2024-05-08T14:46:11.570Z

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Die Amateurfußballer in Baden-Württemberg müssen unfreiwillig die Füße hochlegen.
Die Amateurfußballer in Baden-Württemberg müssen unfreiwillig die Füße hochlegen. – Foto: Foto: imago images/Sportfoto Rudel
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Fußball-Vollbremsung sorgt für Frust

Der Württembergische Fußball-Verband hat mit den beiden badischen Verbänden beschlossen, den Spielbetrieb von der Oberliga abwärts ab sofort zu stoppen. Vielleicht wird erst 2021 wieder gespielt.

Ravensburg / sz - Jetzt also doch: Am Mittwoch hat es vom Württembergischen Fußball-Verband (WFV) keine Stellungnahme zum Corona-Maßnahmenpaket der Bundesregierung gegeben. Am Donnerstag gab es dann ein Entscheidung: Ab sofort wird der Spielbetrieb von der Oberliga abwärts gestoppt. Das sorgt für einige Kritik aus den Fußballvereinen in der Region.

Bund und Länder hatten am Mittwoch entschieden, ab dem kommenden Montag (2. November) unter anderem den Amateursportbetrieb für mindestens vier Wochen zu untersagen. Der Handballverband Württemberg hatte schon vorab reagiert und seine Spiele mit sofortiger Wirkung abgesagt. Nun folgten auch der WFV sowie der Südbadische Fußballverband und der Badische Fußballverband. Ab sofort sind sowohl Pflichtspiele als auch Testspiele verboten. Das gilt im gesamten Männer- und Frauenbereich sowie in der Jugend. Die letzten beiden Pflichtspiele – vielleicht sogar in diesem Jahr – haben damit der FV Ravensburg II in der Landesliga sowie der TSV Tettnang und der TSV Eriskirch in der Kreisliga A bestritten.

Dass in diesem Jahr noch einmal gespielt wird, glaubt Daniel Di Leo nicht. "Ich denke, wir starten erst wieder ab März", sagt der Trainer des Verbandsligisten VfB Friedrichshafen. Die Absage schon für dieses Wochenende findet Di Leo nicht gut. "Wir hätten das Wochenende gerne noch mitgenommen." Der VfB wäre am Freitag schon nach Hollenbach gefahren, dort hatte Tobias Scheifler, den Di Leo aus seiner Zeit beim FV Ravensburg kennt, den Friedrichshafenern ein Hotel besorgt. "Schade, dass jetzt schon abgebrochen wurde. Das ist irgendwie unschön." Denn die Vereine hätten in den vergangenen Wochen mit viel Mühe Hygienekonzepte erarbeitet und diese auch umgesetzt. "Wir haben uns im Training und bei Spielen an alle Regeln gehalten", sagt der VfB-Spielertrainer. "Im Fußball, wo man auch noch an der frischen Luft spielt, ist doch meines Wissens nach nicht viel passiert."

Solche Stimmen gab es seit Mittwoch aus dem Lager des Amateursports häufiger. Viele sagen, dass der Sport kein Virusverbreiter sei. "Die Infektionszahlen resultieren nicht aus dem Spielbetrieb", meint Fabian Hummel, Manager des FV Ravensburg. "Ich hätte mir gewünscht, dass man anders entschieden hätte, vielleicht erst mal Spiele ohne Zuschauer angesetzt hätte." Doch das Sportverbot für November von Bund und Ländern setzte der WFV strikt um: "Die Entscheidung erfolgt bewusst bereits vor der rechtlichen Umsetzung der Bund-Länder-Beschlüsse und aufgrund der sehr eindringlichen Appelle der Bundes- und Landesregierung", hieß es am Donnerstag in einer WFV-Mitteilung. "Insbesondere Ministerpräsident Winfried Kretschmann betonte, dass alle nicht notwendigen Kontakte bereits jetzt und insbesondere am Wochenende unterbleiben sollen. Dieser Aufforderung leistet der Amateurfußball in Wahrnehmung seiner gesellschaftlichen Verantwortung selbstverständlich Folge."

Der Verband forderte seine Vereine zudem auf, auch den Trainingsbetrieb ab sofort einzustellen. "Bei uns holt am Donnerstag jeder seine Laufschuhe ab, ab Montag geht die Lauf- und Sprintarbeit sowie das Athletiktraining wieder los", sagt Di Leo. "Zum Spaß haben wir uns schon einen schönen Nikolaus und frohe Weihnachten gewünscht." Die baden-württembergischen Verbände hoffen zwar, die Saison 2020/21 "ordnungsgemäß zu Ende zu bringen". So richtig daran glauben mag etwa FV-Manager Hummel nicht. "Bei so vielen Spieltagen wie in der Oberliga sollte man so lange spielen wie es vertretbar ist." Sonst müsse man vielleicht bis Weihnachten oder zwischen den Jahren spielen. "Ich hoffe, dass wir in diesem Jahr noch mal auf den Platz zurückkehren können", sagt Hummel. Diese Hoffnung hat Di Leo nicht. "Ich glaube, wir fangen erst im März wieder an."

Thomas Büchelmaier, Sportlicher Leiter des Landesligisten SV Kehlen, gibt die gleiche Prognose wie Di Leo ab. Auch er könne sich nicht vorstellen, dass noch in diesem Kalenderjahr gespielt wird. Hinter der Entscheidung des WFV, den Spielbetrieb sofort zu unterbrechen, steht er. "Wenn am Wochenende etwas passieren würde, dann wäre das nicht förderlich. Dann würde der Fußball noch mehr am Pranger stehen und es würde Öl ins Feuer gießen. Der Fußball genießt schon von Anfang an eine kleine Sonderstellung", führt Büchelmaier aus. Die Kehlener halten sich nun strikt an die Empfehlung des Verbandes. "Der ganze Verein ist ab sofort stillgelegt. Bei uns findet auch kein Training mehr statt", so Büchelmaier. Die Kehlener erarbeiten nun Pläne für die nächsten Wochen und Monate. Erst am Mittwoch gab der SVK die Trennung von Coach Bernd Reich bekannt und ersetzte ihn vorerst mit dem bisherigen Co-Trainer Tobias Ullrich. Ob das Landesliga-Schlusslicht den Trainerwechsel auch mit dem heutigen Wissen jetzt schon vorgenommen hätte, vermochte Büchelmaier nicht zu sagen. "Das ist Spekulation. Wir haben die Entscheidung am Wochenende getroffen, das war nicht vorhersehbar." Ullrich jedenfalls muss auf sein Debüt warten – die Partie in Nusplingen findet nicht statt. Eine drastische Entscheidung, mit der Büchelmaier einverstanden ist, aber auch Geisterspiele wären aus seiner Sicht eine Möglichkeit gewesen. "Ohne Zuschauer hätte man schon was hinkriegen können."

Die Entscheidung, nun nicht mal mehr wenigstens einmal auflaufen zu können, sorgt bei Patrick Mayer für leichten Frust. Der Trainer des Bezirksligisten SV Beuren sagt: "Wir hätten gerne noch das eine Spiel gemacht, um einen vernünftigen Abschluss zu haben." Er bezweifelt auch, dass 2020 der Ball noch einmal rollen wird und hinterfragt den Stopp im Fußball. "Es ist sehr schade. Die Vereine haben Konzepte entwickelt und ich hatte das Gefühl, dass es sehr gut geklappt hat. Die Corona-Fälle kamen nicht vom Fußball, sondern aus anderen Bereichen. Aber es ist dann auch die Frage: Wo fängt man an und wo hört man auf?"

Aufrufe: 029.10.2020, 13:58 Uhr
Schwäbische ZeitungAutor