2024-03-18T14:48:53.228Z

Querpass

Fußball - (K)eine Männersache!?

Düsseldorfer Vereinsführung sorgt nach Eklat für ein unglückliches Nachspiel

Die Zeiten, dass der Fußball nur den Männern vorbehalten ist, schienen seit Wiederaufnahme des Frauenfußballs zu Beginn der 70er Jahre überwunden. Mit zwei WM- und acht EM-Titeln haben sich die DFB-Frauen nicht nur zu einer der erfolgreichsten Mannschaften der Welt entwickelt, sondern sich auch viel Anerkennung und Sympathie erarbeitet. Ein Ende dieser Erfolge ist nicht in Sicht, da mittlerweile zahlreiche Mädchen und Frauen in rund 13.000 Vereinen dem runden Leder hinterherjagen, aus denen dann vielversprechende Talente geformt und gefunden werden. Frauen haben sich in der einstigen Männerdomäne des Fußballs etabliert – dachte man zu mindestens bis zum 29.11.2015. Bis zu dem Tag, an dem uns Kerem Demirbay, Zweitliga Profi von Fortuna Düsseldorf und sein Verein uns eines Besseren belehrte.

Rückschritt statt Fortschritt!

Demirbay hätte zum großen Held des Abends werden können, da er mit seinen beiden Toren seinen Verein zum 2-1 Sieg verholfen hatte – aber er wurde zur tragischen Figur, zum undankbaren Inbegriff des Fußball-Machos mit Migrationshintergrund, da er die Entscheidung der Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus, ihn des Feldes zu verweisen, mit den Worten kommentiert hatte: "Frauen haben im Männerfußball nichts zu suchen!"

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Die Düsseldorfer Vereinsführung um Sportdirektor Rachid Azzouzi beklagte nach Bekanntgabe des Urteils das viel zu harte Strafmaß und zog einen lächerlichen Vergleich heran, der schief war und von der eigentlichen Problematik ablenkte:

"Fünf Spiele Sperre gegen Kerem Demirbay, davon nur zwei auf Bewährung - da stimmt das Verhältnis nicht. Spieler, die anderen die Beine durchgetreten haben, bekommen zum Teil deutlich niedrigere Strafen. Natürlich haben wir sofort Einspruch eingelegt."

Natürlich! Dabei vergisst der gute Herr wohl ebenfalls im Eifer des Gefechts, dass im §9 der Rechts-und Verfahrensordnung des DFB geschrieben steht:

"Wer die Menschenwürde einer Person oder einer Gruppe von Personen durch herabwürdigende, diskriminierende oder verunglimpfende Äußerungen oder Handlungen verletzt, wird für mindestens fünf Wochen gesperrt."

Und eben jene Würde – nämlich die von Bibiana Steinhaus - hatte Kerem Demirbay mit Füßen getreten. Und solch Verstöße gegen ideelle Werte werden seit Menschen gedenken höher und „strenger“ geahndet als körperliche Gefährdungen bzw. Verletzungen. Anstatt sich zu beschweren, hätte sich der Sportdirektor also in Demut dem DFB gegenüber ergehen müssen. Demirbay war mit drei Spielen Sperre und zwei auf Bewährung gemäß des festgeschriebenen Strafmaßes noch mit einem blauen Auge davon gekommen! Aber nein, es sollte noch schlimmer kommen:

Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm

Denn die Vereinsführung wollte selbst nicht untätig bleiben und gegen Demirbays frauenfeindliche Äußerungen individuell vorgehen. Dabei hüpfte sie, anstatt mit gutem Beispiel voranzugehen, selbst in ein riesengroßes Fettnäpfchen. Stolz verkündete der Verein auf seiner Facebook-Homepage: So geht Fortuna damit um, wenn ein junger Spieler einen Fehler macht!"

https://www.facebook.com/fortunaduesseldorf/posts/10153082097392024

und präsentierte einen im hellen Wintermantel und Lackschühchen gekleideten Mittelfeldspieler, der ein D-Juniorinnenspiel in der Kreisklasse zwischen der SSVg 06 Haan gegen Blau-Weiß Langenberg (6:0) leiten sollte.

Ein medialer Supergau! Lassen wir mal gnädigerweise schon einen höchst brisanten Aspekt beiseite – nämlich in welcher Form -und damit ist die vestimentäre Ausstattung gemeint, Kerem Demirbay seine „Strafe“ antrat. Die Gegner kritisierten an diesem Outfit, dass er nicht in normaler Arbeitskleidung erschienen sei. Die Befürworter sahen es gelassen, da eine „Anzugspflicht für Schiedsrichter“ in den Statuten des DFBs erst ab der C-Jugend festgeschrieben sei. Geschenkt! Verbuchen wir dies zu seinen Gunsten eher als eitler, durchaus stilbewusster und damit legitimer Akt. Und ignorieren wir die aufkeimenden Zweifel, welche Rückschlüsse ein solches Auftreten über die Ernsthaftigkeit und Gewissenhaftigkeit seitens Demirbay erlauben. Wenn schon untergehen, dann mit Stil! Fassungslos hingegen macht das anscheinend in dem Verein vorliegende mittelalterliche Strafverständnis!

Aufbau statt Abbau von Vorurteilen

Die Zeiten, als im Sinne Ciceros Vergeltung ausgeübt wurde (lat: Par pari respondere) sind vorbei und wir haben uns einem Strafverständnis zugewandt, das neben der Wiederherstellung des Rechtsfriedens und der Abschreckung von Nachahmungstätern vor allem die Resozialisation zum Ziel hat.

Beleuchtet man die auferlegte Strafe (Das Pfeifen eines D-Mädchenspiels als Reaktion auf eine frauenfeindliche Äußerung - der Satz liest sich doch schon wie ein Paradoxon!) unter diesen Aspekten, wird man feststellen, dass keine dieser Ziele eingelöst wird: Ganz im Gegenteil! Man muss schon verständnislos den Kopf schütteln, da es ein selten ungünstiges Licht auf die Fortunen in Bezug auf deren Auffassung des Frauen-Mädchenfußballs wirft. Denn letztlich heißt es doch nichts anderes, als dass es für Demirbay ein „Übel“ darstellen soll, das (Mädchen-)Spiel als offizieller Referee zu leiten, obwohl ja seiner (verkrusteten) Ansicht nach, Frauen nichts im Männerfußball zu suchen haben?

Aber warum soll das genau eine Strafe darstellen? Eine solche Interpretation fördert doch die Reproduktion von Vorurteilen anstatt deren intendierten Abbau!

Fußball – Keine Männersache!

Wer persönlich gerne mit Geschlechterklischees kokettiert und sich gar an ihnen orientiert, um konservative, liebgewonnene Werte aufrechtzuerhalten, demjenigen sei das natürlich im Privaten freigestellt und zugestanden. Wer diese rückwärtsgerichteten Ansichten in einem öffentlichen Raum fordert und vertritt, um so, wie im Fall Demirbay, seinen Gegenüber zu denunzieren bzw. deren Kompetenz aufgrund seines Geschlechts in Abrede zu stellen, gehört selbst bestraft. Die Ausübung einer Sportart ist doch nicht genuin einem Geschlecht vorbehalten, genauso wenig wie Tätigkeiten (Kochen) oder Handlungen (Autofahren)!

Das ist aber nicht passiert, denn zu allem Überfluss pinkelten die Vereinsbosse in DIE Suppe, die ihnen Demirbay versalzen hatte, anstatt sie ihn selbst bewusst auslöffeln zu lassen.

Was für ein absurder und fehlgeleiteter Ansatz! Der Lerneffekt tendiert so zu null - zumal der Rotsünder diesen Ort des Geschehens ganz nebenbei als einen Laufsteg wahrgenommen hat, seine Winterkollektion zu präsentieren.

Alternativer Ausblick

Eine wesentlich sinnvollere Form des Bußetuns wäre es da gewesen, ihn mit einer empfindlichen Geldstrafe zu belegen, welches der SchiedsrichterInnen – Ausbildung oder allgemein dem Mädchenfußball zu Gute gekommen wäre. Bibiana Steinhaus hätte als Geschädigte, um wenigstens ein wenig Genugtuung zu erfahren, entscheiden dürfen, wer der Empfänger dieses unverhofften Geldsegens werden würde. Obwohl man davon ausgehen kann, dass sie ja stark genug ist, solch unüberlegte hoch emotionale Äußerungen eines Mannes nicht zu nah an sich heranzulassen. Das gebietet ihre Professionalität. Den Aspekt der Emotionalität hatte Demirbay in seiner Entschuldigung selbst "ins Spiel gebracht": Fast schon amüsant, wenn es nicht so traurig wäre, wie erfolgreich er selbst doch starre Klischees aufbricht und zugleich an ihnen festhält :D

Ob das sein individuelles „Frauenbild auf dem Platz“ - was ja anscheinend ein gaaaanz anderes sein soll als neben dem Platz - nachträglich geprägt hätte, sei dahingestellt. Das kann und muss auch nicht beurteilt werden. Aber es hätte ein wesentlich ausdrücklicheres Zeichen gesetzt als es mit der vollzogenen Maßnahme des Vereins geschehen ist. So sind erst recht viele Fragezeichen entstanden und noch mehr Schaden. Denn nicht nur Kerem Demirbay, sondern auch die Vereinsführung von Fortuna Düsseldorf müssen schleunigst ihr Frauenbild hinterfragen – die Frage bleibt nur: Wer hilft ihnen dabei?



Aufrufe: 017.3.2016, 06:00 Uhr
Romina BurgheimAutor