über den Wertausgleich, den die Gemeinde dem Verein bei einer Beendigung des Pachtverhältnisses zahlen muss, zogen sich zwar bereits etliche Monate hin, verliefen aber letztlich ergebnislos. Die Schuld dafür sieht Eckhoff bei der Kommune: ,,Das war eine reine Hinhaltetaktik. Die haben nur gehofft, dass ich irgendwann aufgeben würde."

Nur die Summe für den Wertausgleich ist strittig

Dabei ist nicht die Frage strittig, ob die Gemeinde zahlen muss, denn das ist ausdrücklich im Pachtvertrag festgelegt. Lediglich über die Höhe der Summe sind sich der TuS-Vorsitzende und die Kommune nicht einig. Der Verein hat im Laufe der Jahre die fünf Sportplätze in Heeslingen (3), Wiersdorf und Boitzen gebaut und zudem in Heeslingen das alte und neue Vereinsheim, die Tribüne und die Einzäunung des Geländes errichtet. Hinzu kommen weitere kleinere Posten, wie Nebengebäude oder Flutlichtinstallationen.

Während für die neueren Maßnahmen noch die kompletten Unterlagen vorliegen, die Kosten für das neue Vereinsheim (480000 Euro), die Tribüne (330000) und den Zaun (40000) somit unstrittig sind, wollte die Gemeinde die von Eckhoff beigebrachten Kostenschätzungen für die schon länger zurückliegenden Baumaßnahmen nicht akzeptieren.

Der TuS-Vorsitzende hatte angesichts fehlender Originalunterlagen entweder Kostenvoranschläge für einen Neubau eingeholt oder etwa Versicherungsunterlagen zu Rate gezogen. Insgesamt kam Eckhoff dabei auf eine Investitionssumme von rund 1,9 Millionen Euro, von denen allerdings knapp 500000 Euro an Gemeindezuschüssen wieder heruntergerechnet werden müssen.

Kein Gegenvorschlag

Da die Kommune allerdings Eckhoffs Berechnungen nicht akzeptierte, aber im Gegenzug auch keine eigenen vorlegte, wird nun wohl ein Gericht über die vom TuS-Vorsitzenden für den Verein geforderten 1,4 Millionen Euro entscheiden müssen. Über seinen Anwalt hat Bernhard Eckhoff eine Klage vorbereiten lassen, mit der er entweder eine Rücknahme der vorzeitigen Kündigung des Pachtvertrages durch die Gemeinde oder die Zahlung des Wertausgleichs durchsetzen will.

,,Ich sehe keine andere Möglichkeit", so Eckhoff, der betont, dass er alle diese Maßnahmen nur macht, um selbst finanziell unbeschadet aus der ganzen Sache herauszukommen. Denn neben den bis zum Ende des Hauptverfahrens immer noch im Raum stehenden Forderungen von Rentenversicherung und Finanzamt über zusammen 960000 Euro drücken den TuS auch noch Schulden von rund 70000 Euro. ,,Diese sind unstrittig", betont Eckhoff, der diese Summe aus dem Wertausgleich allerdings locker bezahlen könnte - selbst wenn ein vom Gericht bestellter Gutachter die TuS-Investitionen letzten Endes etwas geringer bewerten sollte.

Doch unabhängig davon, ob Eckhoff vor Gericht Recht erhält - persönlich und moralisch zeigt sich der TuS-Vorsitzende von den vergangenen viereinhalb Jahren schwer getroffen: ,,Seit dem 28. November 2011 vergeht kein Tag, an dem ich nicht an diese Sache denken muss."

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Dieser Artikel stammt von der Zevener Zeitung

Aufrufe: 020.4.2016, 14:28 Uhr
Zevener Zeitung / Von Oliver MojeAutor