2024-05-10T08:19:16.237Z

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Siebte Liga statt Profifußball - Omar Jatta (Mitte) ist nun bereits zum dritten Mal für den FV Ravensburg am Ball.  Fotos: Thorsten Kern
Siebte Liga statt Profifußball - Omar Jatta (Mitte) ist nun bereits zum dritten Mal für den FV Ravensburg am Ball. Fotos: Thorsten Kern

Vom Rasen ins Gefängnis und zurück

Ehemaliger Profi Omar Jatta bekommt dritte und letzte Chance beim FV Ravensburg

Ravensburg - Er kam als Flüchtling aus Gambia nach Deutschland und träumte von einer Karriere als Profifußballer. Beim FV Ravensburg war er einst Leistungsträger und Publikumsliebling. Dann ging im Leben von Omar Jatta jedoch einiges schief: falsche Freunde, mangelnder Einsatz, geplatzte Träume. Vor drei Wochen stand er dann wieder beim FV vor der Tür. Jatta kann dank des Sportlichen Leiters Peter Mörth wieder auf dem Fußballplatz stehen. Zwar nur in der siebten Liga, aber es ist seine dritte - aber auch definitiv letzte - Chance in Ravensburg.

Vor drei Wochen klingelte plötzlich das Handy von Peter Mörth. Am anderen Ende war Omar Jatta. Der 28-Jährige wollte seinem einstigen Förderer aber nicht etwa guten Tag sagen. Jatta steckte in großen Schwierigkeiten. Wegen ausstehender Rechnungen stand eine Haftstrafe bevor. "Omar ist ein armer Tropf, er liegt mir einfach am Herzen", sagt Mörth. Also stellte der Sportliche Leiter des FV kurze Zeit später im Ravensburger Gefängnis Hinzistobel einen Besuchsantrag, besuchte Jatta wenig später hinter Gittern - und löste ihn aus.

Über den Geldbetrag möchte Mörth nicht sprechen. "Ich will kein Samariter sein, aber es war ein ordentlicher Betrag." Doch damit nicht genug. Weil Jatta, der in einer Unterkunft in Weißenau wohnt, quasi nichts mehr hatte, kaufte ihm Mörth Schuhe, Kleidung "und was halt wichtig war". Doch warum gibt sich Mörth so viel Mühe, obwohl ihn Jatta bereits zweimal enttäuscht hat? "Wenn er am Boden liegt, dann kann ich doch nicht noch drauftreten", sagt Mörth. Schon in Jattas erster Zeit in Ravensburg half Mörth, wo er nur konnte. Später besorgte Mörth dem Stürmer - obwohl der ihn bereits enttäuscht hatte - Wohnung und Ausbildungsplatz.

2008 hatte die Beziehung FV und Jatta noch gut begonnen. Über Gambia und Hamburg kam der damals 19-Jährige nach Oberschwaben. Schnell fiel den FV-Verantwortlichen das überragende fußballerische Talent des sechsfachen gambischen U-20-Nationalspielers auf. Jatta wurde zum Leistungsträger und erzielte in der Saison 2010/11 in der Verbandsliga 32 Saisontore, in der Relegation zur Oberliga scheiterte der FV aber am VfR Mannheim. "Ein paar ganz Ehrgeizige haben ihm dann den Mund wässrig gemacht", blickt Mörth zurück. Bedeutet: Scheinbare Freunde redeten ihm ein, dass ihm eine Profikarriere bevorstehe.

Jatta verließ Ravensburg zum ersten Mal und wechselte zum Drittligisten Stuttgarter Kickers. Dazu musste jedoch erst einmal sein Asylantrag bewilligt werden, sonst hätte Jatta den Landkreis Ravensburg nicht verlassen dürfen. Richtig glücklich wurde der Gambier in Stuttgart aber nie, auch später in Unterhaching schaffte er nicht den endgültigen Sprung in den Profibereich.

Im Juni 2014 kehrte Jatta zum FV zurück - es war der Anfang des bitteren Abstiegs des talentierten Fußballers. Auf dem Platz war wenig zu sehen von seiner früheren Leichtigkeit, die Trennung nur eine Saison später logisch. Dass der Verein - eben insbesondere Mörth - seinem Stürmer eine Ausbildungsstelle und eine Wohnung verschafft hatte, schien Jatta nicht zu interessieren. Er versuchte sein Glück beim FC 08 Villingen und beim SC Pfullendorf, die Engagements waren aber nur von kurzer Dauer und die Abschiede alles andere als sauber. In Pfullendorf etwa tauchte Jatta zur Vorbereitung nach der Winterpause der Saison 2016/17 einfach nicht mehr auf.

Viele Gerüchte rund um seine Person machten immer wieder die Runde. "Mir war jetzt ganz wichtig, dass er nichts mit Drogen zu tun hatte", stellt Mörth klar. "Sonst hätte ich ihm nicht geholfen." Nicht nur Jatta, sondern auch andere versicherten Mörth, dass dies nicht der Fall gewesen sei. Nun ist der Gambier also ein drittes Mal beim FV, wieder hat sein Förderer Mörth viel Herzblut und finanzielle Zuwendung reingesteckt. "Ich freue mich sehr, dass ich wieder hier bin", sagt Jatta. Über seine Vergangenheit will der 28-Jährige nicht sprechen. Wie sehr ihn gerade die jüngste Zeit und der kurze Gefängnisaufenthalt belastet haben, zeigt aber diese Aussage: "Ich bin gesund und am Leben. Darüber bin ich froh."

Hilfe ohne Bedingungen

Nun muss Jatta auf dem Platz zeigen, dass er verstanden hat. "Ich hoffe, dass er endlich erkennt, wer ihm tatsächlich helfen möchte", meint Mörth. Der Sportliche Leiter ist sich sicher, dass Jatta der strauchelnden U23 in der Landesliga helfen kann. Auch Gerhard Rill und Johannes Joser, die den Tabellenletzten derzeit als Interimstrainer betreuen, glauben an den Stürmer. "Er hat Ruhe am Ball und spielt einfacheren Fußball als seine Mitspieler", so Rill. Körperlich sei er noch im Rückstand, "aber er hat bislang schon einen guten Eindruck hinterlassen".

Ob Jatta tatsächlich länger beim FV bleibt, weiß keiner - auch Mörth nicht. "Ich freue mich, wenn er seine Chance jetzt nutzt. Wenn nicht, dann war es eine Enttäuschung mehr, darauf käme es dann auch nicht mehr an." Das klingt ein wenig nach Resignation. Bedingungen hat der Sportliche Leiter keine gestellt. Jatta muss kein Geld zurückzahlen. Geld, das Jatta derzeit auch gar nicht hätte. "Ich kann nur Fußball spielen", gibt Jatta zu und fügt an: "Hier ist meine Heimat." Die Frage ist nur, für wie lange?

Aufrufe: 08.11.2017, 18:18 Uhr
Thorsten KernAutor