2024-04-16T09:15:35.043Z

Interview
F: privat
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„Für einen Plan B sollten sie vorbereitet sein“

Oliver Münchow sammelte nach seinem vorzeitigen „Karriereende“ erste Trainereerfahrungen bei seinem ehemaligen Verein VfB Hermsdorf. Er verabschiedet sich, auch berufsbedingt, aus Berlin und wechselte in den Jugendbereich vom VfL Wolfsburg.

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Ein Bericht von Marcel Peters - https://www.facebook.com/AmateurberichterstattungMarcelPeters/ - regelmäßig Berichte über Berliner und Brandenburger Amateurfußballer oder Vereine. Gesprächspartner: Oliver Münchow

Wir stehen zu Beginn des Jahres, wie sehen deine sportlichen Ziele für 2019 aus?
Meine sportlichen Ziele für 2019 sind in erster Line die gleichen wie in den letzten Jahren auch: Die Spieler meiner Mannschaft (aktuell U13, Jahrgang 2006) so gut wie möglich auszubilden, damit sie den Sprung in die nächste/n Altersstufe/n schaffen. Erfolge wie Turniersiege und Meisterschaften bleiben dabei hoffentlich nicht aus. Darüber hinaus sind mein Trainerteam und ich bereits mitten im Aufbau unserer neuen Mannschaft, dem Jahrgang 2008 und somit der kommenden U12, was durch Sichtungen und Probetrainings auch noch parallel relativ viel Zeit in Anspruch nimmt.
Hier ist das Ziel, eine Top-Mannschaft zusammenzustellen.
Mein persönliches Ziel ist es, in 2019 bzw. Anfang 2020 mit der A-Lizenz die nächste Trainer-Lizenzstufe zu erreichen.

Das klingt sehr ambitioniert und ist bei einem Bundesligisten sehr anspruchsvoll. Ist das ein Vollzeitjob?
Nein. Mein Job beim VfL ist in dem Altersbereich nebenberuflich.

Ist es dein Ziel, dass eines Tages hauptberuflich auszuführen, gehst du auch deshalb die Trainerlizenz an?
Wenn man das nebenberuflich macht, hat es natürlich sowohl Vor- als auch Nachteile. Momentan bin ich jedoch mit der Situation zufrieden, aber gerade im Fußball weiß man ja nie, wo die Reise hingeht.
Die Lizenz mache ich, weil ich es sehr interessant finde, neue Dinge kennenzulernen und andere Ansätze von anderen Trainern mitzubekommen.

Wie bist du in die Schiene reingerutscht: stand für dich von vornherein fest, dass du nach deinem Karriereende mal an der Seitenlinie stehen wirst?
„Karriere“ (lacht)… In den letzten Jahren meiner aktiven Zeit beim VfB Hermsdorf hat sich der Gedanke, selber Trainer zu werden, immer mehr gefestigt.
Zum VfL bin ich durch meinen Umzug aus beruflichen Gründen nach Wolfsburg gekommen. Dort habe ich mich ganz normal beim damaligen NLZ-Leiter, Fabian Wohlgemuth, beworben.
Dann war es tatsächlich so, dass ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort war, weil zu der Zeit ein neuer Trainer für den U10/U11-Bereich gesucht wurde.

Als Sprungbrett hast du die Herrenabteilung beim VfB Hermsdorf genutzt. Am Ende ist die Mannschaft nach etlichen Jahren aus der Berlin-Liga abgestiegen. Was waren die Gründe und welche Schlüsse hast du daraus gezogen, bzw. was konntest du in deiner noch jungen Laufbahn für dich mitnehmen?
Zu Beginn der Saison war ich Co-Trainer und in der Rückrunde mit Uwe Grossmann gemeinsam verantwortlich. Der Abstieg war wirklich hart für mich - auch weil ich selbst viele Jahre Spieler dort war. Aus meiner Sicht war es eine Frage der Zeit, wann die Berlin Liga nicht mehr gehalten werden konnte.
Die Leistungsträger sind altersbedingt Jahr für Jahr weggebrochen und konnten (auch aus finanziellen Gründen des Vereins) nicht adäquat ersetzt werden.
Als ich selber noch gespielt habe, war der Zusammenhalt der eigentliche Grund beim VfB zu spielen und nicht der finanzielle Aspekt. Das hat sich grundsätzlich im Laufe der letzte Jahre aus meiner Sicht geändert.
Trotzdem wollte ich alles versuchen, den Abstieg zu verhindern. Im Nachhinein müssen sich alle Beteiligten - Trainer, Vorstand und auch Spieler - fragen, ob wirklich alles getan wurde um den Abstieg zu verhindern.
Aber das ist nun Vergangenheit und nicht mehr zu ändern.
Schlüsse daraus zu ziehen ist schwierig, denn es ist ein riesen Unterschied ob man im Herren- oder im Jugendbereich trainiert. Ich bin dem VfB Hermsdorf sehr dankbar, dass ich so früh schon die Chance bekommen habe, Erfahrungen als Trainer zu sammeln. Wenn auch nicht mit dem gewünschten Happyend

Kannst du die Unterschiede genauer beschreiben?
Die drei größten Unterschiede sind die Bereitschaft der Spieler, das Entwicklungstempo und die Trainingsinhalte.
Im Männerbereich musst du immer betteln und hoffen, dass die Trainingsbeteiligung über 60% ist und in der Jugend ist diese immer über 90% - und das 4x die Woche. Zumindest nach meinen Erfahrungen. Natürlich auch bedingt durch die unterschiedlichen Prioritäten im Leben: Im Männerbereich hat man oft Kinder, Familie, einen Job oder Studium/Ausbildung und möchte auch was mit Freunden unternehmen und hat andere Ansprüche. In der Jugend gibt es neben der Schule meist nur Fußball und ab und zu Fortnite oder wie das heißt. Das macht einem als Trainer mit solch einer Beteiligung natürlich viel mehr Spaß. Und die Entwicklungs- und Lernkurve ist in der Jugend auch viel steiler als im Herrenbereich. Besonders in dem „goldenen Lernalter“, das ich trainieren darf.
Auch die Trainingsinhalte sind grundverschiedene: Im Männerbereich ist die Mannschaftstaktik weit höher angesiedelt als die individuelle technische und taktische Ausbildung, die in der Jugend im Fokus steht. Um es recht simpel auszudrücken.

Wie darf ich mir das vorstellen: du bist als quasi Trainerneuling, mit einem Jahr Erfahrung im Männerbereich direkt beim VfL Wolfsburg reingerutscht. Worauf wurde bei der Auswahl geachtet und was hast du den Kindern zuerst beigebracht wenn doch in Herrenbereich andere Prioritäten gesetzt werden?
So ist es. Ich hatte ein sehr gutes und erfahrenes Co-Trainer-Gespann um mich herum, dass mir viel geholfen und mich unterstützt hat. Auch mein Vorgänger, Tim Stegmann, hat mich exzellent eingearbeitet, denn er war ja nicht komplett weg sondern ist als Co-Trainer der U17 aufgerückt.
Zunächst sind natürlich die technischen und taktischen Basics wichtig: Ballan- und -mitnahme, sauberes Passspiel, Freilaufen im Raum und das aus meiner Sicht wichtigste Thema: 1-gegen-1-Situationen lösen.
Und das versuchen wir stets mit viel Spaß und in kleinen Wettbewerben zu trainieren.

Neben dem zu vermittelnden Spaß und den täglichen fußballerischen Fähigkeiten: inwiefern muss man vor allem bei einer U13 oder später auch U12 den „Erzieher“ spielen?
Das Alter ist eigentlich noch recht unproblematisch, was „pubertäre Eigenheiten“ angeht.
Aber grundsätzlich steht die Erziehung der Jungs auf und neben dem Platz bei uns ganz weit oben.
Denn machen wir uns mal nichts vor: Nicht alle 17 Spieler aus meinem Kader werden später ihren Lebensunterhalt mit Fußball verdienen. Ich wünsche es mir und Ihnen natürlich, aber für einen Plan B sollten sie auch vorbereitet werden. Und das durch eine gute Erziehung und gute Leistungen in der Schule, da sind wir auf einem sehr guten Weg.

Wie ist denn deine Meinung, dass vor allem Bundesligisten im Kampf um die besten Talente Jugendspielern schon in jungen Jahren den Kopf verdrehen, wobei einige von ihnen schon mit Spielerberatern um die Ecke kommen?
Ich glaube, dass vor allem unseriöse Berater den Jungs und vor allem den Eltern den Kopf verdrehen.
Das ist schon katastrophal und bedenklich, wenn eine Mutter eines 10-Jährigen nicht mit den Vereinsverantwortlichen spricht sondern an den „Berater“ verweist.
Dann muss man sich natürlich auch nicht wundern, wenn die persönlichen Belange vor jedem Teamgeist gestellt werden und der Aufbau der persönlichen Marke als Profi und hoch dotierte Werbeverträge wichtiger sind als jeder Titel.
Ich finde die Entwicklung sehr bedenklich und versuche dem so gut es geht bereits in jungen Jahren entgegenzuwirken. Aber vielleicht bin ich da zu naiv und zu sehr Fußballromantiker.

Wie war es für dich als Spieler, stand die Mannschaft immer im Vordergrund?
Für mich stand zumindest immer der Erfolg der Mannschaft im Vordergrund - auch auf die Gefahr hin, bei anderen anzuecken. Sicherlich freut man sich über eine gewisse Wertschätzung - auch finanzieller Art, aber, wenn ich höre mit welchen Gehaltsforderungen manche Spieler in der Berlin- oder Landesliga diverse Vereine abklappern, schlackern mir schon die Ohren.
Eine seltsame Entwicklung im Amateurfußball, dass Klinken geputzt werden um vielleicht doch noch irgendwo 20€ mehr zu bekommen. Damit kann ich irgendwie nichts anfangen.

Aus welchen Gründen hast du Fußball gespielt, was macht die Faszination des geliebten Sports für dich aus?
Ich finde es einfach wichtig, dass Kinder bereits früh Mannschaftssportarten betreiben, weil man da so unglaublich viel für das Leben lernt. Nicht ohne Grund hat Albert Camus gesagt „Alles was ich im Leben über Moral oder Verpflichtungen des Menschen gelernt habe, verdanke ich dem Fußball.“
Fußball verbindet und setzt sich über alle Grenzen hinweg - unabhängig von Religion, Hautfarbe, Politik etc. Aber unabhängig von der Macht und des gesellschaftlichen Aspekts des Fußballs macht es einfach richtig Bock Fußball zu spielen. Egal ob 11 gegen 11, 2 gegen 2 oder einfach 16er-Schießen.
Fußball ist geil!!

Abschließende Fragen: Gibt es einen Trainer aus deiner aktiven Zeit, von dem du viel mitgenommen hast und heute etwas anwendest, und einen bei dem du gerne mal eine Woche hospitieren würdest um dein Horizont zu erweitern?
Von meinem früheren Jugendtrainer bei Lübars, René Zampich, der auch beim 1.FC Union gearbeitet hat, habe ich fachlich fürs Jugendtraining viel mitgenommen.
Was Mannschafts- und Menschenführung anging, war Michael Gusko aus meiner Sicht top.
Auch Jörg Schmidt hat es damals Jahr für Jahr geschafft, mit wenigen Mitteln und oftmals unorthodoxem Spielstil, eine schlagkräftige Truppe aufzubieten.
Hospitieren würde ich gerne bei vielen Trainern, aber wenn ich es mir aussuchen dürfte, wären Guardiola, Tuchel und Klopp im Männerbereich weit vorne.

Aufrufe: 023.1.2019, 21:00 Uhr
Marcel PetersAutor