2024-04-19T07:32:36.736Z

Querpass
Spärlich besetzte Tribünen: Selbst bei gutem Wetter war beim Spiel des SV Gonsenheim gegen den SV Morlautern noch viel Platz. Das kurz danach angepfiffenen Bundesliga-Spiel des FSV Mainz 05 gegen Hoffenheim kostete den Oberligisten Zuschauer. Archivfoto: pa/Schmidt
Spärlich besetzte Tribünen: Selbst bei gutem Wetter war beim Spiel des SV Gonsenheim gegen den SV Morlautern noch viel Platz. Das kurz danach angepfiffenen Bundesliga-Spiel des FSV Mainz 05 gegen Hoffenheim kostete den Oberligisten Zuschauer. Archivfoto: pa/Schmidt

Zuschauerschwund sorgt für Frust

FUSSBALL Amateure begehren gegen Bundesliga und Verbände auf / „Wir sind das Stiefkind des DFB“

RHEINHESSEN/BAD KREUZNACH - (br/C.R./ml/nic/imr/ari). Hans Molitor ist der Kragen geplatzt. Der Vorsitzende des Verbandsligisten TuS Mayen hat sich in einem auf „focus.de“ veröffentlichten offenen Brief an den Deutschen Fußball-Bund (DFB) seinen Frust über den Verband heruntergeschrieben.

Dass ab der Saison 2017/18 in der Bundesliga noch ein weiterer Sonntagstermin um 13.30 Uhr hinzukommt, ärgert Molitor mächtig. Schon jetzt koste die Bundesliga den Amateur-Fußball viele Zuschauer. Von den noch einmal gesteigerten TV-Einnahmen der Topklubs sehe die Basis hingegen wenig. Viele Funktionäre aus Rheinhessen und von der Nahe stimmen Molitor in vollem Umfang zu.

Auch in Joachim Mayer beispielsweise brodelt es bei diesem Thema. Darauf angesprochen, schimpft der Vorsitzende des Oberligisten SV Gonsenheim direkt los: „Ich bin stinksauer. Wir Amateurvereine sind ein Stiefkind des DFB, der mit uns macht, was er will.“ Wenn parallel zum eigenen Spiel eine Bundesliga-Partie ausgetragen wird, wirkt sich dies nach Mayers Erfahrung enorm auf den Besuch beim SVG aus. Dass Mainz 05 in diesem Jahr wie Gonsenheim häufig sonntags spielt, trifft den Verein hart. „Das kostet uns jedes Mal 50 bis 100 Zuschauer“, sagt Mayer. Bei Schiedsrichter-Kosten von 210 bis 260 Euro bleiben dann „vielleicht noch 80, 90 Euro übrig. Davon sollen wir dann eine Oberliga-Mannschaft und drei Jugend-Regionalliga-Teams finanzieren... Vom DFB haben wir aber noch nie etwas abbekommen.“

Steffen Jung, der Vorsitzende des Landesligisten RWO Alzey, gibt sich reserviert: „Die Tatsache, dass wohl bald ‚rund um die Uhr‘ Bundesligafußball zu sehen ist und die Spiele immer kurzfristiger angesetzt werden, macht das geschickte Terminieren unserer Begegnungen nicht einfacher.“ Der Landesligist war bisher gerne auf den Freitagabend ausgewichen. Trotzdem kamen im Schnitt nicht mehr als 150 Zuschauer. „Die daraus resultierenden Einnahmen“, so Jung, „reichen leider schon lange bei weitem nicht mehr aus, um einen Spielbetrieb aufrechtzuerhalten. Aus diesem Grund setzt unser Verein stark auf zusätzliche Aktivitäten und Veranstaltungen, um Gelder zu generieren.“ Wegen zurückgehender Bereitschaft, sich ehrenamtlich zu engagieren, sei aber fraglich, wie lange dieses Finanzierungsmodell des Amateurfußballs noch tragfähig ist.

Einer, der weiß wie sich der Amateurfußball in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt hat, ist Oliver Holste. Der Sportliche Leiter von Eintracht Kreuznach hat selbst in den 80er Jahren in der Oberliga vor 4000 bis 5000 Zuschauern gespielt. Heute sind in der Verbandsliga 400 bis 500 schon viele. „Klar, damals war die Oberliga auch dritthöchste Spielklasse und wir hatten Duelle mit Traditionsvereinen wie Mainz 05, Borussia Neunkirchen oder 1. FC Saarbrücken. Aber Hauptgrund, dass heute kaum noch einer ins Stadion kommt, sind die vielen TV-Übertragungen.“ Im Moebusstadion sind es im Schnitt 100 bis 150 Fans, die zu den Spielen am Samstag oder Sonntag kommen. Dazu hat Holste ein weiteres Problem erkannt: Die Amateure hätten keine Organisation, die ihre Belange im DFB wahrnimmt – wie etwa die DFL bei den Profis.

„Es gibt schon den einen oder anderen Sky-Zuschauer, der dann zu Hause bleibt“, munkelt Wolfgang Wohlleben, Vorsitzender der SG Hüffelsheim, deren Aktive in der Landesliga West unterwegs sind, über die Auswirkungen von Bundesliga-Sonntagsspielen. Zwar sieht er diese bei seinem Verein nicht allzu prekär, ist generell froh, wenn bei Heimspielen der SG 150 bis 200 Zuschauer da sind, macht aber deutlich: „Sonntag ist Amateurfußballtag.“

Wenn man derweil Andreas Großmann, Abteilungsleiter des TuS Hochheim, danach fragt, wo er am vergangenen Samstagmittag zur Bundesligazeit war, antwortet er: „In Leiselheim beim Spitzenspiel der B-Klasse gegen Rheindürkheim.“ Zum Profifußball hat der 50-Jährige eine ganz besondere Meinung. „Der holt mich schon lange nicht mehr ab. Das ist mir zu viel Gebabbel“, erklärt Großmann, der selbst seit seinem fünften Lebensjahr Fußball spielt. „Im Profigeschäft geht es schon lange nicht mehr um Fußball. Da bin ich froh, bei einem kleinen Verein zu sein. Hier zählt die Liebe zum Verein, und die Zuschauer kommen, weil sie mit Herz dabei sind“, betont Großmann. In Hochheim sei man in der glücklichen Situation, dass rund 150 im Schnitt die Spiele der A-Klasse verfolgen. Das werde sich durch die neuen Anstoßzeiten der Bundesliga auch nicht ändern. „Das ist so gewachsen“, sagt Hochheims Abteilungsleiter, sieht indes vielmehr ein finanzielles Problem: „Die Idioten der Nation sind die kleinen Vereine, die Jugendarbeit betreiben und um 50 Euro kämpfen müssen.“

Dass die Anstoßzeiten der Profi-Teams für den Amateurfußball alles andere als hilfreich sind, kann auch Bert Balte nicht dementieren. Der Trainer von Fußball-Landesligist Spvgg. Ingelheim weiß um die zentrale Problematik. „Es kommen einfach keine Zuschauer mehr. Die Bundesliga nimmt uns da schon viel weg“, kritisiert Balte. Gerade wenn Mainz 05 parallel spiele, werde die Lage noch schwieriger, hat der Coach beobachtet. Er befürchtet, dass sich die Situation weiter verschlechtern wird. „Eigentlich müssten alle Sonntagsspiele im Profifußball weg. Aber das ist leider nicht realistisch“, sieht Balte keinen Lösungsansatz.

Aufrufe: 020.10.2016, 08:00 Uhr
RedaktionAutor